Der Kleinste im ersten Bezirk misst putzige 0,16 Quadratmeter und besteht aus einem Brettchen am Fenster. Der Größte bringt es laut Auskunft aus dem Wiener Rathaus auf stattliche 241 Quadratmeter. Die Rede, Pardon Schreibe, ist von Gast- und Schanigärten. Es könnte einem einerlei sein, wie diese Open-Air-Verköstigungsörtlichkeiten benamst werden, tauchte nicht die Frage nach der Herkunft des Begriffes Schanigarten auf. Eindeutig sind die Erklärungen nicht. Das macht die Sache jedoch nur unterhaltsamer. Eine davon bezieht sich auf die Aufforderung an den früher häufig Schani gerufenen Piccolo, also auszubildenden Kellner: "Schani, trag den Garten aussi!"

Eine andere erzählt von einem gewissen Johann Jakob Taroni, der 1754 am Wiener Graben das erste "Sommerkaffeehaus" aufstellen durfte. Sein Vornamen Johann kann auch mit Jean oder Schani übersetzt werden. Sicher ist: Der klassische Schanigarten steht bedacht, umrankt oder nackig auf dem Gehsteig oder der Straße, also auf öffentlichem Territorium. Ob der schnieke Gastgarten eines Nobelitalieners, eine verglaste Minikathedrale oder zwei verratzte Plastiksessel vor einem Würstlstand – Plan und Sinn solcher Locations sind ident: das Verweilen, Genießen und Plaudern, Zeitunglesen, Vor-sich-hin-Sinnieren oder eine kleine, urbane Sommerfrische und ein Stück mediterranes Flair für zwischendurch. Dabei mäandern derlei Gastro-Quadratmeter samt Efeukisten und Oleanderbuschen wie Schwammerln nach einem tropenfeuchten Sommer.


Dieser Gastgarten hatte schon im Streifen "Before Sunrise" seinen Auftritt: Hanno Pöschls "Kleines Café", das im vergangenen Jahr seinen 50. Geburtstag feierte. Franziskanerplatz 3, 1010 Wien, täglich 10 – 2 Uhr
Stefan Fürtbauer

Nicht nur zur Sommerszeit

266 Jahre nach der ersten Sommersaison von Taronis Garten zählt die Stadt Wien 4200 Gast- und Schanigärten, das sind 15 Prozent mehr als in den Jahren davor. Man könnte also, wenn die Dinger ganzjährig geöffnet wären, jeden Tag über zehn davon erkunden. Die Hälfte bis zwei Drittel davon finden sich übrigens im innerstädtischen Bereich. Saison hat diese Spezies mittlerweile von schüttelfrostigen Zeiten vom Frühjahr bis zu bibberkalten Tagen der Vorweihnachtszeit. Pölsterchen, Decken und Heizstrahler sind vielerorts "part of the garden" und lassen nicht wenige hochbetagte Zeitgenossen den Kopf schütteln, wären doch Gastgärten zur Winterszeit noch vor wenigen Jahrzehnten als Absurdität betrachtet worden. Küchenpsychologisch betrachtet, könnte man durchaus sagen, der Gastgarten, der auch als Flanierraststätte dient, verkürzt im Kopf den Abstand zwischen Winters- und Sommerzeit. Diesbezüglich ist es auch egal, ob es sich um wohl geformte, mit Stil gewachsene Freiluftinseln gleich einem Hafencafé in Portofino oder dem Café de Flore am Boulevard Saint-Germain handelt oder um eine Massenabfertigungsanlage, wie man sie auch am Wiener Graben findet und die offensichtlich in erster Linie der Umsatzoptimierung pro Serviette dient.

