Emil Jakob Schindlers "Erinnerung an Holland", taxiert auf 35.000-70.000 Euro, wird anlässlich einer Privatrestitution bei "im Kinsky" versteigert. Es war einst in der Sammlung Löw-Felsövanyi beheimatete und verschwand in der NS-Zeit.

Foto: Im Kinsky

Am 7. Juli kommt im Auktionshaus "im Kinsky" ein Gemälde von Emil Jakob Schindler zur Versteigerung, dem eine "privatrechtliche Restitution" zugrunde liegt, wie es im Katalogtext heißt. Eine Seltenheit im Alltag des Kunsthandels. Das Bemühen, potenzielle Raubkunstfälle aus der NS-Zeit zu klären und faire Lösungen etwa im Sinne von Vergleichen anzustreben, ist auf privater Ebene auch mehr als 20 Jahre nach der Verabschiedung der Washington Principles eine Ausnahme geblieben. Sowohl hierzulande als auch andernorts.

Umso erfreulicher, möchte man angesichts des aktuellen Beispiels meinen. Der Weg dorthin war auf einer Etappe allerdings eher eigentümlich, so exemplarisch er auch begann. Der Besitzer des Parthie aus Zütphen oder auch Erinnerung an Holland betitelten Gemäldes brachte selbiges in Verkaufsabsicht beim Dorotheum ein. Kurz darauf wurde er informiert, dass das Bild eine potenziell problematische Herkunft habe, weshalb es nicht versteigert werden könne.

Dorotheum verweigerte Herausgabe

"Bei der Recherche unserer Provenienz-Abteilung hat sich ergeben, dass das Schindler Bild mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Sammlung Felsövany (sic) stammt", erklärt auch das Dorotheum auf STANDARD-Anfrage. Gemeint ist damit wohl der Hinweis, der sich auf der Rückseite, genauer auf dem Keilrahmen, befindet: "V. Felsövanyi" ist dort handschriftlich vermerkt.

Der Einbringer sei informiert worden, "dass wir eine Versteigerung ohne Einigung mit den Erben Felsövany (sic) nicht durchführen und eine tiefer gehende Recherche für notwendig halten". So weit, so nachvollziehbar. Allerdings verweigerte das Dorotheum in einem ersten Schritt die Herausgabe des Bildes an seinen Eigentümer. "Erst nach Vorlage einer Bestätigung des rechtlichen Vertreters der Erben Felsövany (sic) wurde das Bild ausgefolgt", bestätigt man die Angaben des Wieners.

Bild nicht mehr verfügbar.

Anton Loew, der mit dem Sanatorium in der Mariannengasse den Prototyp eines modernen Privatspitals begründete. Eine Radierung von Ferdinand Schmutzer nach einem Porträtgemälde von Leopold Horovitz.
Foto: Picturedesk.com / ÖNB-Bildarchiv / Leopold Horovitz

Auf welcher rechtlichen Grundlage diese ungewöhnliche Maßnahme basiert, kann das Dorotheum nicht erklären und beruft sich auf die "moralische" Komponente. Deshalb habe man "eine Bestätigung erbeten und auch erhalten, dass die Ansprüche mit den Felsövany (sic) abgeklärt werden". Das entspreche "auch der Verantwortung und den Usancen eines international agierenden Auktionshauses". Dem STANDARD, der solche Fälle im Umfeld des internationalen Kunsthandels seit mehr als 20 Jahren dokumentiert, ist kein vergleichbares Vorgehen bekannt.

Privatrechtliche Einigung via "im Kinsky"

Für den von alledem überraschten Besitzer des Schindler-Bildes wendete sich dennoch alles zum Guten. Der Rechtsanwalt Ernst Ploil vertritt die Erben nach Felsovanyi schon seit einigen Jahren und ist bekanntlich auch Co-Geschäftsführer und -Gesellschafter des Auktionshauses "im Kinsky". Die privatrechtliche Einigung zwischen den beiden Parteien war schnell herbeigeführt.

