Hätte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Fristen setzen müssen, um die Abschiebung der vorbestraften Afghanen zu beschleunigen?

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Wien – Seit Tagen schieben sich Innenministerium und Justiz gegenseitig die Verantwortung zu, wer dafür verantwortlich sei, dass die drei bereits straffällig gewordenen, tatverdächtigen Afghanen im Fall der getöteten 13-jährigen Leonie noch in Österreich waren.

Gernot Maier, der Direktor des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), nahm am Montag im Interview mit der "ZiB 2" die Justiz in die Pflicht. Wenn nach einer erstinstanzlichen Entscheidung im Asylverfahren Beschwerde eingelegt werde, sei das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am Zug. "Dann ist das Bundesamt Passagier im Verfahren", betonte Maier. Von den vier Verdächtigen sind drei teils mehrfach vorbestraft, woraufhin ihnen das BFA ihre Aufenthaltstitel aberkannte und sie eigentlich abschieben wollte. Doch sie legten Beschwerde ein.

Das BVwG hatte zuvor erklärt, man wolle Verfahren nicht über die Medien führen. Die Verzögerung bestritt man aber nicht, mit dem Verweis auf einen Überhang an Verfahren und zu wenig Personal. Die rund 200 Richterinnen und Richter am BVwG fällen jährlich zwischen 25.000 und 27.000 Entscheidungen.

Fristsetzungsantrag "nicht sinnvoll"

Nach Ansicht der Justiz hätte das Bundesamt in diesen Fällen Fristsetzungsanträge beim BVwG einbringen können, die vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zu entscheiden sind. Leistet dieser dem Antrag Folge, so ist das BVwG verpflichtet, spätestens nach drei Monaten einen Spruch zu fällen.

Maier wiederum erklärte, ein Fristsetzungsantrag bedeute nur, dass das BVwG nicht mit dem Verfahren, sondern einer Verfahrensfrage beschäftigt werde. Ein solcher Antrag sei daher "nicht sinnvoll".

In der Kanzlei des schwerpunktmäßig mit Asylfällen beschäftigten Wiener Rechtsanwalts Christian Schmaus teilt man diese Einschätzung. Ob ein Fristsetzungsantrag zu einer rascheren Abschiebung nach Afghanistan – oder überhaupt zu einem Rücktransport in dieses Land – führe, sei zu bezweifeln, sagt dort die Juristin Lioba Kasper.

Schlechte Qualität der BFA-Bescheide

An dem Umstand nämlich, dass der BVwG unterbesetzt sei, ändere ein solcher Antrag nichts. Wegen der fortgesetzt schlechten Qualität der BFA-Entscheidungen werde das Gericht außerdem weiter mit Asylfällen überhäuft.

Zudem habe sich die bürgerkriegsähnliche Lage in Afghanistan in den vergangenen Monaten verschärft, was Rückführungen dorthin im Lichte der Europäischen Menschenrechtskonvention zunehmend erschwere. "Abschiebungen sind kein Mittel der Gewaltprävention", sagt Kasper. Tatsächlich wurden zuletzt vor allem junge und gesunde Menschen rückgeführt, denen laut Behörden eine innerstaatliche Fluchtalternative – also eine Übersiedlung in afghanische Regionen, die noch als sicher gelten – zugemutet werden kann.

Die grundsätzlichen Entscheidungsfristen für straffällige Asylwerber wurden im Jahr 2017 verkürzt. Das gilt sowohl für das BFA als erste sowie für das BVwG als zweite Instanz. Jedoch liegt die Justiz laut BFA-Chef Maier mit der Hälfte aller Verfahren über der Frist. (Stefanie Ruep, Irene Brickner 6.7.2021)