Vizekanzler Koger und Justizministerin Zadić betonen, dass man sich im Regierungsprogramm auf konsequente Abschiebung von straffällig gewordenen Drittstaatsangehörigen geeinigt habe.

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Ministerin Karoline Edtstadler (Mitte) lud Experten zum runden Tisch.

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Wien – Nachdem die ÖVP als Reaktion auf die Tötung einer 13-Jährigen Kritik am Koalitionspartner geübt und auf rasche Abschiebungen gedrängt hat, haben sich am Donnerstag Vizekanzler Werner Kogler und Justizministerin Alma Zadić zu Wort gemeldet. Die beiden grünen Regierungsmitglieder sprachen sich gegen eine politische Instrumentalisierung des Falles aus. Kogler erinnerte an das Regierungsprogramm und betonte, dass Zadić nie einen Abschiebestopp nach Afghanistan gefordert habe.

"Woran wir uns alle nicht beteiligen sollten und ich mich sicher nicht beteiligen werde, ist das Wechseln von politischem Kleingeld und das Spalten der Gesellschaft", erklärte Kogler in einer Aussendung. Den Fall bezeichnete er als "grausame Tat, für die die Täter mit allen Mitteln des Rechtsstaates verfolgt und verurteilen gehören". Klar sei: "Wer bei uns Schutz vor Gewalt und Verfolgung sucht und auch braucht, soll ihn bekommen. Wer aber bei uns schwere Gewaltverbrechen begeht, muss dieses Land wieder verlassen." So stehe es auch im Regierungsprogramm: "Konsequente Abschiebung von straffällig gewordenen Drittstaatsangehörigen, denen der Schutzstatus aberkannt wurde."

Zadić wollte individuelle Bewertung bei Abschiebung

Im Regierungsprogramm vereinbart und geltende Rechtslage sei zudem die laufende Neubewertung der Sicherheitslage der Herkunftsländer von Asylwerbern unter Berücksichtigung der Erkenntnisse internationaler Organisationen, insbesondere des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM). "Und dass nach EMRK jeder Fall individuell zu prüfen ist, bevor abgeschoben wird", so Kogler: "Das hat die Justizministerin in der Debatte wiedergegeben."

Auch Zadić betonte: "Wer bei uns Schutz vor Gewalt und Verfolgung sucht, bekommt ihn auch – wer aber bei uns schwere Gewaltverbrechen begeht, muss dieses Land wieder verlassen." Sie werde diesen "erschreckend brutalen Fall" nicht politisch instrumentalisieren. "Das entspricht nicht meinem politischen Stil, und daran werde ich mich nicht beteiligen. Wichtig ist, dass wir den Fall rasch aufklären und die Täter mit allen Mitteln des Rechtsstaats zur Verantwortung ziehen. Das sind wir den Angehörigen schuldig. Diesen möchte ich nochmals mein aufrichtig empfundenes Mitgefühl ausdrücken", so die Justizministerin.

Im Justizressort betonte man auch, dass noch unter der türkis-blauen Bundesregierung ein Abbau von 80 weiteren Stellen beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgesehen gewesen sei, was Zadić habe verhindern können. Unter ihr seien über 30 zusätzliche juristische Stellen beim BVwG geschaffen worden, um die Altfälle rasch abarbeiten zu können. Von 33.000 anhängigen Beschwerdeverfahren sei man zuletzt auf 18.500 heruntergekommen. Knapp 75 Prozent der anhängigen Verfahren stammen aus dem Bereich Fremdenwesen und Asyl.

Edtstadler forderte Einschaltung der Dienstaufsicht

Zuvor hatte Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nach einem runden Tisch als Reaktion auf die Tat von Zadić die Einschaltung des Dienstaufsicht gefordert. Wäre schneller gehandelt worden, wäre einer der Verdächtigen wahrscheinlich zum Zeitpunkt der Tat schon abgeschoben gewesen, meinte die Ressortchefin bei einer Pressekonferenz.

Zu dem runden Tisch waren diverse Experten (teils online) geladen, die sich schon seit längerem kritisch mit dem Thema Islamismus auseinandersetzen, wie zum Beispiel Ahmad Mansour, aber auch die Konfliktforscherin Birgit Haller und der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf. Konkrete Maßnahmen wurden im Anschluss nicht verkündet, aber die Botschaft Edtstadlers war, dass man nicht zur Tagesordnung übergehen könne.

EU bei Abschiebungen und Grenzschutz gefordert

Der Ministerin missfällt etwa, dass man subsidiär Schutzberechtigten auch nach Kapitalverbrechen die Möglichkeit zu Berufungen gegen die Abschiebung einräumt. Insgesamt warb sie dafür, den Rechtsrahmen auszuschöpfen. Gleichzeitig machte Edtstadler aber auch klar, dass man sich innerhalb der europäischen Gesetze, also innerhalb der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), bewegen werde.

Gefordert sieht die Europaministerin aber auch die europäische Politik mit rascheren Abschiebungen, weiteren Rücknahmeabkommen und einem effektiveren Außengrenzschutz. Einer der zur Pressekonferenz zugeschalteten Experten, der niederländische Soziologe Ruud Koopmanns, plädierte überhaupt dafür, nur noch jene Flüchtlinge in Europa Asyl beantragen zu lassen, die aus Anrainerstaaten wie zum Beispiel der Türkei und der Ukraine stammen. Für die anderen Gruppen sollte nur eine Möglichkeit für entsprechende Ansuchen von außen bestehen.

"Islamistisches Verständnis" von Frauen

In den einzelnen Beiträgen wurde ein starker Fokus auf ein fehlgeleitetes islamistisches Verständnis von Frauen gelegt. Saïda Keller-Messahli meinte, dass angesichts der Erziehung viele Jugendliche unfähig sein, ein gesundes Verhältnis zu Mädchen aufzubauen. Kinder würden mit Gewalt erzogen, Frauen zu schlagen sei normal. Die Frau habe zu dienen, der Mann zu herrschen.

Vorgebrachtes Zahlenmaterial diente dazu, eine stärkere Kriminalität vor allem afghanischer Flüchtlinge darzustellen. Bei Inländern seien auf 100.000 Einwohner 883 Straftaten aufgekommen, bei Afghanen aber 4.000, führte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit aus. Sie seien auch bei Sexualdelikten überrepräsentiert. In Deutschland seien bei Verbrechen gegen die körperliche Integrität zwischen 2017 und 2019 Flüchtlinge um den Faktor sechs öfter die Täter gewesen, erklärte Koopmanns.

Edtstadler betonte einmal mehr, dass wer in Österreich Schutz suche, die hiesigen Werte auch zu respektieren habe: "Wer das nicht tut, hat in dem Land nichts verloren." Man müsse daher genau hinsehen, wo der politische Islam sein Unwesen treibe. Der runde Tisch sei nur der Anfang der intensiveren Beschäftigung mit dem Thema gewesen.

Neos wollen Maximaldauer bei Asylverfahren

Wenig überzeugt zeigte sich FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer Aussendung. Der ÖVP gehe es nur darum, ihr Nichtstun, so gut es geht, mit PR-Shows zu übertünchen.

Die Neos wiederum schlagen vor, die Maximaldauer nach Schweizer Vorbild bis zum zweitinstanzlichen Erkenntnis mit 180 Tagen zu beschränken. "Ein positiver Asylbescheid bedeutet: Zugang zum Arbeitsmarkt, massive Unterstützung für rasche Integration und damit volle Chancen. Ein negativer Asylbescheid bedeutet: entschlossene Rückführung", so Vizeklubchef Nikolaus Scherak. (APA, 1.7.2021)