Wie geht es der aktuellen Justizministerin Alma Zadić?

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Wie mächtig sind Ministerinnen und Minister? Nicht nur einmal wurde diese Frage rund um den Ibiza-U-Ausschuss aufgeworfen. Auf dem Papier stehen sie ihrem Ressort vor und dürfen Weisungen erteilen, auch nach außen repräsentieren sie ihr Ministerium. Doch wenn es um die Umsetzung ihrer Wünsche geht, sind die Chefs auf ihr Umfeld und ihre Beamtenschaft angewiesen – die oft politisch nicht dieselbe Farbe hat wie sie oder andere Ziele verfolgt.

Man nehme Hartwig Löger: Der einstige Uniqa-Manager kam im Dezember 2017 ohne parteipolitische Erfahrung ins Finanzministerium. Dort wartete Thomas Schmid, der schon Anfang der 2000er-Jahre Pressesprecher von Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ, dann von ÖVP nominiert) gewesen war.

Als Löger das Ministerium in der Himmelpfortgasse betrat, war Schmid bereits Generalsekretär und Kabinettschef. Auf den Quereinsteiger am Ministerposten wartete bereits ein ausgesuchtes Kabinett. Darin saßen Vertraute Schmids, eine von ihnen begleitete Löger auf Reisen. Das freute den Generalsekretär, wie er ihr auf Whatsapp schrieb: "Er braucht das eh, man kann ihn ja nicht allein lassen ohne Kontrolle. Sonst glaubt er, er kann Sachen selbst entscheiden."

Als fix war, dass Schmid im April 2019 in die Staatsholding Öbag wechseln wird, schaltete sich das Kanzleramt in die Suche nach einem neuen Kabinettschef für Löger ein. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft verdächtigt Bernhard Bonelli, mittlerweile Kabinettschef von Kanzler Kurz, den U-Ausschuss diesbezüglich nicht vollinhaltlich informiert zu haben, und ermittelt wegen Verdachts auf Falschaussage – es gilt die Unschuldsvermutung.

Widerstand der ÖVP-nahen Beamtenschaft

Ähnliches dürfte für andere türkis-blaue Ressortchefs gegolten haben. Die Spannungen zwischen Außenministerin Karin Kneissl und ihrer Diplomatenschaft sind legendär; auch der heutige FPÖ-Chef Herbert Kickl sah sich als Innenminister mit viel Widerstand der ÖVP-nahen Beamtenschaft konfrontiert.

Aber es geht auch andersrum: Im Streit um die Frage vollständiger Lieferungen an den U-Ausschuss verwies Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) stets darauf, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Dokumente selbst ausgewählt und Vollständigkeitserklärungen abgegeben haben.

Nun erfolgten erste Sicherstellungen im Ministerium, weil der Bundespräsident ein höchstrichterliches Urteil in der Sache exekutieren lässt – die Opposition vermutet, Blümel habe nicht alles Erforderliche übermittelt. Im U-Ausschuss wälzte er die Verantwortung auf Beamte und Kabinettsmitglieder ab.

Der mächtige Sektionschef

Als Wespennest entpuppte sich spätestens ab dem Jahr 2018 auch das Justizministerium. Damals startete die WKStA weitreichende Ermittlungen gegen Verfassungsschützer, die zu einer stümperhaften Hausdurchsuchung beim BVT führten. Während Innenminister Kickl die Ermittlungen begrüßte; war die Lage innerhalb der Justiz angespannt. Vor allem der damalige Sektionschef und Generalsekretär Christian Pilnacek gab sich als energischer Kritiker der Ermittlungen.

Die Beziehung zwischen Pilnacek und der WKStA war schon länger nicht mehr friktionsfrei, das setzte sich später rund um die Eurofighter-Ermittlungen fort. Der damals mächtige Sektionschef war nicht allein: Auch die direkte Fachaufsicht der WKStA, die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien und ihr Leiter Johann Fuchs sparten nicht mit Kritik an der Arbeit der Korruptionsermittler.

