Durch das Gesetz aus dem Wissenschaftsministerium sollen Forschungseinrichtungen künftig verstärkt auf Daten zugreifen können.

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Bei der Statistik Austria könnten sich künftig zu viele Daten an einem Ort sammeln – das kritisieren zumindest Gegner der geplanten Zusammenführung.

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Die Datenlage in Österreich ist generell eher mau: Das ist eine Kritik, die Forschende seit Jahren anbringen. Viel zu wenige behördliche Daten werden mit der Wissenschaft geteilt, wodurch eine Verknüpfung von Informationen erschwert wird. Dabei existieren diese Informationen, teils auch öffentlich – doch der Zugriff ist noch nicht einheitlich. Daher war bereits im Regierungsprogramm geplant, das zu ändern. Nun lieferte die Corona-Krise, in der immer wieder der Wunsch nach genaueren Daten zu Erkrankungen geäußert wurde, der Regierung den finalen Anstoß. Eine neue Gesetzesnovelle soll die Statistik Austria umfassend erweitern. Ein Überblick.

Frage: Was plant die Regierung genau?

Antwort: Die Statistik Austria – das statistische Amt der Republik – soll um eine neue Anlaufstelle, das Austrian Micro Data Center (AMDC), erweitert werden. Konkret geht es dabei darum, die Daten aus diversen öffentlichen Stellen und der Verwaltung zusammenzuführen: Das sind beispielsweise Erwerbsdaten, Wohninformationen, Verkehrsdaten, Nutzungsdaten, Bildungsdaten oder etwa Gesundheitsdaten. Grundsätzlich sind viele dieser Daten bereits öffentlich auffindbar. Beim AMDC geht es auch um eine Zusammenführung dieser.

Frage: Wer bekommt Zugriff auf die Daten?

Antwort: Der Gesetzesentwurf aus dem türkisen Wissenschaftsministerium nennt wissenschaftliche Einrichtungen. Dabei soll ihre Tätigkeit "im Schwerpunkt Forschung bestehen", heißt es. Das sind etwa Universitäten und Fachhochschulen, zusätzlich werden aber "jedenfalls" auch mehrere Einrichtungen namentlich genannt, etwa das Institut für Höhere Studien (IHS), das Austrian Institute of Technology (AIT) und die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft. Wissenschaftliche Abteilungen von Interessenverbänden, etwa der Arbeiterkammer oder der Wirtschaftskammer, wurden nicht genannt. Dass sie aber noch aufgenommen werden, wird nicht ausgeschlossen.

Frage: Wie soll der Zugriff konkret funktionieren?

Antwort: Wollen Forschungseinrichtungen bestimmte Daten einholen, können sie einen entsprechenden Antrag beim AMDC einbringen. Liegen diese vor, werden sie geteilt. Dabei erhalten sie einen Fernzugriff auf verschlüsselte Daten, die sich auf den Servern der Statistik Austria befinden. Vor der Weiterverwertung müssen die Ergebnisse der jeweiligen Einrichtung nochmals von der Statistik Austria geprüft werden, um sicherzustellen, dass keine Rückschlüsse auf einzelne Personen gezogen werden können.

Frage: Wird der Datenschatz in Zukunft weiter angereichert?

Antwort: Die Ministerien können sich dazu entscheiden, bestimmte Register für die Statistik Austria freizugeben. Das ist beispielsweise schon beim Epidemiologischen Melderegister (EMS) geschehen. Darin sind Informationen zu anzeigepflichtigen Krankheiten, zum Beispiel Covid-19, zu finden. Liegen derartige Daten aus Registern bei dem statistischen Amt, können auch Forschungseinrichtungen auf sie zugreifen. In der Vergangenheit wurde etwa über die Freigabe von Daten aus der Elektronischen Gesundheitsakte (Elga) spekuliert, bisher ist das aber noch nicht passiert.

Frage: Woher wissen die Einrichtungen überhaupt, welche Datensätze gesammelt werden?

Antwort: Die Statistik Austria soll auf Nachfrage auf die zuständige öffentliche Stelle zugehen – diese muss dann Auskunft erteilen, ob die Informationen vorliegen, heißt es in dem Gesetzesentwurf. Das erfahren die Forschungseinrichtungen daraufhin. Dabei soll auch eine elektronische Schnittstelle zwischen der Statistik Austria und den betreffenden Behörden geschaffen werden.

Frage: Muss der Zweck einer Anfrage begründet werden?

Antwort: Die Prüfung forschungsethischer Faktoren ist in dem Gesetzesentwurf, der aktuell begutachtet wird, nicht vorgesehen. Auch Kooperationen mit Unternehmen aus der Privatwirtschaft sind somit möglich. Im jeweiligen Antrag muss allerdings angegeben werden, wer Zugriff auf die Daten erhält. Möglich wäre beispielsweise, im Auftrag eines Unternehmens bestimmte Themen anhand der behördlichen Datensammlung zu ergründen und die Ergebnisse dann mit diesem zu teilen – auch entgeltlich.

Frage: Gibt es datenschutzrechtliche Bedenken?

Antwort: Aus Sicht der Datenschutz-NGO Epicenter Works wird die Privatsphäre verschlechtert. Obwohl ein großer Datenbestand über die Bevölkerung an Dritte weitergegeben wird, "wurden zum Beispiel Protokollpflichten für Forschungseinrichtungen abgebaut", sagt der Aktivist Thomas Lohninger zum STANDARD. Dabei sei die Anonymisierung nachlässig.

Frage: Wie soll die Privatsphäre dann sichergestellt werden?

Antwort: Der Entwurf des Gesetzes sieht vor, dass Name, Anschrift und die eindeutige Nummer einer Person lediglich pseudonymisiert werden. Lohninger: "Es bleiben jedoch genügend Informationen wie Impftermin, Arbeitgeber und letzter Krankenstand, anhand derer so gut wie jeder Mensch in Österreich identifizierbar sein wird." Positiv zu bewerten sei aber die Einschränkung für den Fernzugriff auf Daten.

Frage: Gibt es weitere Kritik?

Antwort: Problematisch sei, dass die Mauern zwischen den Ministerien und der Statistik Austria immer mehr eingerissen würden, sagt Lohninger. Bald werde es wenig geben, was die Statistik Austria nicht weiß. Dem stimmt auch der Jurist Nikolaus Forgó zu. "Durch dieses Gesetz wird die Statistik Austria und ihre Kontrolle über Daten erheblich aufgewertet", sagt er. Er verweist darauf, dass es in der Vergangenheit Diskussionen zur Unabhängigkeit der Statistik Austria gegeben hat. So wird diese vom Ökonomen Tobias Thomas geleitet, der zuvor das Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria leitete – welches wiederum der Industriellenvereinigung nahesteht und von dieser finanziert wird. "Sinnvoller wäre es gewesen, diese Daten nur im Bedarfsfall eines Forschungsprojekts aus den Registern des Ministeriums abzufragen", findet Lohninger. (Muzayen Al-Youssef, 6.7.2021)