Herausforderer Babariko wurde vor der Wahl verhaftet.

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Minsk – Mehr als ein Jahr nach seiner Festnahme wurde der prominente Oppositionelle Viktor Babariko in Belarus (Weißrussland) in einem umstrittenen Prozess am Dienstag zu 14 Jahren Haft in einem Hochsicherheits-Straflager verurteilt. Der 57-Jährige galt vor der Präsidentenwahl als aussichtsreichster Gegner von Machthaber Alexander Lukaschenko, wurde jedoch verhaftet. Sein Prozess wurde international als politische Inszenierung kritisiert, um ihn mundtot zu machen. Er gilt als einer von mehr als 400 politischen Gefangenen.

"Ich kann kein Verbrechen eingestehen, das ich nicht verübt habe", sagte Babariko Ende Juni in seinem Schlusswort. Die Staatsanwaltschaft hatte im Prozess wegen angeblicher Geldwäsche, Bestechung und Steuerhinterziehung 15 Jahre Haft für ihn gefordert. Der frühere Bankier Babariko hatte die Vorwürfe zurückgewiesen; er habe weder den Mitarbeitern noch den Kunden der russischen Belgasprombank Schaden zugefügt, betonte er.

Kandidatur 2020

Babariko war am 18. Juni 2020 mit seinem Sohn Eduard auf dem Weg zur Zentralen Wahlkommission festgenommen worden, als er Unterschriften für seine Kandidatur übergeben wollte. Er hatte die Bank im Mai verlassen, um sich ganz dem politischen Kampf zu widmen. Lukaschenko hatte damals die Behörden offen dazu aufgerufen, gegen seinen Herausforderer vorzugehen. Babariko soll mit Kollegen der Bank laut Lukaschenkos Behörden eine kriminelle Vereinigung gebildet und sich bereichert haben. Mitangeklagte räumten in dem als Inszenierung kritisierten Prozess die angeblichen Taten ein.

Auch Babarikos Sohn sitzt weiter im Gefängnis – und seine Wahlkampfmanagerin Maria Kolesnikowa, die in Stuttgart lange als Kulturmanagerin tätig gewesen war. Babariko und Kolesnikowa wollten mit der neuen Partei Wmeste (Gemeinsam) einen proeuropäischen Kurs in Belarus einschlagen. Um eine Nachfolge für den seit mehr als einem Vierteljahrhundert regierenden Lukaschenko hatte sich auch der populäre Blogger Sergej Tichanowski beworben, der ebenfalls im Gefängnis sitzt.

Seine Frau Swetlana Tichanowskaja erklärte nach der Inhaftierung von Lukaschenkos Gegnern selbst ihre Kandidatur. Sie gewann die Wahl nach Überzeugung der Opposition, wurde allerdings dazu gezwungen, das Land zu verlassen. Babariko sei einer derjenigen gewesen, die "das Land im vergangenen Jahr aufgeweckt haben", so die Oppositionspolitikerin. "Er wollte Belarus als gerechtes, faires, offenes Land sehen. Das Regime rächt sich auf eine entsetzliche Weise an ihm".

Kritik aus Österreich

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) verurteilten das Urteil scharf. "Hier werden mit politisch motivierten Schauprozessen Oppositionspolitiker mundtot gemacht", so Kurz. "Damit will Lukaschenko nur eines: oppositionelle Stimmen mit erfundenen Vorwürfen zum Schweigen bringen. Wir fordern die sofortige und bedingungslose Freilassung aller politischer Gefangenen in Belarus."

"Solche Methoden erinnern an die dunkelsten Phase der Sowjetunion und haben im Europa des 21. Jahrhunderts keinen Platz," kritisierte Schallenberg. "Alle Oppositionspolitiker ins Exil zu drängen oder ins Gefängnis zu sperren, wird die fehlende Legitimität des Präsidenten nicht wiederherstellen."

Menschenrechtsverletzungen

Nach der Präsidentenwahl am 9. August kam es monatelang zu Massenprotesten gegen den als "letzten Diktator Europas" kritisierten Lukaschenko. Zehntausende Menschen wurden vorübergehend festgenommen, hunderte verletzt und mehrere getötet. Die EU erkennt Lukaschenko nicht mehr als Präsidenten an und hat wegen des brutalen Vorgehens gegen Andersdenkende zahlreiche Sanktionen gegen den Machtapparat verhängt.

Der international weitgehend isolierte Lukaschenko hält sich vor allem wegen der finanziellen und politischen Unterstützung durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin an der Macht. Russland sieht Belarus als seinen Bruderstaat und Einflussgebiet in der Konfrontation mit der EU und den USA.

Drohungen

Am Dienstag drohte Lukaschenko Europa mit dem massenhaften Durchlassen von Flüchtlingen aus Ländern wie Afghanistan, Syrien und dem Irak . Die Menschen seien aus Kriegsgebieten unterwegs in das "warme und bequeme Europa", und in Deutschland würden Arbeitskräfte gebraucht, sagte Lukaschenko in Minsk bei einer Regierungssitzung.

Zugleich kündigte Lukaschenko an, keinen Warentransit mehr über Belarus nach Russland und China zuzulassen. "Erinnert Ihr Euch an Skoda und Nivea und so weiter? Wir haben ihnen gesagt: Leute, danke und auf Wiedersehen!", sagte Lukaschenko vor Ministern. In einem ersten Schritt sei der belarussische Markt geschlossen worden. In einem zweiten Schritt werde nun der Warenverkehr durch das Land verboten.

Die EU hat wegen der Unterdrückung Andersdenkender in Belarus und als Reaktion auf die als gefälscht eingeschätzte Präsidentenwahl im vergangenen Jahr zahlreiche Sanktionen verhängt. Die Strafmaßnahmen der Europäischen Union und der USA setzen die Ex-Sowjetrepublik massiv unter Druck. (red, APA, 6.7.2021)