Die Zeit der Präsenzlehre ging im Osten des Landes besonders schnell vorbei. In der Sommerpause müssen viele etwas nachholen.

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Christiane Spiel von der Uni Wien plädiert für maßgeschneiderte Förderungen und Buddysysteme.

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Es ist überstanden – zumindest im Osten des Landes findet am Freitag mit der Zeugnisvergabe der letzte Schultag vor den Sommerferien statt. Und damit geht das erste Schuljahr, das vollständig in die Corona-Pandemie fiel, zu Ende. Nach in Summe drei Semestern rein und raus aus dem Distance-Learning, stellt sich aber auch die Frage: Was alles hat die Pandemie die Schülerinnen und Schülern gekostet? Oder konnten sie gar davon profitieren?

Die aktuelle Situation der Kinder und Jugendlichen wurde in den vergangenen Monaten von der Universität Wien in regelmäßigen Abständen unter die Lupe genommen. Eine wesentliche Erkenntnis dabei: Die schon vor der Pandemie bestandene Heterogenität in den Klassen habe sich vergrößert, sagt Bildungspsychologin Christiane Spiel, eine der Autorinnen der Studie "Lernen unter Covid-19-Bedingungen" im Gespräch mit dem STANDARD.

Was heißt das? Jene, die bereits vor Corona Probleme in der Schule hatten, seien in der Pandemie erneut vor Herausforderungen gestanden. Oft wegen der schwierigen Rahmenbedingungen – etwa weil sie kein eigenes Zimmer zum Lernen, kein schnelles Internet oder keine Eltern hatten, die sie unterstützen konnten. "Genau diejenigen, die am meisten Unterstützung brauchen, werden am schlechtesten erreicht", sagt Spiel.

Mehr Nachhilfe

Unterstützung wurde laut einer Studie der Arbeiterkammer zuletzt vermehrt in Anspruch genommen – gerade kostenlose Angebote etwa an Volkshochschulen oder bei Nachbarn boomten, etwas zurück ging die bezahlte Nachhilfe. Für die Studie wurden im Mai 2021 mehr als 1.035 Eltern von rund 1.700 Schulkindern befragt. 27 Prozent der Kinder bekamen Gratisnachhilfe, in den beiden Jahren davor waren es nur je 13 Prozent. Bezahlte Nachhilfe ging von 17 auf 15 Prozent zurück. Insgesamt stieg der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Nachhilfe damit von 29 auf 37 Prozent.

Ein kostenloses Angebot stellt die vom Bildungsministerium angebotene Sommerschule dar. Österreichweit haben sich Stand Donnerstag rund 35.000 Kinder für das zweiwöchige Programm zur Förderung in Deutsch, Mathe und Sachunterricht gemeldet. Zusätzliche 23.000 Plätze wurden in den Wiener Summer City gebucht.

"Gerade über den Sommer geht die Bildungsschere wieder auf", begrüßt Spiel das Angebot der Sommerschule. Eltern, die auch die finanziellen Mittel hätten, würden in dieser Zeit ihre Kinder oft fördern – etwa durch Sprachreisen. Andere Kinder, deren Eltern etwa aus finanziellen Gründen oder der eigenen Bildung nicht nachhelfen können, fallen hingegen zurück.

Maßgeschneiderte Förderung

Allerdings, so die Bildungspsychologin, sei die Sommerschule allein nicht ausreichend. Zusätzlich brauche es ein "breites Angebot, weil die Kinder unterschiedliche Bedürfnisse haben – eine Maßnahme kann nicht alles abdecken". Wichtig sei aber auch zu reflektieren, welche Ziele mit welchem Angebot erreicht werden können, und diese dann auch zu evaluieren.

Spiel plädiert in diesem Zusammenhang unter anderem für die verstärkte Etablierung von Buddysystemen. Dabei sollen Schülerinnen und Schüler, die sich mit dem Stoff leichter tun, ihre Kolleginnen und Kollegen beim Lernen unterstützen – und dadurch auch selbst profitieren. Bei sogenannten KEL-Gesprächen – Kind, Eltern, Lehrperson – könnte zudem gut diskutiert werden, wo die Schülerin oder der Schüler aktuell stehe, und welche Form der Unterstützung und Förderung es genau brauche.

