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Impfreaktion, Nebenwirkung oder keines von beidem: Haben Vakzine gegen Sars-CoV-2 Einfluss auf die Monatsblutung?

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Bettina Steinbrugger ist Co-Gründerin der Erdbeerwoche, einer Plattform, die sich seit zehn Jahren der Aufklärung sowie intelligenten und nachhaltigen Lösungen rund um das Thema Menstruation widmet.

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Sie kommt zu spät, zu stark oder bleibt gänzlich aus: die Periode. Zurzeit berichtet eine Vielzahl von Frauen über Zyklusstörungen nach der Covid-Schutzimpfung. Auch Frauen in der Menopause sollen betroffen sein.

Einen möglichen Zusammenhang machte erstmals Kathryn Clancy, Professorin für Anthropologie an der University of Illinois, über Twitter publik. Clancy thematisierte die möglichen Veränderungen der Regelblutung nach der Impfung. Mittlerweile hat sich das, was als Tweet begonnen hat, zu einer Internetumfrage ausgeweitet – die wissenschaftlich ausgewertet werden soll.

Unbekannte Impfreaktion?

Befragt man Expertinnen und Experten, kommen diese überwiegend zu dem Schluss, dass eine Impfreaktion wie diese zwar möglich, aber längst nicht besorgniserregend ist. Denn der weibliche Zyklus kann – ausgelöst durch die unterschiedlichsten Faktoren – leicht mal aus dem Takt geraten.

Oft stehen solche Schwankungen in Zusammenhang mit Stress. Denn Stress hat Auswirkungen auf den Teil des Gehirns, der für die Produktion der Hormone verantwortlich ist. Die vermehrte Ausschüttung des Stresshormons Cortisol kann Schwankungen des Monatszyklus bewirken. Ein hormonelles Ungleichgewicht kann wiederum stark den Menstruationszyklus, das prämenstruelle Syndrom, die Blutungsstärke oder Beschwerden beeinflussen.

Während der Covid-Pandemie also eine durchaus plausible Begründung. Waren es doch überwiegend Frauen und Mütter, die einer konstanten Mehrfachbelastung durch Familie und Beruf ausgesetzt waren. Gynäkologinnen und Gynäkologen berichten jedenfalls über eine verstärkte Nachfrage zum Thema Zyklusunregelmäßigkeiten während der Pandemie in ihren Ordinationen, erzählt Bettina Steinbrugger, Mitbegründerin der Initiative Erdbeerwoche, die dazu laufend mit Medizinerinnen und Medizinern in Kontakt steht.

Die Erdbeerwoche ist das erste auf nachhaltige Periodenprodukte spezialisierte Unternehmen im deutschsprachigen Raum und setzt den Fokus auf Bewusstseinsbildung rund um das Thema Menstruation. Im Zuge der Pandemie wurde sie als zentrale Ansprechstelle rund um die Periode von vielen Menstruierenden aufgrund von Unregelmäßigkeiten oder Veränderungen ihres Menstruationszyklus kontaktiert.

Aufklärungsarbeit

Denn nicht alle Abweichungen lassen sich über eine vermehrte Stresshormonausschüttung erklären, ist Steinbrugger überzeugt. Die meisten Frauen sind besagtem Lockdown-Stress nämlich schon seit März 2020 ausgesetzt – nicht erst seit der Impfung. Offensichtlich wird das vor allem bei jenen Frauen, die bereits seit vielen Jahren über einen sehr regelmäßigen Zyklus verfügen – ähnlich einem Uhrwerk. Spontan auftretende Unregelmäßigkeiten sind da sehr unwahrscheinlich.

Steinbrugger spricht deshalb auch von einem massiven Unsicherheitsgefühl, das solche Impfreaktionen erzeugen, wenn sie nicht offen thematisiert werden. Denn während die einen von einem kurzfristigen Ausbleiben ihrer Periode nach dem ersten Stich berichten, warten andere auch drei Monate nach der Impfung noch auf ihre Monatsblutung. "Das verunsichert Frauen klarerweise. Deshalb braucht es auch Zahlen, Daten und Fakten durch Studien, ähnlich wie bei anderen Impfreaktionen oder Nebenwirkungen", sagt Steinbrugger.

Würden Auswirkungen auf den weiblichen Zyklus genauso umfassend erforscht und dokumentiert werden wie andere Impfreaktionen, könnte man vielen Frauen diese Unsicherheit nehmen – und letztlich vermutlich auch die Quote an Impfwilligen erhöhen.

Markante Veränderungen

Wissenschaftliche Untersuchungen zu spezifischen Auswirkungen der Corona-Impfung auf den weiblichen Körper wären deshalb auch besonders wichtig. Bisher ist die Studienlage allerdings dürftig. Überhaupt steckt die Gendermedizin, also jener Forschungszweig, der sich mit den biologischen Unterschieden von Frauen und Männern beschäftigt, in vielen Bereichen immer noch in den Kinderschuhen.

