Programmatisch eingesetzt: Scarlett Johansson und Florence Pugh.

Foto: Marvel Studios

Im Kalten Krieg gab es vieles doppelt. Der Westen hatte den Kapitalismus, der Osten den Kommunismus. Dort flog man mit Wostok ins All, da mit Apollo. Selbst das Universum der Marvel-Comics kommt um solche Parallelaktionen nicht herum: Wenn es einen Captain America gibt, dann braucht es auch einen Gegenspieler auf der anderen Seite, der heißt dann Red Guardian.

Der "Rote Wächter" führte lange Zeit ein eher irrlichterndes Leben, aber das gilt ja für viele Figuren, die nun schon seit einer Weile in penibler Puzzlearbeit in das Marvel Cinematic Universe eingepasst werden. In seiner zweiten "Version" führte der Red Guardian den "bürgerlichen" Namen Alexei Shostakov, er war verheiratet mit einer Natasha Romanova, und damit ist die Verbindung hergestellt zu dem neuesten Film aus dem Marvel-Universum: Denn die Figur Black Widow ist ja auch geläufig als Natasha Romanoff, sie wird von Scarlett Johansson gespielt, tauchte erstmals in Iron Man 2 auf, erwies sich schnell als unerwartet populär und hat nun ihren ersten Soloauftritt.

Spur in den Kalten Krieg

Man muss das alles ein wenig ausführlicher herleiten, weil es in Black Widow vor allem um Herleitung geht. Wie es sich bei einem expandierenden Universum gehört, führt die Spur immer zurück, nicht bis zum Urknall, aber zum Beispiel häufig in den Kalten Krieg.

Black Widow eröffnet mit einer Fluchtszene in Ohio im Jahr 1985. Eine russischstämmige Familie (Vater, Mutter, zwei Töchter) muss Hals über Kopf das Land verlassen. Die denkwürdige Figur ist schon hier erst einmal der Papa, der dann im Verlauf der weiteren Geschichte als Alexei Shostakov in einem russischen Gefängnis wiederauftaucht.

Gespielt wird Alexei von David Harbour, den Fans vor allem aus der Netflix-Serie Stranger Things kennen dürften. Sie könnten aber ein wenig schockiert sein, denn sie bekommen es hier mit einer grotesken Figur zu tun, mit einem Fleischberg, der sich mühsam in seine Uniform als Red Guardian zwängt, mit einem vierschrötigen Gesellen, der einen Captain-America-Komplex hat, sich hinter Gittern aber zu behaupten weiß. David Harbour ist leider die einzige halbwegs originelle Figur in einer Geschichte, die nach den Ereignissen von Captain America: Civil War ansetzt und wohl erklären soll, warum Natasha Romanoff diesen melancholischen Blick nie so richtig loswird, der aber sowieso ein Markenzeichen von Scarlett Johansson ist. Cate Shortland macht aus Black Widow eine große Frauensache mit tragenden weiteren Rollen für Rachel Weisz und Florence Pugh.

Notdürftige Geschichte, viele Frauen

Das sind alles hochkarätige Schauspielerinnen, bei denen man aber oft das Gefühl bekommt, dass sie in erster Linie programmatisch eingesetzt werden: Das Genre muss weiblicher werden, das bedeutet nun zuerst einmal eine weitere Verdopplung, denn Natashas jüngere Schwester Yelena ist im Wesentlichen eine funktionale Kopie, ohne die melancholische Last, dafür mit einem hübschen weißen Kampfanzug. Black Widow wurde im Vorjahr von der Pandemie frontal getroffen. Das Studio hat lange gewartet und auf eine Streaming-Premiere verzichtet. Zu groß sind die Hoffnungen auf das Star-Vehikel mit Scarlett Johansson.

Die Regisseurin Cate Shortland kann der eher notdürftigen Geschichte aber nur gelegentlich interessante Aspekte abgewinnen. Immerhin wird im Finale, in dem schwarze Witwen quasi in Serie gehen, das Hauptziel erreicht: Nachdem die Superheldin gleichen Namens ja in Avengers: Endgame starb, gibt es nun reichlich potenzielle Doppelgängerinnen, mit denen man weitermachen kann. (Bert Rebhandl, 4.7.2021)