Tom Schilling fragt sich, ob er er selbst ist – und wenn ja, wie viele.

Foto: Sky

Einmal mehr als Mann der Tat präsentiert sich Serienmacher Michael Hirst. Neben seiner Arbeit an der "Vikings"-Fortsetzung "Valhalla" und einem Projekt über Billy the Kid entwickelt der Schöpfer von "Vikings" und "The Tudors" eine weitere Serie über die Blockade von Leningrad vom 8. September 1941 bis zum 27. Jänner 1944. Nazitruppen kesselten die Stadt zweieinhalb Monate nach dem Einmarsch in die Sowjetunion auf dem Höhepunkt des Krieges ein und schlossen alle Menschen darin ein, ohne Nahrung, ohne Ressourcen und ohne Fluchtmöglichkeit. Fast eine Million Zivilisten starben – meist an Hunger. Wie die Bewohner der Stadt mit dieser Blockade lebten, zeigt die Serie "Leningrad". Wichtige Serie von einem, der erzählen kann. Freu mich drauf.

Ansonsten stehen im Serienmonat Juli die Zeichen auf Entspannung. Absolutes Pflichtprogramm hat Ihre Prie-View keines im Angebot, man kann sich also getrost sommerlichen Tätigkeiten widmen und muss sich trotzdem nicht fürchten, serielle Meilensteine zu versäumen. Was nicht bedeutet, dass es nichts zu schauen gibt – ganz im Gegenteil. Die Highlights des Monats:

The Dissident

Der Oscar-prämierte Regisseur Bryan Fogel rollt den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi, Vertuschungsversuche und die politischen Verwicklungen auf. Netflix soll der Film im Hinblick auf den begehrten Markt Saudi-Arabien zu heiß gewesen sein. Fogel trägt die Fakten zusammen, drückt für meine Begriffe allerdings zu sehr auf die Gemütstaste. Ein paar Sonnenuntergänge und bedrohliche Musikeinspielungen weniger würden diesem Dokumentarfilm guttun. Die Geschichte ist so schon schockierend genug. Ab 5.7., Sky

KinoCheck Indie

Gossip Girl

Klatsch und Tratsch zwischen stinkreichen Kids: Das war ein Serienhit von 2007 bis 2012, in dem sich unglaublich gut aussehende Teenager ihren Freizeitbeschäftigungen, Party, Sex und Drogen hingaben. HBO Max findet, es braucht davon jetzt mehr – und setzt das Tritschtratschmädchen ins Jahr 2021, wo sie per anonymem Instagram-Account ihre Studienkolleg:innen ausspioniert. Pfui, so was tut man aber nicht! Ab wann und wo die Serie für uns abrufbar ist, ist meines Wissens nach offiziell noch nicht bekannt. Falls jemand nähere Infos hat – bitte sehr gerne her damit! Ab 8.7. HBO Max

HBO Max

Sex/Life Talk

Billie hat alles, was sie schon immer wollte: zwei süße Kinder und einen perfekten Ehemann. Nun ja, für Billie eine Spur zu perfekt. Weshalb sich die junge Mutter schrecklich langweilt. Dann kommt ein Verflossener zurück, und Billies Leben wird wieder aufregend. Netflix sorgt mit dieser Serie für Gesprächsstoff – vor allem wegen der vielen, wirklich sehr vielen Sexszenen, die die Serie mit Sarah Shahi in allen Ausführungen und Szenenlängen zu bieten hat. Um den Erregungslevel auch in sozialen Medien hoch zu halten, schickt Netflix jetzt auf Youtube "Talkshow-Format" nach: Natascha Ochsenknecht tauscht sich mit Gästen wie Lilly Becker und Marina Hoermanseder über Langeweile in der Mutterschaft aus. Dergleichen kann ich allerdings nur sehr furchtlosen Naturen empfehlen. 9.7., Youtube

Netflix

The White Lotus

"The White Lotus" ist ein Hotel auf Hawaii, das sich auf amerikanisches High-End-Publikum spezialisiert. Das würde auch ganz bestimmt gut gelingen, es gibt leider nur ein Problem: die Gäste. Die Mike-White-Comedy kommt passend zur Urlaubszeit und zeigt, dass die mit dem Traumurlaub beschäftigten Menschen einige Abgründe aufzuweisen haben. Aber das wusste man ohnehin schon irgendwie. Ab 11.7., Sky

