Schwedische Gardinen – klar, die kennt man auch bei uns. Doch schwedisches Zinn? Kaum. Denn nichts anderes bedeuten die Worte "Svenskt Tenn". Sie verraten etwas über die Anfänge des heute so bedeutenden wie beliebten Designunternehmens. 1924 von der schwedischen Textilkünstlerin Estrid Ericson mit dem Erbe des Vaters gegründet, verkaufte die Marke anfangs vor allem Gegenstände aus Zinn.

1933 verließ der jüdischstämmige Josef Frank mit seiner schwedischen Frau Anna Sebenius Wien.

Von Beginn an erfolgreich, bezog das Stockholmer Unternehmen bald eine neue Adresse am Strandvägen, einer Prachtstraße im Stadtteil Östermalm direkt am Wasser, wo es bis heute residiert. Zu den ebenerdigen Geschäftsräumen mit den hohen Bogenfenstern gehört ein Designstudio, ein Tearoom und ein aufwendig gestalteter Onlinestore. Wohnliche Salonatmosphäre liegt über den Räumen mit ihren gemütlich gepolsterten Ohrensesseln und Sofas, Kommoden, Schränken, Tischen und Sitzgruppen, die aus dem vorigen Jahrhundert stammen.

Vor allem aber stechen die plakativ-großflächigen floralen Muster ins Auge, die sich über Vorhänge, Sitzmöbel und Wandbespannungen ziehen. Sie stammen vom österreichischen Gestalter Josef Frank, der fast zeitlebens neben vielen Häusern und Objekten Stoffmuster entwarf – heute sind diese das Markenzeichen von Svenskt Tenn.

Ausgewandert

Josef Frank – geboren 1885 in Baden bei Wien, gestorben 1967 in Stockholm – verbrachte seine formenden Jahre in der Kaiserstadt, wo er den Wiener Werkbund mitbegründete, den Bau der Werkbundsiedlung leitete und zum führenden Designer aufstieg. 1933 verließ der jüdischstämmige Frank mit seiner schwedischen Frau Anna Sebenius wegen des aufkommenden Antisemitismus die Stadt, um sich in Stockholm niederzulassen. Estrid Ericson hatte zu diesem Zeitpunkt schon begonnen, Entwürfe von zeitgenössischen Architekten zu produzieren.

Kommode "Tribute to Frank" von Designer Alexander Lervi
Foto: Alexander Lervik

Frank hatte schon 1909 mit "Florens" ein erstes Stoffmuster entworfen. 1950 lieferte er mit "Himalaya" das letzte einer Serie von 170 Mustern. Zwischenzeitlich arbeitete er während seines Exils in Manhattan an neuen Ideen, dort entstanden einige seiner bedeutendsten Werke. Und obwohl er im Schatten von zwei Weltkriegen lebte und sich stets neu erfinden musste, schaffte es der Architekt, sich als Musterdesigner immer weiterzuentwickeln.

Kontrastreich, kunterbunt organisch geformt: 40 seiner Entwürfe bestehen als Klassiker fort, die meisten davon Blumendrucke, und obwohl inzwischen um die 80 Jahre alt, haben sie nie an Frische verloren. Bis heute begeistern sie in Schweden Generation für Generation. Vor einem üppig-niedrigen Sofa, das mit den kurvigen Linien einer Badewanne sowie einem Muster aus fröhlichen Blattranken in Buntstiftfarben beeindruckt, steht Thommy Bindefeld, Marketingdirektor von Svenskt Tenn.

"Rund 80 Prozent unserer Entwürfe stammen von Frank. Die heutige Aufgabe von Svenskt Tenn ist es, das Erbe von Frank und Ericson zu retten – nicht für ein Museum, sondern für das Leben, für den Shop. Eben weil es so alltagstaugliche Entwürfe sind." An den Frank’schen Entwürfen inspiriert sich auch die junge Generation schwedischer Designer, zum Beispiel das Stockholmer Designduo TAF, zu dem Gabriella Gustafson und Mattias Ståhlbom gehören.

Nachfolger

Das Erbe Franks spiegelt sich bis heute im Schaffen schwedischer Designer wieder. Mit seiner Kommode "Tribute to Frank" entwarf Alexander Lervik 2014 einen schmalen Hochschrank , in seinen Proportionen erinnert dieser klar an die Linienführung des österreichisch-schwedischen Designers. Auch Mathieu Gustafsson, der wie Lervik zu den Designern der Stunde zählt, setzt die typisch Frank’schen Silhouetten scheinbar mit seinem Sideboard "Air" für das Designhouse Stockholm fort.

Sofa in typisch ultrafloralem Frank-Stoffbezug
Foto: Svenskt Tenn

Danach befragt, antwortet Gustafsson: "Ja, vielleicht erinnert der Schrank mit seinen hohen Beinen an die Arbeit Franks, dieser war aber keine direkte Inspiration. Vielmehr ist dieser Schranktyp schwedisches Allgemeingut, das auch Frank interpretierte. Frank, den ich als Schweden sehe, hatte wirklich viele Facetten, er entwarf Häuser und kleine Dinge für den Alltag, und natürlich die Muster. Er ist einfach zeitlos. Sein Erbe hat die schwedische Kultur auf vielen Ebenen bereichert!"

In einer anderen Ecke des Verkaufsraums steht eine Hamburger Designjournalistin und studiert das Preisschild an einem Bugholzstuhl – das Modell namens "Chair P5" besticht mit klaren Linien in leuchtendem Kanariengelb. Es stammt aus der Feder Franks aus den späten 1920er-Jahren. 6400 Kronen kostet das Teil, etwa 610 Euro. "Schrank 881" von 1938 heißt zudem "Schrank mit 21 Schubladen" – obwohl er am Ende nur 19 zählt. 1952 wurde dieser in die Ausstellung des Nationalmuseums aufgenommen. Wer ihn bestellt, muss 150.000 Kronen berappen, 14.250 Euro also. Wer nicht so viel investieren will, nimmt lieber den Lampenschirm "2548 Lyra" für 1500 Kronen, also gut 140 Euro, mit nach Hause.

Der Stuhl "P 5" stammt aus der Feder Franks aus den späten 1920er-Jahren.
Foto: Svenskt Tenn

Die Designjournalistin aus Hamburg sinniert: "Da heißt es immer, schwedisches Design sei so demokratisch günstig. Dafür sind die Modelle hier aber wirklich teuer – und irgendwie sieht es nach Bullerbü aus. Oder sagen wir: toll, aber oll!" Das schwedische Königshaus dürfte die Preislage nicht sehr beeindrucken, denn seit 1928 gilt das Label als Hoflieferant.

Und wer sich genauer im Geschäft umschaut, erkennt schnell, dass die lebensfrohe Farbigkeit der Frank’schen Stoffmuster an das berühmte Farbschema des Künstlers Carl Larsson anknüpfen, der schon im Jahrhundert davor den als "typisch schwedisch" geltenden Wohnstil mit seiner Helligkeit, fröhlichen Buntheit und Funktionalität maßgeblich prägte. Das dürfte dem Gesinnungsschweden Frank gut gefallen haben. (Franziska Horn, RONDO, 11.7.2021)