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Kardinal Angelo Becciu bei einer Pressekonferenz 2019.

Foto: AP / Gregorio Borgia

Geldwäsche, Erpressung, Betrug, Veruntreuung, Amtsmissbrauch, Urkundenfälschung: Es ist eine lange und unheilige Liste von Straftatbeständen, die das vatikanische Tribunal ab dem 27. Juli zu beurteilen hat. Ausführlich ist auch die Liste der Angeklagten: Insgesamt neun Personen müssen sich vor dem Gericht verantworten. Der prominenteste unter ihnen ist der 73-jährige Kardinal Angelo Becciu, ehemaliger Substitut des vatikanischen Staatssekretariats; ihm werden Veruntreuung und Amtsmissbrauch sowie Anstiftung zur Falschaussage vorgeworfen. Angeklagt ist unter anderem auch der Schweizer Finanzfachmann René Brülhart, von 2012 bis 2019 Chef der vatikanischen Finanzaufsicht.

Bei dem Prozess im Vatikan geht es unter anderem um den Kauf einer luxuriösen Immobilie an der Sloane Avenue im vornehmen Londoner Stadtteil Chelsea, bei dem der Vatikan bis zu 100 Millionen Euro in den Sand gesetzt hat. Das Geschäft war heimlich unter der Regie von Becciu abgewickelt worden, als dieser noch die Nummer zwei im vatikanischen Staatssekretariat gewesen war. Die Ermittlungen hatten auch noch etliche andere Machenschaften ans Tageslicht gebracht. Unter anderem soll Becciu seinen Brüdern und seiner angeblichen Geliebten, einer selbsternannten "Geheimdienst-Expertin", Hunderttausende von Euro zugeschanzt haben. Becciu bezeichnet sich selber als unschuldig und als Opfer einer Intrige. Laut einem Zeugen soll er die vatikanischen Ermittler als "Schweine" bezeichnet haben.

Peterspfennig versickerte

Frivol wirkt das Finanzgebaren von Becciu und seinen ehemaligen Broker-Freunden innerhalb und außerhalb des Vatikans vor allem auch deshalb, weil zur Finanzierung der waghalsigen Geschäfte auch die Kasse des sogenannten Peterspfennig angezapft worden war, die durch Spenden von Gläubigen aus aller Welt gespeist wird. Giuseppe Pignatone, Präsident der vatikanischen Justiz und zuvor erfolgreicher Mafiajäger in den Diensten des italienischen Staats, spricht von einem "faulen System", das durch die Komplizenschaft von Personen innerhalb des Vatikans möglich gemacht worden sei. Dieses "weit gespannte Netzwerk" habe den Vatikanfinanzen "spürbare Verluste zugefügt".

Spektakulär ist der Prozess nicht zuletzt auch deshalb, weil mit Becciu erstmals einem Kardinal durch das vatikanische Tribunal der Prozess gemacht wird. Möglich wurde dies dank eines päpstlichen Dekrets (Motu proprio) von Franziskus vom April dieses Jahres. Zuvor konnten Kardinäle und Bischöfe vatikanintern nur durch andere Kardinäle oder durch den Papst selber gerichtet werden. Der hochrangige Kurienkardinal Becciu war vom Papst im September 2020 Knall auf Fall von allen seinen Ämtern enthoben worden; gleichzeitig verlor er alle mit der Kardinalswürde verbundenen Privilegien.

Rundumschlag des Pontifex

Der 84-jährige Pontifex hatte es aber nicht mit der Entlassung Beccius bewenden lassen. Mit einem weiteren Motu vom vergangenen Dezember entzog er dem bisher allmächtigen Staatssekretariat jegliche finanzielle Autonomie. Die Superbehörde der römischen Kurie, zugleich Außen- und Innenministerium des Kirchenstaats, kann nun keinen Euro mehr ausgeben, ohne dass die interne Finanzkontrolle oder der Papst persönlich ihren Segen dazu geben. Alle Konten des Staatssekretariats bei der Vatikanbank IOR, aber auch alle Auslandkonten, wurden aufgehoben und die Guthaben an die vatikanische Vermögensverwaltung Apsa (Amministrazione del Patrimonio della Sede Apostolica) übertragen. Diese war zuvor hauptsächlich für die Verwaltung des immensen Immobilienvermögens des Vatikans zuständig gewesen.

Die Entmachtung des Staatssekretariats und die Neuordnung der vatikanischen Finanzen war die bisher wichtigste Reform von Papst Franziskus: Der Argentinier war im Konklave von 2013 vor allem von den nicht-italienischen Kardinälen gewählt worden, weil sie ihm zutrauten, die Kurie auszumisten und deren Finanzgebaren transparenter und nicht zuletzt auch wieder christlicher zu gestalten. Das päpstliche Dekret enthält eine Reihe weiterer Normen und Weisungen, die zum mehr Transparenz in den vatikanischen Finanzen führen sollen. (Dominik Straub aus Rom, 4.7.2021)