Potenzprobleme sind für viele Betroffene ein heikles Thema: Der Weg zum Arzt wird oft als peinlich empfunden. Abhilfe versprechen Erektionsmittel, die über das Internet erhältlich sind. Noch dazu werden diese häufig als Naturprodukte beworben, die ausschließlich pflanzliche Inhaltsstoffe beinhalten.

Doch dahinter verbirgt sich nicht selten eine Mogelpackung, wie das Austrian Drug Screening Institute (ADSI) in Laborstudien herausgefunden hat. Die Tochter der Universität Innsbruck hat in vielen untersuchten Proben pflanzlicher Potenzmittel verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Behandlung erektiler Dysfunktion gefunden.

Einige pflanzenbasierte Potenzmittel sind chemisch verunreinigt und enthalten hochwirksame synthetische Stoffe in verschreibungspflichtigen Mengen.

Das Institut ist auf die chemische Analyse pflanzlicher Stoffe spezialisiert, die in Kosmetik, Pharmazie und Nahrungsmittelindustrie zum Einsatz kommen. "Wir untersuchen für die Industrie unter anderem Gewürze auf Verunreinigungen", sagt ADSI-Gründer Günther Bonn, der auch das Institut für Analytische Chemie der Universität Innsbruck leitet. "So kamen wir auf die Idee, auch andere Produkte zu screenen, bei denen man auf Verunreinigungen aufpassen muss, darunter eben Erektionsmittel."

Potenzielle Nebenwirkung

Wenn Chemiker von "Verunreinigung" sprechen, meinen sie damit nicht Schmutz, sondern das Vorliegen anderer Substanzen, die eigentlich nicht vorhanden sein sollten. Im Falle der natürlichen Potenzmittel sind dies Stoffe wie Sildenafil, besser bekannt unter dem Markennamen Viagra, aber auch Derivate davon. Dabei handelt es sich um sogenannte PDE-5-Hemmer. Das Enzym PDE-5, Phosphodiesterase, ist ein molekularer Gegenspieler des Botenstoffs cGMP (cyclisches Guanosinmonophosphat), der für eine ausreichende Blutzufuhr in den Penis verantwortlich ist. Bei zu hoher PDE-5-Konzentration ist der Blutfluss gestört, und es kommt zu keiner für penetrativen Sex ausreichenden Erektion.

Nun sind Mittel wie Viagra nicht verboten und für gesunde Menschen normalerweise auch nicht gefährlich. Es sind aber Medikamente mit potenziellen Nebenwirkungen, die ausschließlich von Ärzten verschrieben werden und nur in Apotheken verkauft werden dürfen. Wer beispielsweise an bestimmten Herz-Kreislauf-Erkrankungen leidet, sollte von Viagra Abstand nehmen. "Diese Mittel zuzusetzen ist illegal und reine Geschäftemacherei", kritisiert Bonn.

Da die Präparate über das Internet vertrieben werden, umgehen ihre Hersteller das eigentlich nötige Zulassungsverfahren. "Die Menschen werden im falschen Glauben gelassen, etwas rein Natürliches zu kaufen", sagt Bonn. Grundsätzlich sind Pflanzen bekannt, die zur Potenz beitragen dürften. Häufig werden Ginseng, Ginkgo, Yohimbe, Maca oder Muira Puama genannt. Studien, die wissenschaftlichen Standards genügen, gibt es dazu jedoch so gut wie nicht.

Bekannt ist, dass reine Pflanzenmittel eine längere, kontinuierliche Einnahme von mehreren Monaten erfordern, ehe sie wirksam werden. Mittel wie Viagra wirken dagegen bereits nach 30 bis 60 Minuten. Daraus folgt: Was ähnlich schnell wirkt, kann nicht rein pflanzlich sein.

Unerwünschtes Blei

Für ihre Untersuchung haben die Innsbrucker Forscher Präparate aus dem Internet bestellt und im Labor auf das Vorliegen von pharmazeutisch produzierten PDE-5-Hemmern untersucht. Zur Trennung der gesuchten Inhaltstoffe setzten sie eine Form der Flüssigkeitschromatografie ein.

Dabei wird die aufbereitete Probe unter hohem Druck durch ein Rohr gepresst, in dem sich Partikel befinden, die gezielt die gesuchten Stoffe abbremsen. Diese wandern somit verzögert weiter und werden in der Folge nacheinander von einem Detektor erkannt. In ihren Studien nutzten die Analytiker des ADSI die Massenspektrometrie. Sie hat den Vorteil, dass nicht nur die Art des Moleküls erkannt wird, sondern auch die in der Probe vorhandene Menge.

Dabei zeigte sich, dass in einigen der vorgeblich rein pflanzlichen Potenzmittel der Viagra-Wirkstoff in so hoher Dosis vorhanden war, wie sie im Allgemeinen von Ärzten verschrieben wird. Bonn weist auf ein weiteres Problem hin: "Man kennt die Qualität des enthaltenen Viagra nicht. Diese Additive werden oft in Indien hergestellt und haben in Österreich oder Deutschland keine Zulassung. In manchen Studien wurde schon Blei darin gefunden." Von erektiler Dysfunktion betroffenen Menschen rät Bonn, zum Arzt zu gehen: "Die Scheu vor dem Arztbesuch nützt nur den Kriminellen." (Raimund Lang, 11.7.2021)