Die Causa ist keine unbekannte und geht auf die Sammlung Anton Loews zurück, eines visionären Mediziners, Mäzens und Kunstsammlers, der in Wien den Prototyp des modernen Privatspitals begründete: das nach ihm benannte und weit über die Grenzen der K.-u.-k.-Monarchie hinaus bekannte Sanatorium im neunten Wiener Gemeindebezirk, dem das Wien-Museum in seinem Magazin jüngst einen ausführlichen Beitrag widmete.

Bei Schindlers-Nachlassauktion im Dezember 1892 ersteigerte Anton Loew das Gemälde "Abendlandschaft". Es gehörte zu jenen Kunstwerken, die seine Tochter nach dem Zweiten Weltkrieg aufzufinden versuchte.
Foto: ÖNB Anno, Reproduktion

Nach Loews Tod übernahm seine Tochter Gerta (Gertrud) als Hauptgesellschafterin bis zum "Anschluss" im März 1938 die Leitung des Sanatoriums, das schließlich arisiert wurde. Sie war in zweiter Ehe mit Elemer von Felsövanyi verheiratet, der 1923 verstorben war.

Verfolgungsbedingte Flucht 1939

Die von ihrem Vater aufgebaute Kunstsammlung war – sieht man von der Versteigerung einiger namhafter Werke und Antiquitäten bei der Galerie Moos (Genf) 1920 ab – in wesentlichen Teilen in Familienbesitz verblieben: bis zu Gerta Felsövanyis verfolgungsbedingter Flucht nach Belgien im Frühjahr 1939 und ihrer späteren Emigration in die USA.

Zum Zwecke der Übersiedlung ihrer Güter hatte sie einer Bekannten eine Vollmacht erteilt. Eine Betrügerin, wie sich nach dem Zweiten Weltkrieg herausstellte, die ohne Felsövanyis Wissen alles verscherbelte. Sieht man von zwei Waldmüller-Bildern ab, die im Belvedere gelandet waren, blieb die Einrichtung des Palais der Familie auf dem Gelände des Sanatoriums, die Wertgegenstände und die Kunstsammlung, deren Wert in der Vermögensanmeldung mit rund 90.000 Reichsmark (RM) beziffert wurde, bis heute größtenteils unauffindbar.

Schindler-Ankäufe 1892

Dazu gehörte auch das Gemälde, das nun versteigert wird: Es entstand 1882 und steht repräsentativ für die von der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts und Studienreisen nach Holland beeinflusste Schaffensperiode Emil Jakob Schindlers. Laut dem 1970 von Heinrich Fuchs publizierten Schindler-Werkkatalog soll es sich bei dem hinter Bäumen erkennbaren Gehöft am Ufer eines Kanals "angeblich um das Geburtshaus" des niederländischen Landschaftsmalers Jakob Ruisdael handeln.

Anton Loew hatte das Gemälde im November 1892 anlässlich einer Ausstellung erworben, die das Künstlerhaus als "Gedächtnisfeier" für den im August des gleichen Jahres auf Sylt verstorbenen Künstler veranstaltete: Laut den Verkaufsbüchern bezahlte Loew 1500 Gulden, 75 davon behielt das Künstlerhaus als Provision, 1425 flossen an die Witwe Schindlers.

Anfang Dezember gelangte sodann der knapp 330 Lots umfassende bildnerische Nachlass Schindlers über H. O. Miethke im Künstlerhaus zur Versteigerung, bei der sich "Angehörige der Kunstwelt, Vertreter der Wissenschaft, Industrie und Haut Finance" sowie namhafte Sammler "lebhafte Licitationskämpfe" lieferten, wie die Presse damals berichtete. Einer davon war Anton Loew, der sich für 1200 Gulden das als Abendlandschaft bezeichnete, etwa 1888/90 entstandene und auf Holz gemalte Werk sicherte. Der Verbleib dieses Bildes ist unbekannt.

