Anwulika Alphonsus in Sudabeh Mortezais zweitem Spielfilm: "Joy", 23.10 Uhr, ORF 2.

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Sich über die nachtschlafenen Zeiten zu wundern, zu denen der ORF österreichische Qualitätsproduktionen anbietet, ist müßig. Tatsächlich aber ist kaum ein unattraktiverer Sendeplatz denkbar als Sonntag um 23.10 Uhr, wenn Werktätigen schon der Montagmorgenwecker in den Ohren hängt.

Im Fall der ORF-Premiere des bei mehreren Festivals ausgezeichneten Streifens Joy der österreichischen Filmemacherin Sudabeh Mortezai ist dieses Timing ein besonderes Problem. Bietet er doch in semidokumentarisch inszenierten, ruhigen Bildern, die zum Teil Schreckliches zeigen, Einblick in die Abgründe des Frauenhandels für den Straßenstrich aus Westafrika nach Europa – und somit auch in ein Stück österreichischer Realität, die im Mainstream des sogenannten Ausländerdiskurses aber großteils ignoriert wird.

Krasse Ausbeutung

Die Handlung startet in der Hütte eines Juju-Priesters in Nigeria, der die junge Joy mit einem Voodoo-Zauber belegt. Menschenhändler bringen sie nach Wien, wo sie als Prostituierte ihre "Schulden" – die Kosten für die illegale Einreise samt Zinsen – abarbeiten muss. Wie sehr sie dabei ausgenutzt wird, durchschaut sie. Doch der Glaube an die Macht des bösen Zaubers, kombiniert mit sozialer Kontrolle in der Community, einer geldfordernden Familie daheim sowie NGO-Aussteigerprojekten ohne echte Perspektive, lässt sie in der krassen Ausbeutungssituation verharren.

Auf die Idee für diesen Streifen brachte Mortezai das ebenfalls höchst empfehlenswerte Buch Ware Frau von Mary Kreutzer und Corinna Milborn. Zu einer besseren Sendezeit gebracht, könnte ein solcher Film durchaus breitere Diskussionen auslösen. (Irene Brickner, 3.7.2021)