Vize Werner Kogler und Kanzler Sebastian Kurz nach einem Ministerrat im April 2021. Mittwoch wollen sie eine neue Digitaltransformationsförderung auf den Weg bringen.

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Wien – Am Mittwoch beschloss der Ministerrat die geplante neue Digitaltransformationsförderung für Medien, der Nationalrat soll sie noch vor der Sommerpause behandeln und im Herbst beschließen. Diese Digitalförderung wird nun regulär 20 Millionen Euro statt der bisher geplanten 15 Millionen pro Jahr umfassen.

54 Millionen 2022

Laut Bundeskanzleramt sind weitere 19 Millionen Euro für die Digitalförderung von 2020 zweckgewidmet und sollen ebenfalls heuer an Medien ausgeschüttet werden, wenn das Gesetz schnell genug kommt. Für heuer sind damit 34 Millionen Euro Digitalförderung vorgesehen. Wenn sich die Ausschüttung heuer nicht ausgeht, würden 2022 insgesamt 54 Millionen ausgeschüttet. Update: Davon geht Gerald Fleischmann, Medienbeauftragter des Kanzlers, Mittwoch in einer Aussendung zur Digitalförderung aus, wo er von "dem im ersten Jahr der Auszahlung mit 54 Millionen Euro bisher größten Medien-Förderpaket" spricht.

Digitalisierungsförderung für bestehende Medien

Die Förderung wurde im Entwurf erklärt als Digitalisierungsförderung für bestehende Medien und Medienhäuser für den Einstieg in oder den Ausbau von digitalen Aktivitäten. Der Entwurf ging Anfang des Jahres in Begutachtung, nicht aber die Richtlinien der Förderstelle RTR. Sie soll die Förderkriterien wesentlich bestimmen. Erste Reaktionen und Stellungnahmen zum Entwurf forderten die Vorlage auch der geplanten Förderkriterien, andernfalls könnten die Abgeordneten nicht abschätzen, was sie da konkret beschließen.

Update: Bis zu einem Drittel "Anreizförderung" für Tages- und Wochenzeitungen

Die neue Digitalförderung sollte nach dem Begutachtungsentwurf zu einem Drittel für Tages- und Wochenzeitungen reserviert werden, das wären bei nun 20 Millionen statt der bisher geplanten 15 Millionen pro Jahr rund sieben Millionen Euro. Sie wurde laut einem dem STANDARD vorliegenden früheren Richtlinienentwurf der RTR zu 50 Prozent nach Auflage und Reichweite des Printtitels bemessen, zu 40 Prozent nach den Einnahmen mit Digitalabos und -verkäufen sowie zu zehn Prozent nach dem journalistischen Personalstand.

Aus dieser "Basisförderung" wurde nun – auf Wunsch der EU-Kommission – eine "Anreizförderung", die nach bestimmten Abrechnungsregeln für Projekte im Voraus ausbezahlt werden kann. Sie bleiben beschränkt auf Tages- und Wochenzeitungen, Monatszeitungen können dieses Anreizförderung laut aktuellem Gesetzesentwurf nicht beanspruchen.

Zwei Drittel werden laut dem ersten Entwurf für digitale Transformationsprojekte vergeben – etwa Abogewinnung, Redaktionssysteme, Workflows, Ausbildung; zudem für barrierefreie Zugänge und Jugendschutz (vor allem bei Privatsendern).

In ersten Reaktionen auf den Entwurf gegenüber dem STANDARD begrüßte etwa der Zeitungsverband VÖZ die geplante Digitalförderung. Grundsätzlich taten das auch Medienwissenschafter sowie der Presseclub Concordia. Sie kritisierten zugleich wie etwa auch Rechtsexperten, dass rein digitale Medien, Gründungen und Innovationen unabhängig von bestehenden Medienunternehmen nicht gefördert würden.

EU prüft neue Förderung

Die EU-Kommission muss eine solche neue nationale Förderung vor dem Beschluss prüfen und für vereinbar mit den EU-Wettbewerbsregeln erklären*. Eine Vorprüfung im Frühjahr brachte nach unbestätigten STANDARD-Informationen Nachfragen aus Brüssel etwa zu den Förderungen für Jugendschutz und Barrierefreiheit für Privatsender.

Der Entwurf im Ministerrat deutet darauf hin, dass das für Medien zuständige Kanzleramt die Nachfragen aus Brüssel als beantwort- und lösbar erachtet. Die offizielle Notifzierung dürfte nun parallel zur parlamentarischen Behandlung weiterlaufen.

Digitalsteuer und Medienfonds

Die Digitaltransformationsförderung wird mit Einnahmen aus der Anfang 2020 eingeführten Digitalsteuer dotiert. 2020 kamen mit dieser österreichischen Steuer auf Werbung bei internationalen Digitalkonzernen aus Österreich an die 57 Millionen Euro herein.

Die Regierung plant zudem für 2022/23 einen sogenannten Medienfonds, gespeist aus Abgaben für internationale Streamingplattformen, wenn sie Mindestanteile von nationalen/europäischen Produktionen nicht einhalten.

