Dänemark schickt sich an, eine große Geschichte in die Annalen des Fußballs zu schreiben. Dazu braucht es auch passende Abbildungen.

Foto: EPA

Björn spielt gerne und viel Eishockey, hat kurz nach Weihnachten Heidelbeermuffins gebacken und postet für einen Elfjährigen bemerkenswert viele oberkörperfreie Fotos auf Instagram. Seit Samstag ist Björn nicht nur in Dänemark ein bisschen berühmt. Björn hat nämlich jemanden am Strand von Tisvilde getroffen.

Es war nicht einmal ein besonders schöner Tag, an dänischen Stränden trägt und erträgt man auch im Juli noch Kapuzenpulli. Aber auch Christian Eriksen war am Samstag am Strand von Tisvilde, rund 50 Kilometer nördlich von Kopenhagen, spazieren. Ihm reichten ein Shirt und eine kurze Hose. Der Mann ist von sieben Jahren in England abgehärtet.

Eriksen lief Björn am Strand über den Weg, dessen Mutter fotografierte die zwei, Björn stellte es neben Hockeyübungen, seiner neuen Frisur und Poolfotos auf Instagram. Und da von dem gegen Finnland kollabierten Eriksen seit seinem Daumen-hoch-Foto aus dem Spital nichts mehr zu sehen und hören war, ist Björn jetzt ein gefragter Bursche.

"Er sah gesund und frisch aus, das war richtig schön zu sehen", sagte er der Zeitung BT. "Ich war nervös und brachte kein Wort hervor", sagte er über sich selbst. Eriksen sei aber nett gewesen und habe der Fotobitte sofort nachgegeben. Zum Foto schrieb Björn auf Instagram:_"Ich im Glück mit dem berühmtesten Mann der Welt".

Björn war am Samstag nicht der einzige glückliche Däne. Eine vollständige Liste würde sich auf dieser Seite nicht ausgehen, Kasper Hjulmand stünde jedenfalls weit oben. Der Teamchef musste beim 2:1 (2:0) gegen Tschechien zittern, nach der Pause brachte seine Elf den Sieg nur mit viel Mühe und etwas Glück über die Zeit.

Eriksen, Eriksen

Die schwimmende Defensive war Hjulmand nach dem Abpfiff reichlich wurscht. "Ich denke jeden Tag an Christian, vor dem Spiel und nach dem Spiel", sagte Hjulmand nach dem Viertelfinalspiel. "Ich bin froh, dass er überlebt hat. Wir haben ihn hierhin mitgenommen und werden ihn auch mit nach Wembley nehmen."

Das gilt auch für den schwarzen Glückspullover, den der 49-Jährige bisher bei allen Siegen trug. Gegen Tschechien coachte er erst im weißen Poloshirt, zog sich dann aber um. "Die Jungs dachten zwischendurch, ich sei ein Spieler", sagte Hjulmand. Er habe die Kleidung zur Pause nur gewechselt, damit "meine Spieler mich von ihren Mitspielern unterscheiden können".

Nach dem Abpfiff bereicherte noch ein rot-weißer Fischerhut die Garderobe des Teamchefs. Die Festivitäten in Baku waren ausgelassen, emotional, intensiv. Pierre Emile Hojbjerg verdrückte Tränen, die ganze Mannschaft versammelte sich vor den 1000 mitgereisten Fans zum Gruppenfoto.

Auch Torschütze Thomas Delaney dachte inmitten des Trubels an Eriksen. "Er war der beste Spieler über viele Jahre, wir tragen ihn in unserem Herzen", sagte der Dortmunder. Der zusammengebrochene Spielmacher habe dem Team schon vor dem Erfolg gegen Tschechien mitgeteilt, dass er stolz sei. "Wir kämpfen zwar immer noch damit, aber wenn wir ihn stolz machen können, macht mich das glücklich."

Auf das EM-Team der Herzen wartet nun am Mittwoch (21 Uhr) das Halbfinale gegen England. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass uns das reicht", sagte Kapitän Simon Kjær. Die Dänen träumen fast zwangsläufig von einer Wiederholung des Europameister-Coups 1992. "Wir haben so viel zusammen durchgemacht. Wir sind eine wunderbare Gruppe, wir vertrauen uns gegenseitig, wir sind füreinander da", sagte Kjær.

In der Heimat ist die Euphorie schon am Siedepunkt. "Ich bekomme berührende Nachrichten von Leuten, die sagen, dass ihre Kinder jetzt Nationalspieler werden wollen", sagte Hjulmand. Vielleicht sei seine Mannschaft "ein Symbol dafür, was die fundamentalen Werte im Fußball und im Leben sind".

Traurige Tschechen

Die unterlegenen Tschechen beklagten in erster Linie den Eckball, der zum 0:1 führte. Tschechiens Teamchef Jaroslav Šilhavý nannte ihn einen "Fehler der Schiedsrichter", die meisten Zeitlupen bestätigten seine Einschätzung. Auf Twitter kursierte aber auch eine Aufnahme, die zu zeigen schien, wie der Ball auf dem Weg ins Torout Ondřej Čelůstkas Hand berührte. Dass Delaney völlig frei köpfeln durfte, können die Tschechen ohnehin schwer Referee Björn Kuipers ankreiden.

Trotz der knappen Niederlage muss der Viertelfinaleinzug für den tschechischen Fußball als Erfolg verbucht werden. "Wir haben etwas erreicht, auf das wir stolz sein dürfen", sagte Šilhavý. (Martin Schauhuber, 4.7.2021)