Zu den wichtigsten gesellschaftlichen Themen und Problemen äußern sich die Chief Executive Officers (CEOs) fast nie medial. Ein Versäumnis?
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Ist der Ruf erst mal ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert. Dieses Sprüchlein gilt nicht für die obersten Chefs von Unternehmen, schon gar nicht für Börsenkonzerne, die unter andauernder Beobachtung stehen – außer die Bosse räumen ihren Sessel. Dann könnte es stimmen. Solange sie ihre Funktion haben, hängt der Ruf ihrer Arbeitgeber zu 58 Prozent an ihrem Ruf in dieser Position, sagt die Untersuchung The State of Corporate Reputation 2020 von Weber Shandwick.

Die Medienbeobachter von Pressrelations haben sich nun online angesehen, wie bewusst CEOs der Börsenfirmen in Wien, Frankfurt und Zürich (ATX, Dax und SMI) diesen Ruf "steuern", also dem Druck nach gesellschaftlich verantwortlicher Positionierung ihrer Firmen nachgeben. Das Ergebnis: wenig bis gar nicht.

Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Migration, Diversität, Kampf gegen Armut und soziale Gräben, Gesundheit, New Work – mit all diesen Themen kommen CEOs in Medien kaum vor, und sie setzen ihre Haltung (oder besser jene ihrer Funktion in ihren Unternehmen) auch nicht aktiv als Themen in Social Media. Pressrelations hat dazu das sogenannte Peso-Modell (paid, earned, shared, owned) zur Untersuchung digitaler Medien angewandt, also sowohl sämtliche unternehmenseigene Kanäle, Social-Media-Accounts und öffentliche Medien gescreent.

Und das, obwohl 87 Prozent von 1700 Führungskräften sagen, dass eine gute CEO-Reputation Investoren anzieht (ebenfalls Weber Shandwick). Und das, obwohl mittlerweile eine ganze Reihe Regulatorien Börsenfirmen zwingt, ihre Nachhaltigkeitsstrategien und ihr nichtfinanzielles Gebaren (Diversität etwa) darzulegen – obwohl die SDGs (Sustainable Development Goals) mittlerweile für alle als Richtschnur ihrer Entwicklung zitiert werden und Investoren ohne ESG-Ratings (Environmenta Social Governance) kaum noch investieren dürfen.

Keine Worte überwiegen

Aber diese Anforderungen bestehen längst nicht nur extern, sondern ebenso intern – im Bereich der Personalarbeit geht es dabei um Employer-Branding (Attraktivität als Arbeitgeber). Das richtungsweisende Edelman Trust Barometer sagt Selbiges: Acht von zehn Befragten erwarten, dass sich Firmenlenker zu wichtigen gesellschaftlichen Themen äußern. Und laut einer Umfrage von EY unter 1000 Unternehmen sagen fast 85 Prozent klar, dass "Nachhaltigkeit Sache des Vorstands" sei.

Aber Stellungnahmen zu brennenden Themen sind nicht üblich. Was unter Beratern gerne "Thought Leadership" genannt wird, machen die Bosse also nicht. Die großen Themen der Erde, der Gesellschaft bleiben in den PR-Abteilungen. Sämtliches zur neuen Arbeitswelt bleibt überwiegend in den Personalabteilungen. Da wartet offenbar noch viel Geschäft auf Positionierungsberater. Und natürlich auf Organisationsentwickler, denn es scheint so, als wären die einzelnen strategischen Abteilungen noch immer eher im Silo organisiert, statt zusammen zu laufen.

Was machen die CEOs mit ihren Accounts in den sozialen Medien (vornehmlich auf LinkedIn)? Sie posten geschäftsbezogene News, fand Egon Zehnder gemeinsam mit Kearny im Corporate Influencer 2020 heraus. Aber dort kommt niemand auf sehr viele Follower. Der in Österreich führende Thomas Arnoldner (Telekom Austria) kommt auf rund 10.400 Follower, Bill Gates hat zum Vergleich mindestens rund 33 Mio. Wie manipulativ solches Posten allerdings auch sein kann, wird von Elon Musk auf Twitter anschaulich vorgeführt – er hat, wenn er das will, sofort Einfluss auf Börsen- und Kryptowährungskurse.

Kaum Präsenz

In Österreich sind allerdings nicht einmal die Hälfte der CEOs auf Twitter oder LinkedIn präsent, sagt Pressrelations. Der kürzlich ausgeschiedene OMV-Chef Rainer Seele führt das gesamte Ranking Österreichs in der Medienpräsenz – allerdings thematisiert mit Konflikten, Vorwürfen der NGOs und eher Stoff für Unangenehmes. Ebenso geht es der Nummer zwei, Stefan Doboczky von Lenzing – der Skandal um die Tochter Hygiene Austria ist sein Medienthema. Immofinanz-Chef Ronny Pecik ist Nummer drei der medienpräsenten Börsenbosse – allerdings infolge mutmaßlicher Insidergeschäfte. Überwiegend also reaktive Beiträge der "Gewinner" in Österreichs digitaler Medienlandschaft.

Wie sehr schalten sich heimische CEOs in wirtschaftliche Zukunftsthemen medial ein? Auch da prägt Fehlen das Bild. Ein paar Beispiele: Zu künstlicher Intelligenz sind es gerade einmal 1,6 Prozent. Bei Digitalisierung 1,8 Prozent – da geht viel auf das Konto von Arnoldner, der sich zum Geschäft der Telekom Austria äußert, und Digitalisierung muss da eben vorkommen. Wienerberger-Chef Heimo Scheuch fällt durch Beiträge zu Robotik auf, äußerte sich auch zu Diversity, Populismus und Gleichberechtigung. Erste-Bank-Chef Bernhard Spalt wiederum hat sich im Vergleich besonders oft zu Diversität und Inklusion geäußert. Corona war auffallend bei 90 Prozent der 72 Beiträge von Post-CEO Georg Pölzl Thema, 16 Prozent der 280 Beiträge von Rainer Seele hatten laut Pressrelations Corona-Bezug. (Karin Bauer, 2.7.2021)