Köpferecken und Hälse strecken

Für Peter Dobcak, Wiener Obmann der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer, sind Gast- und Schanigärten vom Schweizerhaus im Prater bis hin zu versteckten Juwelen in Hinterhöfen historisch und wirtschaftlich betrachtet ein elementarer Bestandteil der Branche. Umsatzzahlen, die durch Schanigärten erwirtschaftet werden, kann Dobcak keine liefern, aber eines ist er sich sicher: "Lokale, vor allem solche in Bezirken mit wenig Grünflächen, sind ohne Gastgarten im Sommer wirtschaftlich enorm benachteiligt. Noch etwas darf bei diesem Thema keinesfalls vergessen werden. Der Gastgarten hat neben seiner Rolle als Umsatzbringer und beliebter Zankapfel zwischen Wirtsleuten und Anrainern noch einen anderen wichtigen Zweck zu erfüllen. Er dient, wie erwähnt, auch dem "dolce far niente", und dazu gehört das Sehen und Gesehen-Werden samt neugierigem Köpferecken. Schließlich kommt man auch en passant an der Zusammenrottung von Müßiggängern an Kaffeehaustischen nicht vorbei und streckt schon mal den Kopf in die eine oder andere Richtung, vor allem an Orten, wo man vor lauter Schanigarten den Platz nicht mehr sieht.

Besucherinnen im liebevoll gestalteten Gastgarten des "Mill", Millergasse 32, 1060 Wien, Mo – Fr 15 – 22 Uhr; www.mill32.at
Stefan Fürtbauer

Lebensqualität statt Parkplätze

Harri Ölz, seit über 40 Jahren Kellner, unter anderem im Gasthaus Wild, der Blue Box oder dem U4 und nun in Diensten des Kleinen Cafés am Franziskanerplatz, sagt zum Gefilde namens Gast garten: "Der ideale Gastgarten hängt von Befindlichkeiten ab. Ich unterscheide zwischen einem urbanen Typus mit Offenheit und Zugang zu allen Seiten. Dieser ist ein kommunikativer Ort und immer für eine Überraschung gut. Dann gibt es noch die Variante Oase mit mehr Grün, einer schönen Aussicht und Ruhe zum Lesen, Grübeln oder für Stunden zu zweit." Ähnlich sieht das auch die Landschaftsarchitektin Alice Größinger vom Büro Idealice, welches unter anderem die Gestaltung des Gastgartens des Glacis-Beisl im Museumsquartier verantwortet. Sie begrüßt die Vermehrung der Gastgärten und unterscheidet ebenso zwischen Ruheoasen, die der Erholung dienen, und Schanigärten am Gehsteig. "Es mag schon stimmen, dass man Park plätze verliert, dafür gewinnt die Stadt immens an Lebensqualität." "Gestalterisch", so die Planerin, "schwankt die Qualität stark." Aber das gilt auch für die Interieurs der gut 9000 Wiener Gastronomiebetriebe, die verschiedenste Geschmäcker bedienen. Auch gestalterisch. ( Michael Hausenblas, 3. 7. 2021)

Der Beitrag erschien im Magazin "Leben in Wien" des STANDARD.

Im Innenhof des "Hotels am Brillantengrund" gibt es philippinische Speisen, Unplugged-Konzerte und Retroflair dank Vintagemöbeln. Bandgasse 4, 1070 Wien, Mo-Sa 11-22 Uhr, Fr 11-15 Uhr; www.brillantengrund.com

Stefan Fürtbauer

Hipsteralarm! Coole Second-Hand-Mode kaufen und danach noch Kuchen essen? Beides ist möglich in der "Burggasse 24", 1070 Wien, Mo-So 10-22 Uhr; www.burggasse24.com

Stefan Fürtbauer

So skurril wie schön lässt es sich im Cafésalon und Restaurant "Concordia Schlössl" (errichtet 1881) beim Zentralfriedhof sitzen und schmausen. Simmeringer Hauptstraße 283, 1110 Wien, So-Do 11-23 Uhr, Fr & Sa 11-24 Uhr; www.concordia-schloessl.at

Stefan Fürtbauer

"Concordia Schlössl"

Stefan Fürtbauer

"Concordia Schlössl"

Stefan Fürtbauer