ATX-Manager haben im Vorjahr ordentlich abgecasht. Und das, obwohl die Pandemie die Gewinne im Schnitt um 40 Prozent hat einbrechen lassen. Während die Politik von der "größten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik" gesprochen hat, wurden hohe Gagen verteilt.

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Wien – Das Vorjahr war geprägt von einer wirtschaftlichen Ausnahmesituation. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben einen Wirtschaftseinbruch historischen Ausmaßes gebracht und die Arbeitslosigkeit auf ein Rekordhoch schnellen lassen. Die Regierung sprach von der "größten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik".

Blickt man auf die Entwicklung der Vorstandsgehälter in den ATX-Unternehmen, kann von Krise aber keine Rede sein. Der aktuelle Bericht "Vorstandsvergütungen der ATX-Unternehmen 2020" der Arbeiterkammer (AK) Wien zeigt, dass die ATX-Manager im Vorjahr um knapp vier Prozent mehr verdient haben. Rund 1,9 Millionen Euro beträgt das Durchschnittsgehalt eines Chefs eines im Leitindex der Wiener Börse notierten Unternehmens (2019: 1,8 Millionen Euro). Zur Einordnung: Das ist das 57-Fache eines mittleren Einkommens in Österreich und damit der zweithöchste Wert seit Beginn der AK-Erhebungen im Jahr 2003.

Gewinne teils deutlich eingebrochen

Die variable Vergütung in den untersuchten 17 von 20 ATX-Unternehmen ist zwar zurückgegangen (minus 20 Prozent), jedoch bei weitem nicht so deutlich, wie die Gewinne eingebrochen sind (minus 40 Prozent). Laut Studienautorin und AK-Betriebswirtin Christina Wieser werden bei der Vergütungspolitik nach wie vor auch soziale und ökologische Ziele nicht ausreichend berücksichtigt. Kritik ist daher auch bei den Hauptversammlungen laut geworden: Mehr als ein Drittel der untersuchten Unternehmen wurde von den Aktionären aufgefordert, die Ausgestaltung der Gagen ihrer Manager zu überprüfen.

Bawag, OMV und Andritz

Angeführt wird das Ranking der Spitzenmanager vom ehemaligen Mayr-Melnhof-Chef, Wilhelm Hörmanseder, mit insgesamt 11,8 Millionen Euro: Hörmanseder hat im April 2020 nach 25 Jahren im Vorstand der Mayr-Melnhof-Gruppe an seinen Nachfolger Peter Oswald übergeben, der sich sogleich auf dem dritten Platz im Vergütungsranking einreiht (5,15 Millionen Euro). Unter den Top Ten der AK-Erhebung finden sich fünf (der insgesamt sechs) Vorstände der Bawag Group, angeführt von Anas Abuzaakouk, dem Vorstandsvorsitzenden, der mit einem Jahresgehalt von 5,3 Millionen Euro (2019: 4,9 Millionen Euro) auf Platz zwei der Liste rankt. Insgesamt streifte der Vorstand der Bawag im Vorjahr 21,3 Millionen Euro (2019: 19,8 Millionen Euro) ein und damit mehr als jeder andere Gesamtvorstand im ATX. Zu beachten ist, dass der Gewinn des Bankkonzerns im Corona-Krisenjahr um 38,1 Prozent zurückgegangen ist und im Mai 2021 ein Personalabbau angekündigt wurde, bei dem rund 200 Personen abgebaut werden sollen.

Platz vier belegt Nochvorstand der OMV, Rainer Seele, mit 4,3 Millionen Euro (2019: 7,2 Millionen Euro). Bei Wolfgang Leitner, Vorstandsvorsitzender von Andritz, zeichnet sich ein deutlicher Anstieg seines Gehalts ab – er landet mit 3,3 Millionen Euro (2019: 2,1 Millionen Euro) unter den Top Ten und verbessert sich von Rang 17 auf Rang acht. Leitner profitierte davon, dass die variable Vergütung im Jahr 2020 von der Steigerung eines einzigen Finanzziels abhängig war, dem "Konzernergebnis nach Steuern und Abzug von nicht beherrschenden Anteilen", das trotz Corona-Krise um 66,0 Prozent gesteigert werden konnte.

Auf Platz zehn findet sich ein weiteres Vorstandsmitglied, das im Jahr 2020 aus dem Vorstand ausgeschieden ist: Martin Grüll (RBI) mit 2,45 Millionen Euro. Das Ranking der Auszahlungen an ehemalige, bereits vor 2020 ausgeschiedene Vorstände führt mit großem Abstand Andreas Treichl an, der von 1994 bis Ende 2019 im Vorstand der Erste Group tätig war, seit 1997 als deren Vorstandsvorsitzender: Ihm wurden 2020 insgesamt 5,2 Millionen Euro ausbezahlt (Abfertigung, Pensionskassenzahlungen, sonstige Bezüge und Entgelt für Beratertätigkeit).