Aus der Forschung würden genderspezifische Aspekte häufig immer noch ausgeklammert, erklärt Steinbrugger. Wenn es um die Testung von neuen Medikamenten, aber auch um die Erforschung von Impfstoffen geht, werden geschlechtsspezifische Besonderheiten oftmals zu wenig berücksichtigt. Gerade in frühen Studienphasen würden Frauen oft zu wenig eingebunden, sagt sie. "Immer noch ist der Mann die Prämisse, das Maß aller Dinge. Dabei wissen wir, dass Frauen in biologischer Hinsicht anders sind als Männer und Substanzen auf den weiblichen Körper oft anders wirken."

Geschlechterunterschiede

Auch bei der Covid-Impfung lassen Studien geschlechtsspezifische Besonderheiten vermuten: So scheint es beispielsweise mehr Nebenwirkungen bei Frauen als bei Männern zu geben. In der Studie des Centers for Disease Control and Prevention in den USA werden als häufigste Nebenwirkungen von Frauen Müdigkeit, Kopfschmerzen und Schwindel angegeben. Einem Artikel der "New York Times" zufolge werden Gene und Hormone dafür verantwortlich gemacht, dass sich mehr Antikörper entwickeln – ähnlich wie bei Impfungen gegen Hepatitis A/B oder Mumps, was als mögliche biologische Ursache gelten könnte.

Wenngleich es an wissenschaftlichen Belegen für einen kausalen Zusammenhang zwischen der Corona-Impfung und Zyklus- oder Menstruationsbeschwerden mangelt, wurden in den letzten Monaten zumindest einige Initiativen gestartet, die sich dem Thema annehmen und Aufmerksamkeit schaffen – so wie jene von Kathryn Clancy aus Illinois.

Eine mögliche Erklärung liefert die englische Reproduktionsimmunologin Victoria Male vom Imperial College in London. Ihre Theorie basiert sowohl auf Berichten von Frauen nach der Menopause als auch von Betroffenen, die periodeunterdrückende Hormone zu sich nehmen. Male vermutet hinter den Zyklusschwankungen chemische Signale im Körper, die das Potenzial haben, Immunzellen zu beeinflussen. Diese Abwehrzellen wiederum befinden sich im gesamten Körper – so auch in der Gebärmutter. Dies könnte dazu führen, dass sich die Gebärmutterschleimhaut ablöst und Schmierblutungen oder eine verfrühte Periode einsetzt.

Unter Beobachtung

Auch die Erdbeerwoche hat eine kleine, nicht repräsentative Umfrage via Social Media durchgeführt, um sich ein Stimmungsbild aus der Community zu verschaffen. Das Ergebnis: 28 Prozent der Frauen gaben an, nach der Impfung Beschwerden gehabt zu haben.

"Das ist natürlich ein sehr hoher Wert – wahrscheinlich aber nicht repräsentativ, weil vermutlich hauptsächlich jene mitgemacht haben, die Veränderungen bemerkt haben", weiß Steinbrugger. Dennoch zeige es sehr schön, dass auf den ersten Blick untypische Impfreaktionen nicht pauschal ignoriert werden dürften. Denn das erzeuge bei Frauen lediglich Unsicherheiten, so Steinbrugger.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Deutschland untersucht und beurteilt Impfreaktionen, die laufend eingemeldet werden. Der aktuelle Sicherheitsbericht, der den Zeitraum von 27. Dezember 2020 bis 31. Mai 2021 umfasst, scheint jedenfalls keine besonderen Auffälligkeiten aufzuweisen. "Uns wurden – insbesondere nach Vaxzevria – auch klinisch relevante Blutungen gemeldet, darunter auch vereinzelt gestörte oder verstärkte Menstruationsblutungen. Das aber nicht in einem Ausmaß, dass man es zahlenmäßig einzeln ausweisen könnte", heißt es vom PEI kürzlich auf Anfrage der "Deutschen Apotheker Zeitung". Solange man keine entsprechenden Meldungen erhalte, könne man das also leider auch nicht beurteilen, heißt es.

Gestörter Zyklus

Auch eine durchlaufene Covid-Infektion kann Auswirkungen auf die Periode haben. Laut einer im Jänner veröffentlichten Studie des "Journal Reproductive BioMedicine Online" mit 233 Teilnehmerinnen gaben 28 Prozent der an Covid erkrankten Frauen an, dass sie Veränderungen in ihrem Menstruationszyklus festgestellt hätten. 25 Prozent verspürten zudem eine sogenannte "Menstruationsvolumenveränderung". 19 Prozent hatten einen längeren Zyklus als üblich.

Auch in diesem Fall kann Stress eine wesentliche Rolle gespielt haben. Ob es möglich ist, dass der Impfstoff gegen Covid-19 eine ähnliche Wirkung haben kann, ist nicht bekannt. Umso wichtiger wäre es deshalb, das Phänomen weiter empirisch zu beobachten. (Julia Palmai, 8.7.2021)