Ein Schwarzes Loch ist drauf und dran, einen Neutronenstern in einem Stück zu verschlingen.
Illustr.: Carl Knox, OzGrav - Swinburne University

Astrophysikern ist zum ersten Mal der sichere Nachweis einer Kollision zwischen einem Schwarzen Loch und einem Neutronenstern gelungen. Das buchstäblich welterschütternde Ereignis fand in einer rund 900 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie statt. Die dabei ausgelösten Gravitationswellen waren am 15. Januar 2020 von den Detektoren Ligo (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory) in den USA und Virgo in Italien eingefangen worden.

Neben dem starken, mit GW200115 bezeichneten Signal beobachtete das internationale Team zehn Tage davor ein ähnliches Gravitationswellenereignis, GW200105. Da dieses jedoch nur von einem Ligo-Detektor festgestellt worden war, lässt sich nur sehr ungenau ausmachen, wo das Ereignis stattfand. Ein Bereich, der etwa 17 Prozent des gesamten Himmels entspricht, kommt dafür infrage.

Rückschlüsse auf seltene Doppelsysteme

Obwohl in diesem Fall die Datengrundlage eher dünn ist, sind die Wissenschafter davon überzeugt, dass das Signal echt ist. Die beiden Beobachtungen erlauben den Wissenschaftern jedenfalls erste Rückschlüsse auf die Entstehung der seltenen Doppelsysteme aus einem Schwarzen Loch und einem Neutronenstern. Zwar waren bereits zuvor Gravitationswellen detektiert worden, die auf ein solches Ereignis schließen lassen, doch bei diesen blieben noch einige Unsicherheiten.

"Innerhalb von nur zehn Tagen im Jänner 2020 haben unsere Detektoren zwei brandneue Signale aufgefangen. Sie stammen von Schwarzen Löchern mit neun und sechs Sonnenmassen, die mit zwei leichteren Objekten mit 1,9 beziehungsweise 1,5 Sonnenmassen verschmolzen", sagt Alessandra Buonanno, Direktorin am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (AEI) in Potsdam und Koautorin der in den "Astrophysical Journal Letters" präsentierten Studie. "GW200115 ist unser erster sicherer Nachweis der Verschmelzung eines Schwarzen Lochs mit einem Neutronenstern. Diese interessante neue Quelle von Gravitationswellen vervollständigt unsere Sammlung verschmelzender kompakter Objekte."

Starkes Signal

Im Unterschied zu GW200105 vom 5. Jänner konnte GW200115 zehn Tage später von allen drei großen Detektoren eingefangen werden: von beiden Ligo-Instrumenten und Virgo. In jedem einzelnen Detektor ist es weniger auffällig als GW200105, doch die gemeinsame Verarbeitung der Messdaten und die zeitlich zusammenfallenden Nachweise machen es zu einem starken Signal.

GW200115 stammt von der Verschmelzung eines Schwarzen Lochs mit sechs Sonnenmassen mit einem Neutronenstern mit eineinhalbfacher Masse unserer Sonne. Mit den Beobachtungsdaten der drei weit voneinander entfernten irdischen Detektoren lässt sich die Richtung zum Ursprung der Wellen auf einen Teil des Himmels eingrenzen, der der Fläche von 2.900 Vollmonden entspricht.

Video: Simulation einer Kollision zwischen einem Schwarzen Loch und einem Neutronenstern.
Max Planck Institute for Gravitational Physics

Mit einem Happs verschlungen

Mehrere Observatorien führten verschiedene Folgebeobachtungen durch, konnten aber kein Gegenstück der beiden Ereignisse im elektromagnetischen Spektrum aufspüren. "Die Beobachtung eines elektromagnetischen Signals der Verschmelzung wäre fantastisch gewesen, aber wir haben das nicht unbedingt erwartet", sagt Frank Ohme, Leiter einer unabhängigen Max-Planck-Forschungsgruppe am AEI Hannover.

"Jegliches Licht wäre aufgrund der großen Entfernungen sehr schwach und durch die nur ungenau bekannten Himmelspositionen schwierig aufzuspüren. Wir schließen außerdem aus den Daten, dass die Schwarzen Löcher, die an diesen Verschmelzungen beteiligt sind, ihre Neutronensternpartner einfach am Stück verschluckt haben, sodass gar kein Licht abgestrahlt wurde."

Allein anhand des Gravitationswellensignals lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich bei den leichteren Objekten tatsächlich um Neutronensterne handelt. Die Fingerabdrücke der zu erwartenden Verformungen der Neutronensterne ließen sich im Signal weder sicher nachweisen, noch konnte ihre Abwesenheit bewiesen werden.

Etwa eine Verschmelzung pro Monat

"Die Gravitationswellen allein verraten uns zwar nicht die Struktur des leichteren Objekts, aber wir können auf seine maximale Masse schließen. Indem wir diese Informationen mit theoretischen Vorhersagen über die zu erwartenden Massen von Neutronensternen in einem solchen Doppelsystem kombinieren, kommen wir zu dem Schluss, dass ein Neutronenstern die wahrscheinlichste Erklärung ist", sagt Bhooshan Gadre, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie am AEI Potsdam.

Da diese Ereignissen die ersten sicheren Beobachtungen der Gravitationswellen von Verschmelzungen Schwarzer Löcher mit Neutronensternen sind, können die Forscher nun abschätzen, wie oft solche Ereignisse im Universum stattfinden. Sie erwarten, dass in Entfernungen von bis zu einer Milliarde Lichtjahren etwa eine solche Verschmelzung pro Monat stattfindet. Nicht alle dieser Ereignisse lassen sich freilich mit den derzeitigen Detektoren nachweisen.

Wie die exotischen Systeme entstehen könnten

Obwohl unklar ist, wie genau diese exotischen Doppelsysteme entstanden sind, gibt es drei Möglichkeiten, die die Astronomen für die wahrscheinlichsten Erklärungen halten. Doppelsterne können sich zu solchen Systemen entwickeln, wenn ihre Komponenten mit der Zeit zu Schwarzen Löchern und Neutronensternen werden. Dichte Sterngesellschaften wie junge Sternhaufen sind ein weiterer wahrscheinlicher Ursprungsort, ebenso wie die Umgebung der Zentren von Galaxien. (red, 1.7.2021)