Wien – Eine Wand im Büro des ORF-Generaldirektors schmücken mehrere Reihen Bilder von Alexander Wrabetz' Treffen mit Päpsten, Politikern und anderen prominenten Persönlichkeiten. Diese Woche, kolportiert: Mittwoch könnte ein solches Bild mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dazukommen und eines mit FPÖ-Chef Herbert Kickl (der Termin ist inzwischen bestätigt). Der Anlass und möglicherweise auch die Schlüsse aus den Treffen drängen sich aber eher nicht für diese Erinnerungsfotoleisten auf.

Fünf Wochen bis zur Generalswahl

Fünf Wochen vor der Bestellung des ORF-Generaldirektors oder der Generaldirektorin ab 2022 für fünf Jahre im ORF-Stiftungsrat geht es für Bewerber wie Alexander Wrabetz und solche, die das noch werden könnten, nur um eines – wie schon in vielen Wochen davor: die Generalswahl am 10. August und die Chancen auf Bestellung.

Die 35 Stiftungsräte des ORF entscheiden laut Gesetz unabhängig und weisungsfrei und eigenverantwortlich, nur dem Wohl des Unternehmens verpflichtet, mit einfacher Mehrheit über die nächste ORF-Führung. Diese Mehrheit liegt bei ÖVP-nahen Räten, erstmals allein seit vielen Jahrzehnten. Eine in diesen Tagen vielzitierte "breite Mehrheit" würde neben Koalitionspartner Grüne möglichst noch andere Fraktionen umfassen – oder zumindest Teile davon.

Türkise Skepsis

Vorige Woche traf sich der bürgerliche Freundeskreis – so nennen sich Fraktionen im Stiftungsrat – zu einer ersten Vorbesprechung. Der mögliche Generalsbewerber Roland Weißmann war wie berichtet dabei, und auch der Medienbeauftragte des Kanzlers, Gerald Fleischmann. Sitzungsteilnehmer berichteten, der türkise Freundeskreis habe sich personell (noch) nicht für die Generalswahl festgelegt; er tagt neuerlich am 19. Juli. Kolportiert wird laut einer Quelle inzwischen aber, der Freundeskreis habe sich jedoch verständigt, Wrabetz könne nicht mit türkisen Stimmen rechnen.

Wrabetz hat schon zwei Wiederwahlen gegen Parteifreund und -feind geschafft, aber noch nie gegen eine alleinige bürgerliche Mehrheit. Er bemüht sich sichtlich um das Lager – präsentiert Dokuprojekt um Dokuprojekt mit dem Innenminister oder Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.

Eine Bilderwand im Generalsbüro dokumentiert Alexander Wrabetz' Treffen mit prominenten Menschen.
Foto: APA / Johannes Bruckenberger

"Pflöcke für die Zukunft" mit den Ländern

Im Interview mit dem Ö1-Medienmagazin "#Doublecheck" sagte Wrabetz vorige Woche zu seinen regen Kontakten zu den Landeshauptleuten, deren Bundesländer ja neun der 35 Stiftungsräte stellen: "Die Landeshauptleute wissen, dass es eine sehr gute Zusammenarbeit gegeben hat und dass ich da auch die Pflöcke für die Zukunft einschlagen will – die ja sozusagen noch offen ist." Absprachen gibt es keine? Wrabetz weicht aus, verweist auf das gesetzliche Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung der Landesdirektoren und -direktorinnen. Und dass er sich dabei als derjenige empfehle, der regionale Berichterstattung ermögliche und nicht nur verspreche.

