Paul Kolarik sieht dem ersten Ferienwochenende mit Hochspannung entgegen. Der Wiener Gastronom betreibt im Prater das Restaurant Luftburg mit 1200 Sitzplätzen. 960 Gäste haben sich allein für den letzten Schultag, heute, Freitag, angemeldet. Ein gutes Drittel davon werden Kinder sein.

Hüpfen und essen mit Drei-G-Nachweis: Mancher Familie wird das den Praterbesuch verleiden.
APA/KWG/Kinderfreunde Salzkammergut

Doch während der Bund die Regeln für die Zutrittstests für weite Teile des öffentlichen Lebens deutlich lockert, schärft Wien nach. Als Eintrittstickets in die Gastronomie und in Freizeiteinrichtungen wie Freibäder verbannt die Stadt sogenannte Wohnzimmertests. Grünes Licht erhält nur, wer gurgelte oder sich in Teststraßen oder Apotheken auf Corona testen ließ. Dabei wird die Drei-G-Regel erstmals in Österreich auch Kindern ab dem sechsten Lebensjahr auferlegt.

"Ich dachte, ich lese nicht recht", seufzt Kolarik und bezeichnet den Wiener Alleingang als absurd. Er selbst sei leidenschaftlicher Gurgler, dies nun auch von kleinen Kindern einzufordern, schieße aber über das Ziel hinaus.

Praterbesuche verschieben

Kolarik ist sich sicher, dass viele Familien ihre Praterbesuche infolge dessen um ein Jahr verschieben werden und sich mit dem Nachwuchs im Sommer lieber außerhalb Wiens vergnügen. Sein Betrieb stellte eigens Mitarbeiter ab, um Tests zu überprüfen. Zu den Stoßzeiten werde sich die Wartezeit vor seinen Toren und seiner Luftburg wohl noch verlängern.

Was das Alter der Kinder betrifft, gehe es mehr um Vertrauen als um Ausweise, sagt Kolarik. "Kinder sind bei dieser Frage am ehrlichsten. Wer unter den Kleinen macht sich schon gern um ein Jahr jünger?"

"Wer wird das überprüfen?"

Der hohe Aufwand der Kontrollen beschäftigt auch den Wiener Cafetier Berndt Querfeld. "Wer, bitte schön, in unserer Branche wird das alles überprüfen können?" Servicekräfte eilten von einem Zehnertisch zum anderen. Was, wenn der Feuerwehrhauptmann mit seinen Kindern sein Stammlokal besucht? Schickt der Wirt diese dann heim, sollte beim Sechsjährigen der Test fehlen? Man könne von Glück reden, wenn sich in Summe zwei Drittel der Gaststätten daran hielten.

Für Querfeld ist in Wien weiterhin viel Vorsicht und Selbstdisziplin geboten, auch mit Blick auf das Infektionsgeschehen in anderen europäischen Ländern. Dennoch brauche es einen realistischen Blick auf die Einhaltung rigoroser Regeln.

Appell zu kontrollieren

Offenbar habe sich Wien vorab nicht überlegt, wie es nach den regelmäßigen Testungen und der Virenfrüherkennung in den Schulen in den Ferien weitergehe, vermutet der Chef von Traditionsbetrieben wie Landtmann und Café Museum. "Gastronomen und Bademeister sollen nun Sheriff spielen. Hier liegt irgendwo ein Systemfehler vor."

Ob Systemfehler oder nicht – Peter Dobcak, Obmann der Wiener Wirtschaftskammer, appelliert an die Mitglieder, die Vorschriften einzuhalten und genau zu kontrollieren. Man dürfe sich nicht der Realität verweigern, denn wenn Politiker selbst oder aus ihrem Umfeld mitbekommen, dass die Regelungen vielerorts gar nicht oder zu lax umgesetzt werden, seien als Reaktion noch wesentlich strengere Auflagen zu befürchten.

Warnendes Beispiel

"Es hätte noch viel ärger kommen können", sagt Dobcak mit Blick auf die Delta-Variante und Portugal als warnendes Beispiel. So sei auch im Raum gestanden, dass die Nachtgastronomie in Wien gar nicht hätte öffnen dürfen. Er kann unter diesen Umständen mit der Testpflicht für Kinder ab sechs Jahren leben, da es dabei helfe, auf den Herbst vorbereitet zu sein.

Ein Dorn im Auge ist Dobcak jedoch das Aus für die Selbsttests. Er erinnert daran, dass diese beim Betreten eines Lokals unter Aufsicht des Personals erfolgten und nicht unbeobachtet zu Hause. Er will deshalb das Gespräch mit den Verantwortlichen der Stadt suchen, um Selbsttests vor Ort doch zuzulassen. "Das ist besonders für Touristen sehr wichtig", betont Dobcak.

Menschenmassen vor und in dem Londoner Wembley Stadium, aber Eintrittstests für Kinder in Wiener Lokalen – das ärgert Innenstadtgastronom Gerhard Müller.
Foto: Imago

Mit harscher Kritik hatte ÖVP-Tourismusministerin Elisabeth Köstinger auf die Wiener Insellösung reagiert: "Wie stellt man sich das vor, dass sich Gastronomie und Tourismus in weniger als 24 Stunden auf die neuen Regeln einstellen sollen?" Es sei ein Schlag ins Gesicht der Unternehmer und stifte bei Gästen Verwirrung.

Verunsicherung unter den Gästen, die von einem Besuch abschrecken könne, befürchtet der Wiener Innenstadtgastronom Gerhard Müller, der das Gasthaus zum Holunderstrauch betreibt. "Die Infektionszahlen gehen gegen null, das ist ein Witz", sagt er über den Wiener Alleingang. "Ich glaube, das ist die falsche Botschaft." Zudem ärgert ihn, dass bei der Fußball-EM 60.000 Menschen in ein Stadion dürften und in Wien von Kindern ein Test für einen Restaurantbesuch mit den – oft bereits geimpften – Eltern benötigt werde. "Das ist unverhältnismäßig." (Verena Kainrath, Alexander Hahn, 2.7.2021)