Die Vegetation ist in diesem Feuchtfrühling wie im Zeitraffer explodiert, dann hat die Schwüle sich wie Blei über das Land gelegt, seither entladen sich Unwetter in durchaus biblisch anmutendem Zorn. Man darf sich also auch heuer fragen: Wo sind wir hier eigentlich? Rein klimatisch natürlich. Für Südostasien fehlt uns nur noch der milde Winter, das Red Bull haben wir ja schon. Also im Zweifel noch ein bisserl mehr Vollgas geben und Verschwörungstheorien spinnen, dann kriegen wir das auch noch hin, gell?

Innen rosa, außen Donau: Eine Gastwirtschaft im Strombad Kritzendorf wurde jetzt ganz neu und gut.
Gerhard Wasserbauer

Am heimischen Abschnitt der Donau jedenfalls kommt es einem in Tagen wie diesen nur wenig anders vor als am Mekong, am Tonle Sap oder am Chao Phraya – die Luft steht, das Hemd klebt, die grüne Hölle tost. Und auf Höhe des Strombads Kritzendorf duftet es dann auch noch nach Pandan, nach langsam fermentierter Fischsauce, nach Galgant, Minze und Kaffir-Limette. Nur, dass das zur Abwechslung echt erfreulich ist und der Küchencrew der Fischerin zu verdanken.

Das Uralt-Lokal liegt stromabwärts von der großen Liegewiese mit dem Friteusen-Restaurant und könnte älteren Semestern noch als "Kropacek" in Erinnerung sein. Die Köche sind David Zoklits und Andre Sumit von "Es gibt Reis" in der Josefstadt, die schon seit ein paar Jahren zeigen, wie sehr authentische Aromenpower, Grundprodukte lokaler Bauern und virtuose Hingabe an die Küchentechniken Südostasiens zusammengehören. Der Architekt Heinz Holzmann hat das Lokal vergangenes Jahr gekauft und mit minimalen Eingriffen richtig gut gestaltet: Der Innenraum, ganz in leuchtendem Zuckerlrosa (oder doch Schinkenpink?) ausgemalt, ist mit einem antiken Wurlitzer, vor allem aber mit den goldfarbenen Lampenskulpturen von Patrick Rampelotto (Trophy Lamps) dekoriert. Einen Bootsverleih mit SUPs und Alu-Kanus gibt es auch, insgesamt hat das Strombad schon damit massiv an Attraktivität gewonnen.

Dieselverbrennung

Die Terrasse ist dieser Tage der eigentliche Aufenthaltsraum. Mit Wellplastik vor dem Wetter geschützt, wie sich das in Südostasien gehört, mit ebenso zuvorkommendem wie schmähbegabtem Personal gesegnet und mit voller Exposition zum Strom, der alles andere als träg vorbeizieht. An der Reling sitzt die Stammgarnitur beim Bier (Weitraer Kellerpils, sehr gut!) und schaut den Lastkähnen beim Dieselverbrennen zu, an den Tischen kühlt sich Jungvolk mit richtig köstlichen, wenig süßen, hausgemachten Limos ab. Von der Sonne, mindestens so aber von der Würzkraft des Essens.

Gemüse spielt eine Hauptrolle, mit Achtsamkeit vorgerichtet, mit Verve gewürzt, mit richtig scharfen Ideen aus dem Anstandswinkerl geholt.
Gerhard Wasserbauer

Explosiv aromatische, frische Lalot-Blätter zum Beispiel, auf die man sich knusprige Reiscakes, karamellisierte Cashews, Limettenschnipsel, Ingwer und Chili häuft, bevor sie in köstlich pikante Kräutermayo getunkt und inhaliert werden. Oder Fish & Chips mit Wels von Gut Dornau, souverän knusprig saftige Chunks, die mit Tamarinden-Ketchup und einem Schüppel frischer Kräuter (Thai-Basilikum, Dille, Minze …) serviert werden: So holt man das Zeug aus dem Fritter in die Jetztzeit! Kohlrabi wird geraffelt und wie laotisches Som Tam im Mörser gestampft, mit extrem frischem, dank Fischsauce, Erdnüssen und Limette absolut authentischem Dressing vermengt – tatsächlich noch besser als das Original mit grüner Papaya, ungleich klimafreundlicher sowieso.

Larb wird mit Rind gemacht, der rohe Fleischsalat als Beef Tartare interpretiert, nur halt mit herrlich viel Galgant, Zitronengras und Kafir-Limettenblättern angemacht, mit geröstetem Klebreispulver bestreut und mit Toastbrot kombiniert: extrem hitzeverträgliches Gourmetfutter, macht glücklich. Brokkoli kommt im Ganzen knackig geröstet und mit tief aromatischer Sataysauce aus gerösteten Erdnüssen zu Tisch, nicht anders als herausragend. Gemüse spielt überhaupt eine Hauptrolle, mit Achtsamkeit vorgerichtet, mit Verve gewürzt, mit richtig scharfen Ideen aus dem Anstandswinkerl geholt. Wer hinterher ins Wasser hupft, läuft aber Gefahr, besonders rapide abzutreiben! (Severin Corti, 2.7.2021)

Lokale in Österreich: Severin Cortis Restaurantkritiken

Die Fischerin

Strombad

Donaulände 15

3420 Kritzendorf

T: 02243/323 50,

Küche Mi–Fr 16–22, Sa+So 11.30–22 Uhr

Speisen € 5–16