Aktionäre erheben sich

Den Aktionären schmeckt diese Vergütungspolitik jedenfalls nicht. Mit Anwendung des Aktienrechtsänderungsgesetzes (AktRÄG 2019) haben im Geschäftsjahr 2020 nämlich erstmalig die Aktionäre über die Vergütungspolitik für den Vorstand in börsennotierten Unternehmen abgestimmt. Die AK-Erhebung zeigt, dass die vorgelegten Vergütungspläne in den Hauptversammlungen zwar durchwegs die notwendige einfache Mehrheit von mehr als 50 Prozent erhalten haben. Aber: An beziehungsweise unter der Quote von 75 Prozent, die als jener anzustrebende Schwellenwert gilt, ab dem Nachbesserungen empfohlen sind, liegen immerhin sieben der 20 Gesellschaften. Somit bekam mehr als ein Drittel der Unternehmen den Druck der Aktionäre zu spüren. Sie müssen ihre Gagengestaltung nachschärfen. Und zwar vor allem bezogen auf ihre Nachhaltigkeitsziele. Bis Anfang Juni (2021) haben drei Unternehmen (Andritz, Erste Group, Lenzing) aufgrund der Aktionärskritik ihre Pläne adaptiert.

Wenig Social Governance

Kritisiert wurden vor allem Kriterien für die variable Vergütung, die um nichtfinanzielle Ziele ergänzt wurden. Die Erste Group erreichte etwa mit lediglich 56,1 Prozent bei der Hauptversammlung (HV) 2020 die geringste Zustimmung, nach der Überprüfung verbesserte sich das Votum der Aktionäre 2021 auf 99,1 Prozent. "Das zeigt, dass die HV-Abstimmungen auch Dynamik in die Vergütungspolitik bringen, insbesondere auf die Erhöhung der Transparenz, aber auch bezogen auf die Implementierung von Nachhaltigkeitszielen", sagt Wieser.

Nachhaltige Bewegung sei laut Wieser dringend notwendig, denn bei der Ausgestaltung des Gehalts werden Ziele zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten bislang kaum bis gar nicht berücksichtigt. Nachhaltigkeitsziele seien oft wenig konkret formuliert und gemessen an der Gesamtvergütung gering gewichtet. Finanzziele und Finanzkennzahlen seien nach wie vor übergewichtet. Der Faktor Nachhaltigkeit, den es laut Gesetz zu berücksichtigen gilt, wird weiterhin überwiegend in seiner zeitlichen (langfristigen) und nicht in seiner inhaltlichen (nichtfinanziellen) Komponente interpretiert. In acht der diesbezüglich 14 untersuchten ATX-Unternehmen wurden zwar mittlerweile explizite Nachhaltigkeitsziele in den Kategorien Umwelt, Soziales und/oder Governance mit dem Vorstand vereinbart, doch nur drei Unternehmen – OMV, Post, Wienerberger – formulierten in allen drei Kategorien relevante Kriterien.

Nachbesserungen dringend notwendig

Hier fordert auch die AK Nachbesserungen bei den Konzernen ein. Denn an zukunftsweisenden Nachhaltigkeitszielen wie den Sustainable Development Goals (SDGs) oder den europäischen Klima- und Energiezielen 2030, an sozialen Zielen wie der Aus- und Weiterbildung von Beschäftigten, an besseren Arbeitsbedingungen oder an mehr Diversität wie der Steigerung der Anzahl von Frauen in der Belegschaft und in Führungspositionen werden Vorstände nach wie vor kaum gemessen.

Ebenso fordert die AK mehr Einklang bei der Krisenbewältigung. Die Vorstandsvergütung ist laut Wieser "an die wirtschaftliche Lage anzupassen". Maßnahmen zur Liquiditätssicherung wie Einsparungen beim Personal stehen im Widerspruch zu den hohen Vorstandsgagen.

In Finanzkrise wurde sensibler agiert

Zum Vergleich: Im Finanzkrisenjahr 2009 ist das ATX-Vorstandsgehalt im Schnitt um 25,6 Prozent auf 970.600 Euro gesunken. Während die Gewinne krisenbedingt auch 2020 deutlich und ähnlich signifikant wie 2009 (minus 38,8 Prozent) zurückgegangen sind, steigt das durchschnittliche Vorstandsgehalt aktuell sogar an. Dabei ist das Fixgehalt mit einem Anteil von 42,7 Prozent (2019: 44,0 Prozent) an der Gesamtvergütung fast konstant geblieben, variable Vergütungsbestandteile haben sich hingegen – korrespondierend mit der Ertragsentwicklung – von 46 Prozent auf 38 Prozent reduziert, während sich sonstige Gehaltsbestandteile – getrieben von hohen Beendigungs- und Einstiegszahlungen – von 10,2 Prozent auf 19,2 Prozent fast verdoppelt haben. (Bettina Pfluger, 5.7.2021)