"Come on, come on, come on, come on now touch me, baby"! Jim Morrison, Sexgott, Rockstar.

Foto: Imago

Bald bedurfte es einer Eskorte, um ihn sicher auf die Bühne zu geleiten. Drei, vier schrankbreite Typen schoben Jim Morrison wie einen Boxer zum Ring. Das sollte gewährleisten, dass ihm Fans nicht schon auf dem Weg die Kleider vom Leib rissen. Er war eine Identifikationsfigur der Gegenkultur: "Break on through to the other side", lautete eine seiner Botschaften, "Come on, baby, light my fire" eine andere. Die Weltjugend empfing sie ungeschützt und gebar bald ähnliche Ideen, das FBI ermittelte.

Während heute aalglatte Kindsmänner als Messias tituliert werden, war Jim Morrison das krasse Gegenteil. Ein Typ wie er, der Sänger der US-Band The Doors, galt als Anschlag auf die guten Sitten: Bringt Frauen und Kinder in Sicherheit! Wobei die Töchter sich nicht selten nach dieser Lichtgestalt aus der Finsternis verzehrten.

Die Sünde auf zwei Beinen

Er war die Sünde auf zwei Beinen, und diese steckten in schwarzen Lederhosen, die den Schritt betonten, wie ein Push-up drüben in der Damenwelt die Oberweiten. Er trug die Lockenpracht eines griechischen Gottes, sein Antlitz wirkte trotzig, Fragen begegnete er mit Gegenfragen oder ignorierte sie mit arrogant ausgestelltem Desinteresse. Jim Morrison war Ende der 1960er einer der Befreiungsphilosophen. Ein Dark Star, der auftauchte, kurz strahlte und wieder erlosch.

TheDoorsVEVO

Vor 50 Jahren starb Jim Morrison in Paris im Alter von 27 Jahren. Damit war er nach Jimi Hendrix und Janis Joplin der dritte Superstar der Flower-Power-Generation, der innerhalb eines Jahres in die Ewigkeit eingegangen war.

Pilgerstätte Père Lachaise

Die Todesursache wurde aufgrund einer nicht vollzogenen Autopsie nie festgestellt, das arbeitet bis heute dem Mythos zu. Wahrscheinlich hat eine Überdosis Heroin sein Leben beendet. Morrison wurde auf dem französischen Friedhof Père Lachaise begraben, der so zu einer der berühmtesten Pilgerstätten des Popuniversums wurde.

Jim Morrison und The Doors.
Foto: Imago

Morrison gilt als der prototypische Rockstar. Seine Unberechenbarkeit, seine offen ausgestellten (selbst)zerstörerischen Tendenzen fielen in den 1960ern auf fruchtbaren Boden. Es war die Ablehnung des Establishments, aus dem der am 8. Dezember 1943 geborene Musiker als Sohn eines hohen Militärs selbst stammte. Die Bürgerrechtsbewegung empfand er als gerechtes Anliegen, den Blues überführte er mit den Doors in den leichter konsumierbaren Bluesrock mit psychedelischer Breitseite.

Rimbaud und die Beat-Literaten

Mit bedrohlichem Bariton sang er Lieder wie Touch Me, L. A. Woman, Riders on the Storm, den Roadhouse Blues, das läufige Love Me Two Times oder The End, dessen traumatische Schwere Regisseur Francis Ford Coppola für die Eröffnungssequenz seines Vietnamkriegsfilms Apocalypse Now (1979) einsetzte – als Untermalung eines Napalm-Bombardements in Zeitlupe.

Das Intro von Francis Ford Coppolas "Apocalypse Now" (1979).
VirtualVisitor999

Gegründet 1965, veröffentlichten die Doors sechs Alben in fünf Jahren. Sie zählen zum Kanon der Rockmusik. Morrisons Texte waren durchwirkt von der Beat-Literatur und den Werken französischer Dichter wie Arthur Rimbaud oder Charles Baudelaire, alles gewürzt mit einem Kindheitserlebnis: Als Jim noch ein kleiner James Douglas Morrison war, kam er mit seiner Familie an einem Autounfall vorbei, bei dem einige amerikanische Ureinwohner gestorben sein sollen.

Ein Geist, LSD & Whisky

Morrison behauptete später, der Geist eines Toten hätte sich seiner bemächtigt. Fantasien, die, als er in Los Angeles von Dosenfutter und LSD lebte, in seine Texte wucherten. Der Rest kam aus der Whisky-Flasche; Morrison war schon als Teenager ein schwerer Trinker.

JimJohnRayRobby

Als die Doors 1967 debütierten, ging sein Stern mit ihnen auf – und umgekehrt. Morrison wurde zum Sexsymbol, die Auftritte der Band endeten oft in Tumulten und mit Skandalen. Das Sexsymboldasein genoss er reichlich, andererseits wurde ihm diese Oberflächlichkeit bald zu blöd. Doch das Image klebt bis heute an ihm, selbst sein am Ende aufgeschwommenes teigiges Gesicht tat dem keinen Abbruch.

Von Iggy bis Elvis

Protopunk Iggy Pop zählt ein Doors-Konzert zu seinen Erweckungserlebnissen, und als Elvis 1968 sein "Comeback Special" bestritt, steckte er von oben bis unten in schwarzem Leder – nicht wenige machten Morrison dafür als Vorbild aus.

Nach einem skandalträchtigen Auftritt 1970 in Miami erging gegen ihn ein Haftbefehl aufgrund mehrerer Vergehen aus dem Terrain der moralischen Verwerflichkeit: Morrison wurde zu rund acht Monaten Zwangsarbeit verurteilt. Das Urteil quittierte er mit "Ich glaube, es war mehr ein bestimmter Lebensstil angeklagt als ein bestimmter Vorfall". Er berief – und lief.

Flying Dutchman

Viele Bundesstaaten hatten nach Miami die Konzerte der Doors untersagt, die Band litt unter Morrisons Eskapaden. Der nahm sich eine Auszeit und ging im Frühling 1971 nach Paris. Dort konnte er weitgehend unerkannt leben – allerdings nur bis zum 3. Juli 1971. An dem Tag fand ihn seine Freundin Pamela Courson leblos in der Badewanne. Drei Jahre später starb auch sie an einer Überdosis.

Das Erbe im Grunge

Morrisons Ende war der Beginn des Mythos. Wann immer ein Rocker mit tiefer Stimme bedeutungsschwangere Texte singt, schwebt der Geist Jim Morrisons über ihm. Regisseur Oliver Stone setzte den Doors 1991 ein umstrittenes filmisches Denkmal, in vielen Protagonisten der damaligen Grunge-Ära wie Eddie Vedder von Pearl Jam oder dem ebenfalls überdosiert verschiedenen Sänger Layne Staley von Alice in Chains zeigte sich sein Erbe.

Ein Nick Cave muss den Vergleich mit ihm ebenso erdulden wie der ihn hassende Mark Lanegan. Für die meisten gilt: So unsterblich wie Jim Morrison müssen sie erst werden. (Karl Fluch, 3.7.2021)