Kein einfaches Verhältnis – aber nun ein gemeinsamer Weg: Christian Kern, Altkanzler und Ex-SPÖ-Chef, berät den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil in wirtschaftspolitischen Fragen, wenn Letzterer seinen Rat braucht.

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Wie eine Partei funktioniert – konkret die SPÖ –, sei "in Wahrheit ja ein Witz", meinte der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil am Sonntag im Interview mit dem "Kurier". Er habe "auch einige Monate gebraucht bei meinem Einstieg in die Politik, um zu erkennen, wie die Spielchen laufen". Welche Spielchen? Zum Beispiel jene mit Christian Kern, dem einstigen SPÖ-Chef und Bundeskanzler – Doskozil war zu der Zeit Verteidigungsminister.

Von der Revanche bis zum Berater

"Am Anfang war alles schön und charmant. Erst spät habe ich gemerkt, dass ich Mitarbeiter im Kabinett hatte, die davon beseelt waren, Christian Kern als Revanche bis zum Gehtnichtmehr zu bekämpfen. Im Nachhinein habe ich erkannt, dass ich einer Systematik aufgesessen bin", erzählt Doskozil über das Verhältnis damals.

Nun habe es vor wenigen Wochen eine Aussprache gegeben – der Ex-Kanzler und ehemalige ÖBB-Chef berate Doskozil seither in wirtschaftspolitischen Fragen. Die Aussöhnung sei ihm wichtig, "weil auch meine Handlungen damals vielleicht nicht richtig waren, ich das System damals noch nicht durchschaut habe".

Was der SPÖ laut Doskozil 2019 schadete ...

Vor ziemlich genau zwei Jahren – und damit im Wahlkampf zur Nationalratswahl und bereits Monate nach Kerns Rückzug aus der Politik, Doskozil war bereits Landeshauptmann im Burgenland – klang das noch anders. Damals machte Doskozil Kern für die Probleme in der SPÖ verantwortlich: "Ich weiß schon, dass das aus meinem Mund komisch klingen mag, weil ich hab nie ein inniges Verhältnis zu Christian Kern gehabt, aber diese internen Reibereien in der SPÖ sind aus meiner Sicht ab dem Zeitpunkt zutage getreten, wie Christian Kern die Partei übernommen hat und die Ära Faymann mit einem Pfeifkonzert am 1. Mai beendet wurde", sagte er damals, ebenfalls zum "Kurier". Er kritisierte Kern außerdem für "persönliche Eitelkeiten".

... und was der SPÖ laut Doskozil 2021 schadet

Zurück ins Jahr 2021 – auch heute werden nach dem SPÖ-Parteitag, nur 75 Prozent der Genossinnen und Genossen stimmten für Pamela Rendi-Wagner als Vorsitzende, wieder interne Reibereien bei den Sozialdemokraten diskutiert. Dabei stelle man allerdings die falschen Fragen, meint Doskozil – die "handelnden Personen aus der zweiten Reihe" gebe es noch immer, "und sie hetzen nach wie vor" – würden jetzt beispielsweise nur betonen, dass 25 Prozent Rendi-Wagner nicht gewählt hätten. "Anstatt eine Ursachenanalyse zu machen, wird nur weiter ein neuer Spin hineingebracht, neue Gerüchte lanciert. Dieses machtpolitische und pharisäerhafte Denken im Hintergrund schadet der SPÖ am meisten", so Doskozil im Interview.

Zusammenarbeit zwischen Genossen

Mit Gedanken über Konflikte in der SPÖ und die Zukunft der Partei treibt sich auch Ex-Kanzler Kern herum. Ja, das Verhältnis zu Doskozil sei in der Vergangenheit nicht gerade das beste gewesen, sagt er dem STANDARD. Er habe sich deswegen über die Aussprache gefreut, schließlich sei man Mitglied in derselben Partei. Wenn Doskozil in wirtschaftspolitischen Fragen etwas brauche, stehe er ihm mit "Rat und Tat" zur Seite, es handle sich aber eher um eine lose Zusammenarbeit auf Zuruf zwischen zwei Genossen. Das Wirtschaftsprogramm Doskozils könne sich jedenfalls sehen lassen, der Burgenländer habe mit guten, durch und durch sozialdemokratischen Ideen aufgezeigt.

Prompt wurde spekuliert, dass sich die beiden Ex-Regierungspartner bewusst gegen die Bundes-SPÖ und Parteichefin Pamela Rendi-Wagner in Stellung bringen. Doch das sei ein Blödsinn, sagen Insider. In erster Linie wird die Hilfe Kerns als "Ehrensache" gewertet, als eine "Beziehungs- und Kontaktpflege", die der Ex-Kanzler wahrscheinlich genauso für Wiens Bürgermeister Michael Ludwig oder Kärntens Landeschef Peter Kaiser erbringen würde, wenn nötig. Überraschend sei die Kooperation aber auch deshalb nicht, weil beide der Ansicht seien, dass die SPÖ dringend inhaltlich reformiert werden und dafür etwas gegen die "Betonierer" in der Partei gemacht werden müsse, erklären Genossen.

Integration statt Zuspitzung

Kern ist nach seinem Rückzug aus der Politik Miteigentümer der von seiner Frau gegründeten Blue Minds Group und investiert in Start-ups. Wenn Politikerinnen und Politiker aber nach seiner Meinung fragen, stehe er zur Verfügung – hätte ihn Rendi-Wagner gefragt, ob er sie beraten will, hätte er auch dazu Ja gesagt, so auch Kern selbst.

Das Aussöhnen sieht der ehemalige Kanzler auch als Rezept für die Sozialdemokratie im Allgemeinen – in der SPÖ sei es immer wieder gelungen, verschiedenste Flügel zu vereinen, bereits zur Zeit Viktor Adlers. Alle, die aktuell glauben würden, man könne durch Zuspitzung Konflikte lösen, seien auf dem falschen Weg. Die Integration unterschiedlichster Strömungen sei hingegen die Lösung, die sich auch historisch immer bewährt habe. (Lara Hagen, 5.7.2021)