HBO

The Equalizer

In den 1980er-Jahren war "The Equalizer" eine Serie, 2014 ein US-Film von Antoine Fuqua mit einer Fortsetzung vier Jahre später. Zu sehen war Denzel Washington als Ritter ohne Furcht und Tadel im Kampf gegen Russenmafia und brutale Zuhälter. CBS dreht jetzt den Spieß um und erzählt den Actionthriller mit einer weiblichen Hauptfigur und Lust auf Tschaka Tschaka. Ihre göttliche Majestät Queen Latifah macht sich ausgezeichnet als flotte Pistolera im entschlossenen Einsatz für das Gute. Schnörkellose Action. Ab 12.7., Sky

TV Promos

Naomi Osaka

Zwei Jahre lang hat Garrett Bradley die japanische Spitzentennisspielerin begleitet, die sich heuer von den French Open in Paris aus gesundheitlichen Gründen zurückzog und öffentlich bekanntgab, an Depressionen zu leiden. Ab 13.7. Netflix

Paris Police 1900

Der junge Inspektor Antoine Jouins muss im Paris der Jahrhundertwende einen bizarren Mord aufklären. Zudem brodelt es unter dem Eindruck der Dreyfus-Affäre in der Stadt an der Seine sowie in der gesamten Republik. Ein historischer Mordfall, der wohliges Gruseln verspricht. Ihre Prie-View hofft auf nicht allzu ausgetrampelte Erzählpfade. Der Trailer lässt leider eher Gegenteiliges vermuten. Ab 14.7., Sky

cophinebw

Schmigadoon!

Wer nach Schmigadoon kommt, auf den wartet die wahre Liebe. Ob er oder sie will oder nicht. Für Melissa und Josh stellt sich genau das als harte Prüfung heraus. Denn dieses Mary-Poppins-Kitsch-Lalaland versteht nur Musical. Ein Leben wie eine Operette? Ein Albtraum. Lustiger Trailer, Pardon, als entschiedenen Nicht-Musical-Fan strengt mich schon der Trailer an. Ab 16.7., Apple TV+

Apple TV

How to Sell Drugs Online (Fast)

Die zweifellos erfrischendste Variation des "Breaking Bad"-Stoffs. Wie Moritz und seine Nerdfreunde einen Online-Drogenversand aufziehen und sich dabei immer tiefer in die Rue de Gack manövrieren, war schon zwei Staffeln lang ein Genuss mit netten Gastauftritten von Bjarne Mädel und Michael Ostrowski. Das Beste an der Story ist noch immer, dass sie auf einer wahren Begebenheit beruht, nämlich auf der Geschichte des damals 18-jährigen Maximilian S., der Ende 2013 bis 2015 von seinem Kinderzimmer in Leipzig aus Drogen online verschickte. Ab 27.7., Netflix

Netflix

Ich und die Anderen

Das Beste kommt zum Schluss (fast). David Schalko hat es wieder getan. In der sechsteiligen Serie "Ich und die Anderen" schmeißt er seinen Hauptprotagonisten Tom Schilling in eine sterile Welt der Verwirrung. Tristan, also Schilling, darf sich etwas wünschen, doch nicht ewige Jugend, Reichtum oder Schönheit stehen auf der Wunschliste des jungen Mannes, sondern Antworten auf "Was wäre, wenn"-Fragen. Und die, so lernen wir in sechs Kapiteln/Folgen, können einen ganz schön wucki machen. "Ich und die Anderen", ein philosophischer Versuch zur Selbstergründung, ein Ratespiel der Identitäten und nicht zuletzt ein bewusstes Gegenstück zu allzu leicht bekömmlichem Streamingmainstream. Fordernd, faszinierend. Ich sage nur: Herr Brandt, Ihre Show! Ab 29.7., Sky

Filmtoast

Genügend Stoff also, um gut durch den Monat zu kommen. Prie-View wünscht eine feine Serienzeit und frohes Schauen! (Doris Priesching, 3.7.2021)