Langwieriges Verfahren um Waldmüller-Bilder

1835 schuf Ferdinand Georg Waldmüller Porträts der Familie Werner. Jene des Ehepaares Johann und Magdalena Werner (siehe Abb.) gehörten zur Sammlung Loew-Felsövanyi und gelangten in der NS-Zeit in den Bestand des Belvedere. 2019 wurden sie restituiert und gastieren jetzt als Dauerleihgabe in der Landesgalerie Niederösterreich.
Foto: Belvedere

Anders verhielt es sich bei den erwähnten Bildern von Waldmüller, genauer Porträts eines Ehepaars namens Werner, die Bruno Grimschitz als damaliger Direktor der Österreichischen Galerie (Belvedere) im Mai 1939 um 7400 RM erworben hatte: von einer gewissen Christine Mörke, als die sich Gerta Felsövanyis Vertrauensperson ausgegeben hatte. Grimschitz komplettierte damit eine Art Ensemble, da sich die Bildnisse der zwei Werner-Kinder bereits im Bestand befanden.

Gegen Erlag des Kaufpreises versuchte die Familie die beiden Bilder in einem Rückstellungsverfahren in der Nachkriegszeit zurückzubekommen. Vergeblich. Auch 2001 behandelte die nunmehr zuständige Kommission für Provenienzforschung den Wunsch der Nachfahren abschlägig. Erst 2019 wurde die Entscheidung revidiert und empfahl der Kunstrückgabebeirat die Restitution des 1835 datierten Gemäldepaars.

Die Rückgabe erfolgte im Oktober 2019. Zu einem Ankauf seitens des Belvederes kam es nicht. Dem Vernehmen nach sollen die monetären Vorstellungen deutlich divergiert haben. Stattdessen entschieden sich die Erben, die Bildnisse der Landesgalerie Niederösterreich als Dauerleihgabe zu überlassen.

Eine "schöne Geste", für die sich Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner in einem persönlichen Schreiben an die Familie bedankte, in dem sie auch ihr "Bedauern über die Umstände das damit verbundenen langwierigen Verfahrens" und die Hoffnung formulierte, im künftigen Umgang mit den Bildern, konkret die "besonderen Umstände der Provenienz" gebührend zu berücksichtigen und so "immaterielle Wiedergutmachung" zu leisten. Denn trotz der erfolgten Übereignung an die Familie "bleibt ein Schatten zurück", sagt Mikl-Leitner. Eine unerwartet treffende Formulierung, wie sich in einem anderen Zusammenhang herausstellen sollte.

Falschaussagen im Rückstellungsverfahren

Auf der Rückseite des Waldmüller-Poträts von Magdalena Werner hat sich ein Etikett aus dem Jahr 1934 erhalten. Es weist Gertrud von Felsövanyi als damalige Besitzerin aus und entlarvt eine relevante Aussage von Bruno Grimschitz im Rückstellungsverfahren 1952 als Falschaussage.
Foto: Kronsteiner

Bei dem mit einer der Erbinnen vereinbarten Übergabetermin war Belvedere-Direktorin Stella Rollig kurzfristig verhindert. Die aus den USA angereiste Urenkelin Anton Loews staunte nicht schlecht, als sie anschließend auf der Rückseite des Frauenbildnisses alte Ausstellungsetiketten mit dem Namen ihrer Großmutter "Gertrud von Felsövanyi" am Keilrahmen entdeckte.

Sie kleben dort seit 1934, als Frau Werner bei der XIX. Biennale in Venedig ein Gastspiel gab, und überführen einen der relevantesten Zeugen im Rückstellungsverfahren der Falschaussage: Bruno Grimschitz, der im April 1952 behauptete, dass er, zum "Zeitpunkt des Ankaufs", "keinen Verdacht" im Hinblick auf die Herkunft hätte haben können, da die Identifikation erst später erfolgt sei.

Die Rückstellungskommission sah damit den "Nachweis erbracht, dass der Erwerber weder wusste, noch wissen musste", dass die "beiden Waldmüller-Bilder aus ehemals jüdischem Besitz stammen" und es sich womöglich "um entzogenes Vermögen" hätte handeln können. Grimschitz’ Lüge hatte zur Abweisung des Rückgabebegehrens im Mai 1952 beigetragen, an dessen Rechtskraft sich der Beirat noch 2001 gebunden fühlte, wie dem damaligen Beschluss wortreich zu entnehmen war. (Olga Kronsteiner, 3.7.2021)