Wissenschaftsjournalistin Karola Klatt schreibt in ihrem Gastkommentar über die bevorstehenden Wahlen in Bulgarien und warum sich an der Korruption im Land nichts ändern wird.

Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr wählen die Bulgaren ein neues Parlament. Nachdem der langjährige Premier Bojko Borissow und die anderen politischen Kräfte im April keine Regierung bilden konnten, wurden Neuwahlen für den 11. Juli anberaumt. Gleich drei neue Parteien mit vielsagenden Namen – "Es gibt ein solches Volk", "Demokratisches Bulgarien" und "Steh auf! Mafia raus!" – gelangten im April zulasten der etablierten Parteien ins Parlament. Sie profitierten von den Massenprotesten des Sommers 2020, als Tausende auf die Straße gingen, um ihre Empörung gegen Borissows Regierung zum Ausdruck zu bringen, der sie Korruption und Mafiagebaren vorwarfen. Alle diese Neugründungen hatten Koalitionen mit der Regierungselite schon vor den Wahlen kategorisch ausgeschlossen.

Bulgarien wählt am 11. Juli erneut. Der langjährige Premier Bojko Borissow steht wegen Korruptionsaffären und seinem Corona-Krisenmanagement unter Druck.
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Die Zeitreihen der Sustainable Governance Indicators (SGI) der Bertelsmann-Stiftung belegen, dass Bulgarien bei der Korruptionsprävention seit Jahren nicht vorankommt. Nur magere vier von zehn möglichen Punkten erzielt das Land hier, obwohl in dieser Zeitspanne auch ein neues Gesetz zur Schaffung einer zentralen Antikorruptionsbehörde verabschiedet worden ist. Im SGI-Bulgarienbericht 2020 urteilen die Länderexperten: "Auch diese neue Behörde war nicht sehr effektiv, Fälle von Korruption auf hoher Ebene vor Gericht zu bringen oder illegal erworbenes Eigentum zu beschlagnahmen."

Nicht nur in Bulgarien, dem ärmsten EU-Mitgliedsstaat, sondern im ganzen Südosten der Europäischen Union scheitert die Gemeinschaft daran, die Korruption effektiv zurückzudrängen, und schadet damit ihrem Image als westlicher demokratischer Werteunion. Auf einem besorgniserregend niedrigen Niveau in der Korruptionsprävention verharrt nach den SGI-Daten wie Bulgarien auch Kroatien. Kaum besser mit nur fünf Punkten sind Griechenland und Slowenien. Verschlechtert haben sich seit 2014 die Slowakei und Rumänien von fünf auf vier Punkte, Ungarn und Zypern sogar von vier auf drei. Damit befinden sich diese südosteuropäischen Länder am Rande einer politischen Wirklichkeit, in der Amtsträger nach Gutdünken walten können und keinerlei rechtliche Konsequenzen oder Nachteile mehr fürchten müssen.

Deutliche Geste in Richtung Bulgarien

Der kürzlich veröffentlichte "Global Corruption Barometer" von Transparency International für die Europäische Union belegt zudem während der Pandemie eine beunruhigende Zunahme der Korruption im Gesundheitssystem. Die höchsten Schmiergeldzahlungen für medizinische Leistungen ermittelte die Befragungsstudie für Rumänien und Bulgarien.

Tatenlos schaut die EU seit Jahren zu, wie in vielen Ländern EU-Mittel in die Taschen korrupter Eliten fließen, die zum Erhalt ihrer Macht den Rechtsstaat abbauen und die Meinungsvielfalt einschränken. Bei den Milliarden Euro der europäischen Steuerzahler, die als Fördermittel an die jeweiligen Regierungen gezahlt werden, wird viel zu wenig kontrolliert, ob sie ihrem Zweck auch wirklich zugeführt werden. Letztendlich führt die mangelnde Rechenschaftspflicht der EU dazu, dass in vielen Mitgliedsstaaten Systeme entstehen konnten, die die europäischen Standards der Demokratie nicht mehr erfüllen.

Vor kurzem brüskierte die US-Regierung die EU mit einer deutlichen Geste in Richtung Bulgarien. Das Finanzministerium der Vereinigten Staaten verhängte am 2. Juni 2021 gegen drei einflussreiche Bulgaren und ihre Netzwerke aus 64 Unternehmen und Organisationen weitreichende Sanktionen wegen ihrer Beteiligung an erheblicher Korruption. Diese Sanktionierung stellt die umfangreichste Aktion seit dem Bestehen des Magnitsky Acts dar, eines 2016 vom US-Kongress verabschiedeten Gesetzes, das die US-Regierung ermächtigt, weltweit Personen zu bestrafen, die Menschenrechte verletzt haben, indem ihr Vermögen eingefroren und ihnen die Einreise in die USA verweigert wird.

In der Pressemitteilung zu der Benennung heißt es: "Diese Sanktionierungen senden ein deutliches Zeichen, dass die Vereinigten Staaten allen Bulgaren zur Seite stehen, die sich bemühen, die Korruption auszurotten. Wir sind bestrebt, unseren Partnern zu helfen, ihr volles wirtschaftliches und demokratisches Potenzial auszuschöpfen, indem wir systemische Korruption bekämpfen und korrupte Beamte zur Rechenschaft ziehen." Für die EU, die seit Jahren um die Verabschiedung eines eigenen Magnitsky-Gesetzes ringt, dabei jedoch vor allem EU-ferne Menschenrechtsverletzungen im Blick hat, stellt diese Begründung eine herbe Lektion dar.

Fragmentiertes System

Obwohl die neuen demokratischen Alternativen laut den letzten Umfragen im Vergleich zum April leicht zulegten, ist auch bei diesem neuerlichen Urnengang keine parlamentarische Mehrheit der Korruptionsgegner zu erwarten, wie auch keine stabile Regierungsmehrheit überhaupt. Grund dafür ist neben dem fragmentierten Parteiensystem auch eine populistische politische Figur, um die Bulgarien jetzt reicher ist: Der TV-Star Stanislaw "Slawi" Trifonow dürfte mit seiner Partei "Es gibt ein solches Volk" auch im Juli wie schon im April zweitstärkste Kraft werden.

Will die EU in ihren Mitgliedsländern stabile Verhältnisse statt Populismus und Systeme auf dem besten Weg in die Autokratie, dann muss endlich damit begonnen werden, Länder zu effektiver Korruptionsbekämpfung und Einhaltung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips zu zwingen. Das saubere Image der Europäischen Union hat jedenfalls international bereits deutlich Schaden genommen. (Karola Klatt, 6.7.2021)