Der frühere FPÖ-Chef wurde am Dienstagnachmittag im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts mehrere Stunden von Richterin Claudia Moravec-Loidolt und Staatsanwältin Silvia Thaller befragt

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Beim Fotografieren "bitte nicht auf die Sessel steigen", ermahnt die Sprecherin des Landesgerichts Wien die Medienvertreter am Dienstagmorgen. Es ist wieder einmal viel los im Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts, der regelmäßig zum Schauplatz spektakulärer Korruptionsprozesse wird. Auch Richterin Claudia Moravec-Loidolt ist Aufregung gewöhnt: Sie verhandelte hier schon die Causa Immofinanz.

Am Dienstag saß sie nun dem ersten Korruptionsprozess vor, der aus den Nachwehen des Ibiza-Videos entstanden ist. Dessen Protagonist Heinz-Christian Strache nahm auf der Anklagebank Platz; neben ihm der Privatklinikbetreiber Walter Grubmüller. Ihnen wird Bestechlichkeit respektive Bestechung vorgeworfen.

Prikraf-Zugang enorm wichtig

Es geht um die lang begehrte Aufnahme von Grubmüllers Privatklinik Währing in den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf), die von Türkis-Blau unter deutlichem Engagement von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) umgesetzt wurde. Weil Grubmüller Strache auf Urlaube eingeladen und der FPÖ außerdem 10.000 Euro gespendet hat, ist für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) der Tatbestand der Bestechung erfüllt.

Der Zugang zum Prikraf sei von enormer wirtschaftlicher Bedeutung, erläuterte Oberstaatsanwältin Silvia Thaller. Die Betreiber der Privatklinik Währing hätten jahrelang versucht, in den Fonds aufgenommen zu werden, etwa durch Klagen und Beschwerden. Alles sei "vergeblich gewesen" – bis Strache kam, sagte die Oberstaatsanwältin.

Keine Bagatelle

Der habe sich intensiv eingesetzt, das sei durch viele Chats und Zeugenaussagen dokumentiert. So schrieb Strache vor den Regierungsverhandlungen an Grubmüller: "Welches Gesetz brauchst du?" Die Motivation für den einseitigen Einsatz sei an geldwerten Vorteilen für Strache, seine Frau und die FPÖ gelegen, sagte die Oberstaatsanwältin. Sie führte folgende Punkte an: die Spende von 10.000 Euro als Gegenleistung für einen Initiativantrag der damaligen Oppositionspartei FPÖ im Nationalrat und 2018 eine Reise nach Korfu für die Gesetzesnovelle 2018. Zudem habe Grubmüller dann noch eine Spende für die Europa-Wahl 2019 angeboten.

Auf das Urlaubsangebot im Jahr 2018 habe der damalige FPÖ-Chef laut WKStA "Nichts reden still und leise" geantwortet. Es sei unerheblich, ob die Reise tatsächlich stattgefunden habe, argumentierte die Oberstaatsanwältin – schon das Versprechen-Lassen sei strafbar. Es handle sich insgesamt um "keine Bagatelle", sondern um eine "schwere Straftat".

FPÖ-Spende aus Protest

Die Angeklagten bestreiten das, sie plädierten auf nicht schuldig. Helmut Grubmüller, der seinen Bruder in der Causa anwaltlich vertritt, meinte, dieser habe "nie eine Gesetzesänderung angestrebt". Die Parteispende sei erfolgt, um öffentlich seinen Ärger über die anderen Parteien zu zeigen.

Grubmüller habe Strache keine Vorteile gewährt und diesen lediglich auf Ungerechtigkeiten im System hingewiesen: "Mein Mandant hat keine Korruption zu verantworten, ganz im Gegenteil: Er ist das Opfer von Korruption."

Straches Verteidiger Johann Pauer brachte einen überraschenden Entlastungszeugen vor: nämlich Strache selbst im Ibiza-Video. Dort sagte dieser, dass stets alles legal zugehen müsse. Die einzige Frage, die hier wesentlich sei: "Ist er bestechlich? Nein, definitiv nicht", antwortet sich der Anwalt. Freilich zeichnen andere Passagen des Videos den Eindruck, dass Strache für krumme Deals offen war: Das führte auch zur Hausdurchsuchung in der Causa Casinos und zu den damals sichergestellten Chats zum jetzigen Prozess.

Der Korfu-Urlaub und die Terminfrage

Pauer beteuerte nun, dass Strache den Flug selbst bezahlt habe, der habe auch nicht 2018, sondern 2016 stattgefunden. Es habe kein Amtsgeschäft gegeben und keinen Vorteil, habe er der WKStA gleich gesagt – als die Anklage kam, sei er entsprechend überrascht gewesen. Noch mehr habe ihn überrascht, dass auch im Strafantrag wieder vom Flug 2018 die Rede sei. Pauer zeigte Chats auf einer Folie, laut denen Strache auf ein Angebot Grubmüllers, "Kostet nichts", festhielt: "Das geht nicht. Gute Rechnung, gute Freundschaft."

Der damalige FPÖ-Chef habe sich "aus Überzeugung" gegen Missstände eingesetzt. Ein Initiativantrag sei ein Zeichen, aber als Oppositionspartei könne man so kein Gesetz auslösen.

In seiner Befragung durch die Richterin entlastete Grubmüller Strache. Dieser habe immer "Compliance" im Hinterkopf gehabt. Strache sagte aus, ihm sei es "ums Prinzip" gegangen. Die Situation rund um den Prikraf habe auf ihn so gewirkt, als könnte der Lebensmitteldiskonter Hofer entscheiden, ob irgendwo ein Spar aufsperren dürfe. Das wollte Strache thematisieren.

Am Mittwoch kommen Zeugen

Grubmüller habe ihm seine Spende nicht angekündigt, sagte Strache vor Gericht. Zwischen Initiativantrag im Nationalrat und Spende gebe es keinen Zusammenhang; ohnehin habe sich Strache nie in die Materie vertieft, vielmehr sei das von seinen Experten im Klub erledigt worden. Auch diese sollen im Prozess gehört werden. Für Mittwoch sind Julian H., Manager der Premiquamed, die mehrere Privatkliniken betreibt, und Matthias Krenn von den Freiheitlichen Wirtschaftstreibenden geladen. Auch eine FPÖ-Buchhalterin soll am Mittwoch aussagen. (Fabian Schmid, Theo Anders, Renate Graber, 6.7.2021)