Im Wiener Flex geht es am 1. Juli dank Lockerungsbestimmungen zaghaft rund.

Foto: Christian Fischer

Gerade erst hat man selbst im alten Flex in der Wiener Arndtstraße mit rückkoppelnden Gitarren das Eröffnungskonzert gespielt, schon sind wieder 30 Jahre vergangen. Bitte laut und deutlich mit mir sprechen! Und nicht alle gleichzeitig.

Damals regierten im jetzt wiedereröffneten Flex noch der grimmige Hardcore, der Hundepunk und der Noiserock.

Die Zeiten waren niemals gut, jetzt sind sie noch immer nicht vorbei. Was aber treiben nun die jungen Leute von Heute im "neuen", auch schon wieder seit 1995 bestehenden Flex am Donaukanal? Die Alten sind auf alle Fälle weg. Ja, ist ja gut, Großvater! Die diversen Lockdowns scheinen das Lokal wie auch die Besucher unbedingt guten Mutes überstanden zu haben.

Anlässlich des Wiederhochfahrens des Clubbetriebs regieren dort längst weiterhin die DJs mit den Klappcomputern. Die kann man im Zweifel einfach ignorieren. Es pumpt, es bolzt, es knattert. Aufgrund der sommerlichen Witterung neigt sich die am 1. Juli abends vor Ort anwesende Weltjugend eher einem zu: Die Schulschlussfeiern auf der Donauinsel verzeichnen einen größeren Zuspruch als die Partyhütten. Allerdings bleibt die mitgebrachte Jause die selbe. Die langersehnte Wiederöffnung der Nachtgastronomie draußen im Betongarten vor dem Flex will sehr gern mit mitgebrachter Freizeitchemie und Dosengetränken zum Shaken gebracht werden. Hauptsache, man ist irgendwie dabei. Im oder vor dem Flex, ist ja egal.

Stimmung, gute Laune

Außer bei den lustigen Frisuren und der heutzutage im historischen Vergleich gewissenhafter betriebenen Körperpflege scheint sich diesbezüglich wenig verändert zu haben. Das Betreten des Veranstaltungssaales wird traditionell erst am frühen Morgen in Angriff genommen. Dann droht bis zur Sperrstunde um sechs Uhr früh auch zunehmend die Gefahr, dass es draußen wieder hell wird. Stimmung, gute Laune. Pure Vernunft darf niemals siegen!

Das Ganze wird, über das Wochenende verteilt, vier Tage und Nächte lang dauern und sich "Freedom Rave" nennen. Neben Techno-Altvater und Impresario Crazy Sonic legen an der frischen Luft und im Saal auch lokale DJs mit hübschen Namen wie Mischa Beton oder Bart & Busen relativ egale Elektroniktracks auf. Der mit zügigem Tempo durchexerzierte Viervierteltakt des Techno in seinen diversen Spielarten ist Gesetz. Und: Es gibt Wiederholungen.

Aber Achtung, die in jüngster Zeit nachts ohne Lokal am Donaukanal oder am Karlsplatz auf illegalen Partys geschulten Kids fassen dann am nächsten Tag nicht nur Katzenjammer aus. Manchmal geht es auch um den Hausarrest. Und das gleich zu Ferienbeginn! Die strengen Sicherheitsbestimmungen bezüglich wohlfeiler 10 Euro Eintritt und einer auf 500 Menschen limitierten Besucherzahl indoor halten, in allen anderen heute besuchten Lokalen übrigens auch. Kein Lokal will das erste sein, das mit den Behörden Probleme bekommt. Über Abstandsregeln könnte man trotz erlaubter Auslastungszahlen von nur 75 Prozent reden. Bevor das geschieht, geht es wieder raus zum Rauchen an den Kanal.

Im Fluc am Praterstern als Veteran der Lockdown-Konzerte aus dem Vorjahr wird an diesem Donnerstag mit Livegigs der Wiener Gitarrenbands Bad Weed und Good Cop vorher noch der Geist des alten Flex mit lauten scheppernden Klampfen sowie am Gesangsmikrofon mit einer feststellbaren Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation hochgehalten. Hier rumpelt und kracht es widerständig – und gegen "das System" gerichtet – wie einst in den 1980er-Jahren. Das Publikum wie auch die Veranstalter fragen sich, ob denn nun die Masken im Saal erforderlich seien oder nicht. Die Antwort lautet jein. Alle an diesem Abend einigen sich darauf, dass damit nun endlich Ruhe sein muss. Aber womit?!

Tanzmusik für faule Willis

Menschen, die es in dieser historischen Nacht gern etwas ruhiger und gesitteter angehen wollen, treffen sich im Open-Air-Lokal Usus am Wasser an der Neuen Donau. Achtung, es ist von der U6-Station weg ein langmächtiger Hatscher! Nach Wienerlied-Sänger Willi Landl übernehmen dort die nicht mehr ganz frischen, aber umso beliebteren Party-Macher MC Sugar B und DJ Makossa vom Radiosender FM4. Der Sommer und die Lockerungen machen gute Laune. Mütter tanzen beckenbetont mit ihren kleinen Vorschulkindern. Es ist alles sehr leise. Das alte Publikum wippt an den Tischen mit. Die Tanzmusik für faule Willis schafft eine heitere Atmosphäre. Der stürmische Wind macht die Musik leise. Manchmal zieht der Rauch von Bob Marleys liebsten Zigaretten über die Wiese am Wasser.

Spät am Abend geht es noch ins gute alte Chelsea in den Gürtelbögen. Die Atmosphäre dort ist gut gealtert. Die in Wien ansässige deutsche Punk-Legende Peter Hein von den Fehlfarben legt Platten aus der guten alten Zeit auf. Hier sind fast alle mindestens einmal geimpft. Nicht länger Teil einer Jugendbewegung zu sein, sondern einer Risikogruppe anzugehören, bringt mitunter Vorteile. Hey, ho, let’s go!

Bewährte Clubbing-Locations wie das Werk, die Grelle Forelle, das Loft – oder neue, gehypte Hütten wie PRST (Praterstraße) – starten die Saison übrigens erst ab Freitag, 2. Juli.

An Publikum wird es nicht mangeln. Vorerst. Das letzte Jahr war auch eines, es war schlicht und einfach langweilig. Die Gästeliste hat wieder Saison. (Christian Schachinger, 2.7.2021)