Aber auch Gutes habe die Pandemie gebracht: Schülerinnen und Schüler hätten dadurch einiges gelernt, was die Generationen davor nicht gelernt haben und was sie ihr Leben lang nutzen werden können: Etwa in puncto Selbstorganisation oder Digitalisierung hätten Kinder und Jugendliche viel mitnehmen können. Und: "Mit Krisen umzugehen ist auch etwas, das man in der Zukunft brauchen wird." (Oona Kroisleitner, 2.7.2021)


Wie Schülerinnen und Schüler den Schulschluss erleben

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Obwohl das Schuljahr nicht einfach war, ist Elias Hess (16) positiv gestimmt. "Es ist unglaublich, wie wir das alle geschafft haben. Es ist hart, sich jeden Tag dazu zu motivieren, allein vorm Computer zu sitzen und zu lernen." Am schwierigsten war für den Schüler der sechsten Klasse einer AHS in Oberösterreich die Doppelbelastung ab dem Frühjahr. "Wir hatten Unterricht in der Schule und Arbeitsaufträge aus dem Homeschooling. Da musste ich dann auch einen Aufsatz für Geografie schreiben, was früher praktisch nicht vorgekommen ist." Sollte es auch im Herbst wieder zu Lockdowns kommen, wünscht sich Elias eines: "Die Schülerinnen und Schüler sollten nicht mehr der Spielball der Politik sein. Es sollte mehr Klarheit darüber geben, in welchem Fall die Schulen geschlossen werden."

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Flora Rothleitner (9) freut sich, wenn sie in den Sommerferien wieder öfter bei ihren Freundinnen übernachten darf. "Früher haben wir das fast jeden Freitag gemacht, im letzten Jahr ging das gar nicht", erzählt die Neunjährige. Die Lockdown-Zeit fand sie generell "nicht so cool". Sie hatte in den Volksschuljahren davor mehr Freizeit und weniger Hausübungen, vor dem Computer lernen mache ihr überhaupt keinen Spaß. Die Burgenländerin hat mit heute, Freitag, die Volksschule abgeschlossen und wird im Herbst aufs Gymnasium wechseln. Ob sie darauf ausreichend vorbereitet ist, daran hat ihr Mutter Anna Rothleitner-Reinisch nach dem Corona-Jahr aber Zweifel. "Flora ist eine gute Schülerin, aber sie hatte während des ganzen Jahres keine einzige Prüfung und nur eine Schularbeit."

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Nur zwei Wochen lang konnte Vinzent Wieser (11) seine neue Schule regulär besuchen. "Ab dann wurde es komisch", sagt der Elfjährige, der seit September eine Wiener Mittelschule an einem AHS-Standort besucht. Er musste erst eine Maske tragen und kurze Zeit später von daheim aus lernen. "Meine Mama hat mir geholfen, die Arbeitsblätter zu verstehen."

Von der Betreuung am Schulstandort, die er im Lockdown einige Zeit besucht hatte, meldete ihn seine Mutter rasch wieder ab. "Da konnte ich mich nicht konzentrieren, die anderen Kinder haben Blödsinn gemacht, und die Lehrer waren nicht meine und haben mir mit den Aufgaben nicht helfen können", sagt Vinzent. Mittlerweile kennt er alle seine Klassenkollegen, mit einigen ist er befreundet. "Wir haben uns während des Lockdowns übers Handy und den Computer unterhalten."

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Leon Hartl (21) macht im September seine Lehrabschlussprüfung als Versicherungskaufmann. Weil er in der Abschlussklasse sitzt, blieb dem Oberösterreicher das Homeschooling weitgehend erspart. "Wir haben Masken getragen, alle zwanzig Minuten gab es eine Maskenpause, und wir haben gelüftet", erzählt er.

Über Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hat sich Hartl, der Lehrlingsvertreter und Vorsitzender Jugendvertrauensrat ist, während der Pandemie des Öfteren geärgert. "Die Berufsschulen kamen in seinen Pressekonferenzen so gut wie nie vor." Nur einmal, als es hieß, die mündliche Lehrlingsabschlussprüfung entfalle. "Dazu muss man aber wissen, dass die immer entfällt, wenn man drei Jahre Berufsschule absolviert hat", sagt Hartl. "Das würde Faßmann wissen, wenn er sich mit Lehrlingen beschäftigen würde."

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Zumindest eines ist normal. Hannah Knoblechner (18) ist auf Maturareise in Griechenland. Einen Maturaball oder ein "Käpplefest", das in Vorarlberg üblicherweise von Maturanten gefeiert wird, gab es für Hannah und ihre Klassenkollegen eines Gymnasiums in Feldkirch nicht.

Die Matura sei aber recht gut vorbereitet gewesen, sagt Knoblechner. Sie ist sich dennoch sicher, in diesem Jahr weniger gelernt zu haben, als möglich gewesen wäre. "Man ist bei den Stunden vorm Computer einfach nicht so aufmerksam. Ich habe einmal eine ganze Geschichtestunde auf meinem Handy surfend verbracht. Das hätte ich früher nie getan."

Sich zu motivieren sei aber einfach schwer, wenn selbst der Lehrer die Kamera ausschalte und man vor einem schwarzen Computerbildschirm sitze und zuhören solle. (Lisa Kogelnik, 2.7.2021)

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