Zuerst Frost, dann Trockenheit und zuletzt auch noch Hagel: Binnen Minuten wurde aber Arbeit und damit das Einkommen vieler Landwirte vernichtet. Die Serie an ungewöhnlich starken Unwettern seit vergangener Woche, darunter auch der stärkste Hagel seit 37 Jahren, hat in der Landwirtschaft zu enormen Schäden geführt. Laut Österreichischer Hagelversicherung betragen sie bereits 75 Millionen Euro: "Das ist in dieser so kurzen Zeitspanne eine einzigartige Negativentwicklung", sagt deren Sprecher.

Auch die Steiermark wurde zuletzt von Unwettern heimgesucht, dieses Feld mit Ölkürbissen wurde durch Hagel und Starkregen schwer in Mitleidenschaft gezogen.
APA/ÖHV

Aber was folgt auf diesen sehr heißen und trotz der Unwetter trockenen Juni? Sowohl der historische Trend als auch die Langfristprognose für das heurige Sommerwetter lassen weiteres Ungemach befürchten. Georg Pistotnik von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) forscht an der Wahrscheinlichkeit von Unwettern und erwartet mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa zwei Dritteln, dass die Unwetterneigung hoch bleiben wird. Denn das Wetter soll im Sommer – die Haupthagelzeit ist üblicherweise im Juli und August – mit dieser Wahrscheinlichkeit überdurchschnittlich warm und trocken bleiben.

Zudem verweist der Forscher auf die Bauernregel, wonach das Wetter im Sommer meist so bleibt wie Ende Juni, als in einem heißen Umfeld die heftigen Unwetter auftraten. In diesem Fall seien sich Wissenschaft und die Daumenregel aufgrund langjähriger Beobachtungen einig, sagt Pistotnik. Heftige Unwetter würden generell oft auf eine Hitzewelle folgen, wie es bereits im Juni der Fall war. Und: Je wärmer das Wetter, desto öfters kommen Gewitter vor und fallen umso heftiger aus, weshalb Pistotnik in deren Häufung auch eine Folge des Klimawandels sieht.

Immer mehr Unwetter

Der ZAMG-Forscher, der seine Begeisterung für Unwetter zum Beruf gemacht hat, hat errechnet, dass diese Ereignisse häufiger werden. Demnach haben schwere Gewitter begünstigende Wetterlagen im Alpenraum seit 1980 um etwa 20 Prozent zugenommen, also signifikant. Damit sind österreichische Landwirte aber noch gut bedient, in Südosteuropa betrage die Zunahme sogar zwischen 30 und 50 Prozent. Die schlechte Nachricht: Pistotnik geht davon aus, dass sich diese Entwicklung auch künftig fortschreiben wird.

Diesen Trend registriert man auch außerhalb der Landwirtschaft – etwa bei der Wiener Städtischen Versicherung, wo sich die durch den Hagel der vergangenen Tage hervorgerufenen Schäden auf mehr als 20 Millionen Euro summieren. "Wir beobachten seit Jahren einen Anstieg der Leistungen, der allerdings nicht linear passiert, sondern in Schüben", sagt ein Sprecher. Die Ereignisse werden ihm zufolge tendenziell lokaler und heftiger, Hagel oder Stürme würden nur eine kleine Region betreffen, aber immensen Schaden anrichten.

Eher durchschnittlich

Zurück zur Landwirtschaft. Was bedeuten diese Entwicklungen für die heurige Ernte? "Im Vorjahr konnten wir eine Rekordernte einfahren, heuer bewegen wir uns wieder Richtung Durchschnitt", sagt Nikolaus Berlakovich, früher ÖVP-Landwirtschaftsminister, nun Vorsitzender des Ausschusses für Pflanzenproduktion der österreichischen Landwirtschaftskammer. Ursachen dafür seien kühle Temperaturen im Frühjahr mit verzögerter Entwicklung der Pflanzen sowie die Trockenheit im Juni.

Die gesamte Getreideproduktion wird gegenüber 2020 um sieben Prozent geringer eingeschätzt und liegt aufgrund des Flächenrückgangs von fünf Prozent auch unter dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Bei den Anbauflächen abgenommen hat Raps wegen Schädlingen wie etwa Erdfloh, der zum Umbruch von befallenen Flächen führte. Auch Roggen auch Winterraps und Wintergerste haben abgenommen. Zugenommen haben die Anbauflächen bei Zuckerrüben, Sojabohnen, Ölkürbissen sowie Hafer und Sonnenblumen.

Besser Hagel als Dürre

In der Landwirtschaftskammer ist man auf jeden Fall froh, dass bisher Hagelschäden und weniger Dürre das größte Problem darstellen, denn: "Hagel wird nie die gesamte Ernte beeinflussen." Denn dies seien immer nur sehr lokale Ereignisse, die für die betroffenen Betriebe jedoch umso bitterer seien.

Aber wie können sich Landwirte außer Versicherungen noch gegen Extremwetterereignisse schützen? Jeweils nur bedingt, heißt es aus der Landwirtschaftskammer. Gegen Hagel könne man in sogenannte Hagelnetze investieren, bei Trockenheit sei in manchen Gebieten künstliche Beregnung möglich. Wenig ist bei Frost machbar, der heuer Mitte April laut Hagelversicherung für etwa 35 Millionen Euro an Schäden gesorgt hatte. Mit Rauch kann man versuchen, das Absinken der frostigen Luft zu verhindern – jedoch mit überschaubaren Erfolgsaussichten. (Alexander Hahn, 3.7.2021)