Der Wirkstoff Methamphetamin kann für den Menschen gefährlich werden: Als Droge Crystal Meth hat das Aufputschmittel ein hohes Abhängigkeitspotenzial. Das bekamen schon die Wehrmachtsoldaten im Zweiten Weltkrieg zu spüren, die millionenfach Meth konsumierten und mit verharmlosenden Namen wie "Panzerschokolade" oder "Fliegermarzipan" bezeichneten.

Der Stoff gelangt allerdings immer häufiger in die Natur und kann bei Tieren Schaden anrichten, wie eine aktuelle Studie zeigt. Die Mengen im Mikrogramm-Bereich können offenbar Bachforellen Meth-abhängig machen, schreibt das tschechische Forschungsteam im Fachblatt "Journal of Experimental Biology".

Suchtrisikoforschung

"Bisher war unklar, ob die Menge illegaler Drogen, die in offenen Gewässern nachgewiesen wird, das Verhalten von Fischen verändert", sagt Pavel Horký von der Tschechischen Agraruniversität Prag. Er und sein Team untersuchten daher, ob Bachforellen (Salmo trutta) in den Gewässern einem Suchtrisiko durch illegales Methamphetamin ausgesetzt sind, und fanden heraus, dass dies der Fall ist.

Wenn Drogen in natürliche Gewässer gelangen, können Fische zu Junkies werden.
Foto: A. Hartl / imago images / blickwinkel

Für ihr Experiment versetzten die Forschenden einen Süßwassertank mit einem Mikrogramm Methamphetamin pro Liter – eine Menge, die in Seen und Flüssen weltweit immer häufiger vorkommt, wobei teils auch von 25 Mikrogramm pro Liter berichtet wird. In diesem Tank ließen sie zwei Monate lang 60 Bachforellen schwimmen, die sie anschließend in einen drogenfreien Wassertank überführten. Eine gleich große Kontrollgruppe kam nicht mit der Droge in Berührung.

Passivität im Entzug ...

Dann testete das Forschungsteam über zehn Tage, ob es zu Entzugserscheinungen kam. Bei diesen etwa zehnminütigen Tests hatten jeweils acht zufällig ausgewählte Forellen aus beiden Gruppen die Wahl zwischen Süßwasser und Meth-haltigem Wasser. Dieser Test wurde alle zwei Tage mit neu gewählten Fischen wiederholt. Wenn die Forellen zuvor abhängig wurden, so die lebensnahe Annahme der Forscher, müssten sie nun das mit der Droge versetzte Wasser aufsuchen.

Dabei zeigte sich, dass sich die Forellen aus dem Drogentank tatsächlich für das entsprechend kontaminierte Wasser entschieden: Innerhalb der ersten vier Tage auf Entzug zeigten sie eine signifikant höhere Tendenz, beim Test ins Methamphetamin-Wasser zu schwimmen, als die Kontrollfische. Darüber hinaus waren die süchtigen Fische in den ersten Tagen des Entzugs weniger aktiv als die nicht vorbelasteten Forellen. Das Forschungsteam interpretierte diese Beobachtung als Stressreaktion des Entzugs, der es ihnen erschwerte, eine neue Umgebung zu erkunden.

... Aktivität nach Meth-Aufnahme

Auch fand die Forschungsgruppe nach der Sektion der Methamphetamin-Fische Spuren des Wirkstoffs in ihren Gehirnen, in einem Fall sogar zehn Tage nach Entzugsbeginn. Hier scheint es auf den individuellen Stoffwechsel anzukommen, wie schnell die Dosis abgebaut wird. Bei jenen Fischen, in deren Hirn Methamphetamin nachgewiesen wurde, war die Aktivität zuvor höher: Das deutet darauf hin, dass die Fische nach der Aufnahme des Stoffes aktiver wurden, was der aufputschenden Wirkung entspricht.

Insgesamt scheinen jedenfalls selbst geringe Mengen illegaler Drogen in unseren Gewässern Tiere nicht nur abhängig zu machen: Sie können auch dafür sorgen, dass Tiere die kontaminierten Gewässer aktiv aufsuchen.

Pharmazeutika im Wasser

Die Aufbereitung von Wasser ist schon in Bezug auf andere pharmazeutische Mittel problematisch: Oft sind entsprechende Anlagen nicht in der Lage, Medikamente herauszufiltern, die den menschlichen Körper auf natürlichem Weg verlassen oder im Abfluss entsorgt werden. Auch Antidepressiva wie Fluoxetin gelangen so in die Umwelt und können das Verhalten der Lebewesen verändern. Erwiesen ist, dass Fische auch auf andere neuroaktive Drogen wie Alkohol und Kokain sensibel reagieren.

In diesem Fall befürchtet Pavel Horký, die Drogensucht könne Fische dazu bringen, sich auf der Suche nach dem Stoff in der Nähe von Abflüssen aus Aufbereitungsanlagen aufzuhalten, die nicht das gesündeste Umfeld darstellen. "Das Auslösen einer Drogensucht bei wilden Fischen könnte ein weiteres Beispiel für unerwarteten Druck auf Arten sein, die in städtischen Umgebungen leben", sagt der Zoologe. Außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass sich das Verlangen nach Drogen auf andere, natürliche Belohnungseffekte auswirkt und diese in den Schatten stellen kann. Das könnte dazu führen, dass etwa Futtersuche oder Paarung seltener nachgegangen wird als unter normalen Umständen. (sic, 7.7.2021)