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Immer mehr Menschen in Afrika erkranken an Covid-19.

Foto: REUTERS/ Sumaya Hisham

Johannesburg – Die Nerven liegen blank. Über Afrika schwappt derzeit eine dritte Covid-Welle, die alle vorhergehenden in den Schatten stellt: Gegenwärtig nimmt die Zahl der Infizierten auf dem Kontinent Woche für Woche um 25 Prozent zu und ist inzwischen bei wöchentlich mehr als 200.000 Neuansteckungen angelangt. Der rasante Anstieg sei vor allem auf die Verbreitung der Delta-Variante zurückzuführen, sagte die Afrika-Direktorin der Weltgesundheitsorganisation, Matshidiso Moeti, am Donnerstag: "Ausmaß und Geschwindigkeit dieser dritten Welle übertreffen alles, was wir bisher erlebt haben."

Die Misere wird von dem Umstand verschlimmert, dass der Kontinent bei Impfungen nach wie vor hinterherhinkt: Weniger als zwei Prozent der Afrikaner haben bisher einen Stich in den Oberarm bekommen, in den Industrienationen sind es über 50 Prozent. Für die sogenannte "Impf-Apartheid" wird das Horten der Vakzine durch reichere Staaten verantwortlich gemacht: Während EU- und nordamerikanische Staaten ihre Bevölkerung mit ihren Vorräten bis zu sieben Mal schützen können, warten Staaten wie das derzeit besonders hart getroffene Namibia auf die Lieferung kleinster Mengen an bereits bezahlten Seren. "Nicht eine einzige Dose Impfstoff hat bislang eine europäische Fabrik verlassen, um nach Afrika verschifft zu werden", erbost sich der simbabwische Geschäftsmann und Beauftragte der Afrikanischen Union für die Vakzinbeschaffung, Strive Masiyiwa: "Sie haben so viele ihrer eigenen Leute geimpft, dass sie inzwischen Fußballspiele ohne Maske verfolgen können. Während unsere Leute warten müssen."

Indisches Vakzin nicht anerkannt

Zu den Klagen aus der südlichen Welthalbkugel kam diese Woche noch eine neue hinzu. Bei der Vorstellung des grünen Passes der EU stellte sich heraus, dass lediglich mit den Produkten von Pfizer/Biontech, Astra Zeneca, Moderna und Johnson & Johnson geimpfte Personen künftig mit einer Einreisegenehmigung in EU-Staaten rechnen können. Dagegen soll das vom indischen Seruminstitut hergestellte Generikum von Astra Zeneca nicht anerkannt werden. Die Meldung löste bei der Afrikanischen Union und den Afrikanischen Zentren für Infektionskontrolle (Africa CDC) heftige Kritik aus. Die Entscheidung sei nicht von wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern von Vorurteilen geprägt, sagte Afrikas CDC-Chef John Nkengasong. Schließlich sei das unter Lizenz hergestellte Covishield mit Astra Zeneca identisch.

"Hässlicher Rassismus"

Der Unmut der Afrikaner wird noch dadurch aufgeheizt, dass Covishield das Hauptkontingent der von Covax verteilten Impfstoffe ausmacht. Der Covax-Fonds ist eine Initiative der WHO, die sicherstellen sollte, dass sich auch Entwicklungsstaaten Impfstoffe leisten können – auf sie hatten Regierungen von Industriestaaten in ihrer Replik auf die Kritik an der Impf-Apartheid stets verwiesen. Covishield nicht anzuerkennen sei "hässlicher Rassismus", schimpft der indische Kommentator Barkha Dutt auf Twitter: Indische Firmen sollten aufhören, für Länder zu produzieren, die ein derartiges "weißes Überheblichkeitsdenken" an den Tag legten.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), auf deren Empfehlung die Kriterien für den grünen Pass beruhen, rechtfertigte ihre Nichtanerkennung Covishields damit, dass das indische Seruminstitut niemals eine Genehmigung durch die EMA beantragt habe. Und bei der EU wird darauf verwiesen, dass die Mitgliedsstaaten bei den Bestimmungen des grünen Passes weitgehend freie Hand hätten. Mehrere Regierungen – darunter die deutsche und die österreichische – gaben bereits bekannt, Covishield als Voraussetzung für Einreisebewilligungen zu akzeptieren. (Johannes Dieterich, 3.7.2021)