Bisher gibt es Bundesmittel für Medien in Österreich im Wesentlichen über:

  • die GIS-Gebühren für den ORF (rund 650 Millionen Euro pro Jahr),
  • die Privatrundfunkförderung (regulär 20 Millionen Euro für kommerzielle und drei für nichtkommerzielle Sender),
  • den Fernsehfonds (TV-Produktionen, 13,5 Millionen),
  • die Presseförderung (regulär 8,8 Millionen Euro),
  • die Publizistikförderung (rund 250.000 Euro),
  • reduzierte Mehrwertsteuer auf Zeitungsverkäufe (zehn statt 20 Prozent)
  • und öffentliche Werbebuchungen (170 bis 200 Millionen Euro pro Jahr).

Eine Studie des Medienhauses Wien über die Werbebuchungen der Regierung sowie deren Corona-Sonderförderungen für Printmedien und Privatsender kritisierte Ende voriger Woche den Schwerpunkt dieser Vergaben auf die drei Boulevardtitel "Österreich/Oe24", "Heute" und "Kronen Zeitung".

  • Updates: Blimlinger, Fleischmann, Melchior, Zeitungsverband, Neos, SPÖ zur neuen Digitalförderung

"Echte Qualitätskriterien"

Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger verweist auf das "umfangreiche Medienförderungsvorhaben, das erstmals in der Geschichte echte Qualitätskriterien in der bundesweiten Förderpolitik verankert". Die "grüne Handschrift" sei hier "unverkennbar", sie hofft damit auf einen "echten Paradigmenwechsel" . Mit dem Gesetz zur Digitaltransformationsförderung würden journalistische Arbeitsplätze gefördert und gesichert, eine Forderung aus Wissenschaft und Praxis.

Wesentliche Punkte in der Digitalförderung aus ihrer Sicht zudem: Ein Fachbeirat aus Expertinnen und Experten aus Medienrecht und Publizistik berate bei der Vergabe der Mittel; nichtkommerzielle Rundfunkveranstalter würden gefördert, Volksgruppenzeitungen, Wochen- und Monatszeitungen sowie digital-journalistische Ausbildung. Sie sieht das Gesetz als "klares Bekenntnis zu hohen journalistischen und ethischen Standards im Medienbetrieb".

"Bisher größtes Medien-Förderpaket"

Gerald Fleischmann, Kanzlerbeauftragter für Medien, verweist auf die voraussichtlich 2022 im Paket ausgezahlten 54 Millionen Euro als "bisher größtes Medien-Förderpaket". Es sichere "Vielfalt und Eigenständigkeit des österreichischen Medienstandorts im digitalen Raum". Die Republik fördere heimische Rundfunk- und Printmedien. "Damit leisten wir unseren Beitrag zur Absicherung der heimischen Medien im stetig steigenden Wettbewerb mit großen Internetplattformen und digitalen Medienriesen."

Für ÖVP-Generalsekretär und -Mediensprecher Axel Melchior hat die Corona-Krise "vor Augen geführt, wie wichtig eine pluralistische, eine qualitativ hochwertige sowie eine dem schnellen Informationsfluss dienende Medienlandschaft für uns als Gesellschaft ist". Er spricht von einer "in die Zukunft gerichteten und damit nachhaltigen Förderung von Rundfunk- und Printmedien". Der Medienstandort würde damit "im internationalen Wettbewerb massiv gestärkt".

Zeitungsverband begrüßt Digitalförderung

Die Digitalförderung mache "österreichische Medienunternehmen verlegerischer Herkunft nachhaltig konkurrenzfähig gegenüber internationalen Online-Giganten", lässt Markus Mair, Präsident des Zeitungsverbandes VÖZ, verlauten: "Für ein demokratisches Land wie Österreich wird unabhängiger Journalismus, gerade in der digitalen Medienbranche, immer essenzieller." Die höhere Dotierung freut naturgemäß.

Gerald Grünberger, Geschäftsführer des VÖZ, hofft nun, dass "weitere Instrumente zur Diversifizierung des Erlösmixes" wie etwa "die lückenlose Umsetzung der Urheberrechtsnovelle, dringend folgen".

"Erschwert mediale Neueintritte"

Kritik am Entwurf übte Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter, da die Förderung nur bestehenden Medien zu gute komme und damit "die momentanen Marktverhältnisse" stabilisiere. "Das ist völlig absurd und erschwert mediale Neueintritte in den Markt." Positiv bewertete sie hingegen die Einführung von Qualitätskriterien, obwohl diese "nicht weit genug gehen".

"Zuviel Spielraum bei Förderkriterien"

SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried begrüßt die Intention des Regierungsentwurfs, die heimischen Medien bei der digitalen Transformation zu unterstützen. Positiv sei auch die Aufstockung der Fördermittel. "Allerdings gebe es eine Reihe massiver Schwächen: Reine Digitalmedien würden nicht gefördrt, qualitative Kriterien wären auszubauen. Außerdem habe die RTR "zu viel Spielraum bei den Förderkriterien".

(fid, 7.7.2021)