Auch das spielt direkt in den Ibiza-U-Ausschuss hinein. Dessen Aufgabe ist es auch, Einflussnahmen auf die Ibiza-Ermittlungen zu prüfen. Dafür fehlten dem Ausschuss aber wichtige Dokumente. Diese mussten erst von einem ehemaligen Kabinettsmitarbeiter des einstigen Justizministers Josef Moser nachgeliefert werden. Es handelt sich um E-Mails, die kurz nach dem Erscheinen des Ibiza-Videos ausgetauscht worden waren. Darin schrieb Pilnacek, Minister Moser wolle der WKStA "keine aktive Rolle" zukommen lassen. Wollte man die Korruptionsermittler schneiden?

"Fuchsteufelswild"

Diese hatten in ihren Ermittlungen bereits einen merkwürdigen FPÖ-nahen Verein entdeckt, über den man womöglich – wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Ibiza erklärte – "am Rechnungshof vorbei" der Partei spenden könne. Damit hätte sie einen Startpunkt für Ibiza-Ermittlungen gehabt.

Darauf angesprochen, meinten Moser und Fuchs im U-Ausschuss, "keine aktive Rolle" habe sich nur auf die Medienarbeit zu den Ibiza-Ermittlungen bezogen. Doch neue Chats zwischen Pilnacek und Fuchs legen anderes nahe. "Ich habe nur gesagt, die Prüfung obliegt Euch, um zu verhindern, dass die WKStA von sich aus tätig wird, was ja gedroht hat", schrieb Pilnacek an Fuchs.

Und: Moser sei "fuchsteufelswild", dass Pilnacek medial angab, die Oberstaatsanwaltschaft werde das Video prüfen. "Wie kann ich Dich unterstützen?", fragte Fuchs zurück. "Eben dadurch, dass ich verhindern wollte, dass WKStA von sich aus tätig wird. Gute Nacht", antwortete Pilnacek.

Kontrolle im eigenen Ressort

Und wie geht es der aktuellen Justizministerin Alma Zadić? Für die "Kontrolle" des eigenen Ressorts war die Entmachtung Pilnaceks ein entscheidendes Puzzlestück. Er sollte ab Sommer 2020 nur mehr die Legistik betreuen, die Aufsicht über Ermittlungen also abgeben. Kurz schien es, als hätten sich Pilnacek und Zadić arrangiert; in Verhandlungen zum Terrorpaket soll er die Wünsche der Justizministerin mit Verve vertreten haben.

Doch im Hintergrund machte Pilnacek gegen die Ministerin Stimmung, wie Chats zeigen. Als es im Frühjahr 2021 zu strafrechtlichen Ermittlungen wegen des Verdachts auf eine vorab verratene Hausdurchsuchung kam, zögerte Zadić nicht, Pilnacek zu suspendieren – es gilt die Unschuldsvermutung.

Doch vor der Disziplinarbehörde hielt die vorläufige Suspendierung nicht: Ihr Senat wird aus anderen Mitgliedern des Justizministeriums zusammengesetzt, also von langjährigen Kollegen Pilnaceks. In zweiter Instanz entschied der Verwaltungsgerichtshof zugunsten des Ministeriums, Pilnacek bleibt suspendiert.

Störfeuer auch unter Zadić

Das "Störfeuer", das WKStA-Oberstaatsanwälte im U-Ausschuss bei ihren Ermittlungen kritisierten, blieb auch unter Zadić: Staatsanwältin Christina Jilek verließ nach disziplinären Rügen, die später zurückgenommen wurden, die WKStA und wurde Richterin, mittlerweile hat sie das Antikorruptionsvolksbegehren mitinitiiert. OStA-Wien-Leiter Fuchs wurde zwar von der Aufsicht über die WKStA abgezogen, dort prüfte man im Zuge der Ermittlungen gegen Kanzler Kurz die WKStA aber trotzdem.

Ihren Spielraum für Veränderung nutzten Zadić und Vizekanzler Werner Kogler, der die Ministerin während deren Babypause vertrat, aus: So fiel die Vorab-Berichtpflicht für gewisse Maßnahmen der WKStA, diese muss Vorgesetzte nicht mehr vorab über geplante Hausdurchsuchungen informieren. Auch die allgemeine Berichtspflicht wurde gelockert.

Viel liegt nun an den anderen Sektionschefs, Gruppenleitern und Staatsanwälten. Hört man sich dort um, ist die Stimmung gespalten. Pilnacek war bei vielen beliebt; während man zu viel Reformwillen bei der Ministerin skeptisch beäugt. Einfach bleibt der Umbau des Ministeriums also nicht. (Fabian Schmid, 2.7.2021)