Raheem Sterling hat drei der vier Treffer erzielt, die England ins Viertelfinale führten. Geht es in dieser Tonart weiter, winkt die Schützenkrone.

Foto: imago images/Shutterstock

Euro-Ticker: Tschechien vs. Dänemark, Sa. ab 18 Uhr und Ukraine vs. England ab 21 Uhr

Tagesform schlägt Papierform! Wenn die Europameisterschaft 2020/2021 was gezeigt hat, dann eben genau das: Dem Favoritenstatus ist nicht zu trauen – Deutschland, Frankreich, die Niederlande. England wird also mit gehörigem Respekt nach Rom reisen, wo am Samstag ab 21 Uhr mit der Ukraine jemand wartet, der ansonsten kaum der Rede wert wäre. Auch wenn der Teamchef Andrij Schewtschenko heißt.

Dessen englisches Visavis, Gareth Southgate, warnt also eindringlich. "Wir haben unser Ziel noch nicht erreicht, daher ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um zu sehr zu feiern", rief er, deeskalierend, nach dem Achtelfinalsieg über die Deutschen. Jetzt, gegen die Ukraine – spielstark, ausgefuchst, gut gecoacht – gehe es erst ans Eingemachte. "Wir werden alles dafür tun, nach Wembley zurückzukehren."

Dort, so der Plan, steigt das Finale. Oder auch nicht. Entscheiden möchte das die Uefa. Tatsächlich wird das aber etwas namens Covid-19 tun, und zwar in der Variante Delta. Und – no na – die Mannschaft der Ukraine, die den Unterschied zwischen Tages- und Papierform inszenieren will.

Blochin nimmt Druck

Oleg Blochin – altgewordene Vorwärts-Steyr-Fans werden sich seiner gerne entsinnen – nimmt den Kickern den Druck: "Für die Ukraine ist dieses Viertelfinale schon wie der EM-Titel. Selbst wenn es in Rom schiefgeht, was soll’s? Diese Burschen haben schon Geschichte geschrieben."

In Österreich wäre eine solche Aussage womöglich die Freigabe zum Largieren. Aber Blochin war selber Teamchef. Er weiß, dass er sich trauen darf, sowas zu sagen. Denn in allen glost diese Glut, an die auch Schewtschenko glaubt: " Wir müssen die Spieler physisch und mental wieder aufbauen." Er, Schewtschenko, habe schon allerlei im Kopf. Man werde "die richtige Taktik wählen, versuchen, England zu überraschen". Voraussetzung dafür, die Tages- gegen die Papierform auszuspielen, sei Demut, meint Andrij Jarmolenko von West Ham: "Über die Fähigkeiten der Engländer muss ich nichts erzählen." Aber: "Aber gleichzeitig haben wir so einen emotionalen Schub bekommen, dass es für sie nicht leicht wird."

Historisches schaffen

Während die Ukraine ihre Großtat also schon geschafft hat und erstmals überhaupt die Vorrunde überstanden hat, steht die historische Tat den Engländern erst bevor. Gar das Heimfinale am 11. Juli scheint in Reichweite. Im Halbfinale würde – "nur" – Dänemark oder Tschechien warten. Also sprach Southgate, der Trainer: "Jetzt haben die Jungs wieder die Chance, etwas Historisches zu schaffen."

Zumal die Mutter aller Ballesterei erst einmal in einem EM-Halbfinale gewesen ist. Das war 1996, daheim in Old Wembley. Das Spiel ging in die Verlängerung. Und ins Elfmeterschießen. Einer vergab. Und der hieß Gareth Southgate. Der Coach kann also durch sein Team – eine zweifellos gut geformte, ganz unenglisch als echtes Team auftretende Nationalmannschaft – eine sehr persönliche Scharte ausdengeln.

Harry Kane von den Spurs und Raheem Sterling von ManUnited wären, hört man, bereit dazu. Vor allem Letzterer hat es dem Trainer mit seiner Leistung und dem 1:0 gegen Deutschland angetan: "Seine Moral ist fantastisch. Wir kennen sein Auf und Ab, seine Reise im Nationalteam. Ich freue mich wirklich sehr, dass er seine Leistungen bringt. Gerade in Wembley zu liefern war für ihn etwas ganz Besonderes." Und nicht nur für ihn. (Wolfgang Weisgram, 2.7.2021)

Mögliche Aufstellungen zum Fußball-EM-Viertelfinale Ukraine – England am Samstag in Rom:

Ukraine – England (Rom, Stadio Olimpico, 21.00 Uhr/live ORF 1, SR Brych/GER)

Ukraine: 1 Buschtschan – 21 Karawajew, 13 Sabarnyj, 4 Krywzow, 22 Matwijenko – 8 Malinowskyj, 5 Sydortschuk, 17 Sintschenko – 7 Jarmolenko, 9 Jaremtschuk, 20 Subkow

Ersatz: 12 Pjatow, 23 Trubin – 2 Sobol, 24 Tymtschyk, 15 Zyhankow, 16 Mykolenko, 18 Besus, 6 Stepanenko, 3 Sudakow, 10 Schaparenko, 11 Marlos, 14 Makarenko, 26 Dowbyk

Es fehlen: 19 Bessedin (Kreuzband- und Seitenbandverletzung), 25 Popow (Wade)

England: 1 Pickford – 2 Walker, 5 Stones, 6 Maguire, 3 Shaw – 14 Phillips, 4 Rice – 25 Saka, 19 Mount, 10 Sterling – 9 Kane

Ersatz: 13 Ramsdale, 23 Johnstone – 12 Trippier, 15 Mings, 21 Chilwell, 24 James, 8 Henderson, 16 Coady, 22 White, 20 Foden, 7 Grealish, 11 Rashford, 17 Sancho, 26 Bellingham, 18 Calvert-Lewin