Großkonzerne sollen durch die Reform stärker zur Kasse gebeten werden.

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130 Länder haben sich am Donnerstag auf eine umfassende globale Steuerreform geeinigt: Diese enthält eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent für die umsatzstarke Konzerne. Außerdem sollen große Schwellenländer mehr Steuern von den größten und profitabelsten Unternehmen der Welt abbekommen. Zur Kasse gebeten werden Firmen ab einem Jahresumsatz von 750 Millionen Euro. Experten zufolge betrifft das weltweit 7.000 bis 8.000 Konzerne.

Befürworter sprechen von einem historischen Durchbruch im Kampf gegen Steuervermeidung. Weltkonzerne wie Amazon, Facebook und Apple – allesamt Gewinner der Corona-Krise – sollen so künftig mehr Steuern zahlen müssen. Allerdings sind bei den Verhandlungen unter dem Dach der Industriestaaten-Organisation OECD nicht alle Länder mitgezogen, was Unternehmen weiterhin Möglichkeiten geben dürfte, Gewinne in Niedrigsteuerländer zu verschieben. Außerdem gibt es Ausnahmen für bestimmte Branchen. Ob die Reform wirkt, dürfte sich also erst in den nächsten Jahren zeigen.

Berlin erwartet in EU schnelle Umsetzung

Die deutsche Regierung hat die Einigung jedenfalls bereits jetzt als "historischen Beitrag" zu mehr Steuerfairness gewertet. Ein Sprecher des Finanzministeriums ergänzte, er sei zuversichtlich, dass die Pläne innerhalb der EU schnell umgesetzt werden könnten, obwohl bei Steuerthemen Einstimmigkeit erforderlich sei. Außerdem könne davon ausgegangen werden, dass sich weitere Länder der Vereinbarung anschlössen.

Positiv für Österreich

Claus Staringer, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien und Experte für Unternehmensbesteuerung, kommentierte die Einigung im Ö1-"Mittagsjournal" damit, dass Österreich jedenfalls zu den Profiteuren dieser Steuerreform gehören würde. Und zwar deshalb, weil die Mindeststeuer nur die allergrößten Unternehmen weltweit betreffen soll – dazu gehören laut Staringer vermutlich keine österreichischen Konzerne. Einnahmen würde Österreich allerdings durch die Mindeststeuer jedenfalls generieren.

Auch Dominik Bernhofer, Abteilungsleiter für Steuerrecht bei der Arbeiterkammer Wien, zeigte sich erfreut. Die Arbeiterkammer bewerte vor allem den "Paradigmenwechsel" hin zu einer stärker geregelten Globalisierung positiv, sagt er im Ö1-Interview. Es gebe zwar auch Bremser wie Irland und die Schweiz, aber Bernhofer spricht ihren Versuchen, die Steuerreform zu torpedieren, wenig Erfolgschancen zu. Irland hat mit einem niedrigen Mindeststeuersatz die europäischen Niederlassungen von US-Techkonzernen wie Facebook, Google und Apple angelockt und fürchtet um seinen Wirtschaftsstandort. Wie auch Staringer hält Bernhofer zusätzliche Einnahmen für Österreich dank der neuen Regelung für wahrscheinlich. Die Schätzung des Finanzministeriums über 600 bis 700 Millionen Euro an zusätzlichem Steuergeld hält Bernhofer für realistisch.

Kritiker halten Schwelle für zu gering

Doch es gibt auch viele Kritiker, die den Mindeststeuersatz von 15 Prozent als nicht ausreichend betrachten, etwa SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer. In einer Aussendung bezeichnet er die Einigung als wichtigen Schritt in Richtung der Beendigung eines "zerstörerischen Steuerwettstreits", allerdings sei der Mindeststeuersatz zu gering angesetzt worden: "Unternehmen müssen mehr zum Erhalt der Sozialstaaten beitragen." Die prominenten Ökonomen Gabriel Zucman und Thomas Piketty verweisen etwa darauf, dass Unternehmenssteuern (konkret die Köperschaftssteuer) weltweit durchschnittlich von rund 50 Prozent im Jahr 1985 auf heute 22 Prozent gesunken seien.

Auch NGOs wie Oxfam International und das globalisierungskritische Netzwerk Attac kritisieren, dass die Schwelle von 15 Prozent zu niedrig sei und die Gefahr berge, dass das globale Steuerdumping fortgesetzt wird. Attac fordert zudem, dass die zusätzlichen Einnahmen der Mindeststeuer an jene Länder gehen, in denen die Gewinne tatsächlich erwirtschaftet werden, und nicht an Konzernsitzländer. (fmo, Reuters, 2.7.2021)