Auf Ö1 kündigte Wrabetz zwei neue Führungsfunktionen an, die "vorzugsweise Frauen" übernehmen sollten – für "den kulturellen Wandel" des ORF und für den "Digital Change". Das klingt nach Signalen an die Grünen, die Neos, vielleicht auch die FPÖ, Grünen-Stiftungsrat Lothar Lockl verlangte zuletzt nachdrücklich mehr Frauen in der nächsten ORF-Führung, vor allem in den Ländern. Wenn sich das mit den Wünschen der Landeshauptleute nicht ausgeht, kreiert Wrabetz neue Führungsfunktionen. Anita Malli (Humanitarian Broadcasting) wird auf dem Küniglberg als mögliche Kandidatin gehandelt.

HR-Chefin Kathrin Zierhut, unter ÖVP-FPÖ als ORF-Personalchefin installiert, wird als ORF-Direktoriumswunsch aus dem blauen Lager gehandelt. Ihr Job als Human-Resources-Chefin allerdings ist gerade in den nächsten Jahren eine Schlüsselfunktion – wenn hunderte ORF-Jobs mit Nachwuchskräften nachbesetzt werden.

Vier blaue Stimmen

Vier Stimmen hat die FPÖ im Stiftungsrat noch bis Frühjahr 2022, wenn die ORF-Gremien neu bestellt werden. Die vier der FPÖ zugerechneten Räte – Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger sowie Corina Heinreichsberger, Barbara Nepp und Georg Watschinger aus dem ORF-Publikumsrat – sollen nicht unbedingt einer Meinung zur Generalswahl sein. Stiftungsratschef Steger klang zuletzt im Gespräch mit dem STANDARD nicht begeistert von "more of the same" im ORF. Steger am 9. Juni: "Es geht um eine Zukunftsentscheidung. Da höre ich zu wenig. Was nicht ständig verbessert wird, geht unter."

Der blaue Freundeskreis traf sich nach unbestätigten STANDARD-Infos am Dienstag zu einem Austausch über die Generalswahl. Mediensprecher Christian Hafenecker war infektionsbedingt verhindert, laut einer Quelle war Parteichef Herbert Kickl bei diesem Treffen.

Kickl und Kurz

Mittwoch soll Kickl Besuch von ORF-Chef Alexander Wrabetz bekommen. Update: Auf Anfrage hieß es Mittwoch bei der FPÖ: "Es handelt sich um einen Antrittsbesuch des ORF-Generaldirektors bei Klubobmann Herbert Kickl als neuem FPÖ-Parteiobmann."

Der FPÖ-Chef könnte Wrabetz etwa nach dem blauen Lieblingsangriffspunkt GIS-Gebühren fragen – nach der Generalswahl steht im Herbst ein Antrag auf Erhöhung an. Oder nach seiner Ambition auf, auch ein blaues Lieblingsthema, Reformen im ORF oder auf ORF-Gehälter und -Pensionsregelungen.

Kickl könnte sich auf seinem politischen Konfrontationskurs gegen Kanzler Kurz eher schwer tun, wenn seine Stiftungsräte im ORF mit der Kanzlerpartei stimmen. Aber die sind ja laut Gesetz unabhängig und weisungsfrei.

Ausgeschert

Doch es wäre nicht das erste Mal, dass ein blauer Rat ausschert: 2011 stimmte Norbert Steger gegen den Willen des damaligen Parteichefs Heinz-Christian Strache für Alexander Wrabetz' erste Wiederwahl. Die FPÖ-Führung kündigte damals wutentbrannt Stegers Abberufung aus dem Stiftungsrat an – das geht aber nur, wenn das entsendende Gremium (etwa nach Nationalratswahlen) neu zusammengesetzt ist oder nach Ende der vierjährigen Funktionsperiode. 2016 stimmte Steger mit der ÖVP für Wrabetz' bürgerlichen Gegenkandidaten Richard Grasl.

Mit dem Chef der spielentscheidenden ÖVP soll sich Wrabetz laut zwei Quellen, aber ebenfalls unbestätigt, ebenfalls am Mittwoch treffen.

Noch knapp fünf Wochen sind es bis zur Generalswahl. (Harald Fidler, 7.7.2021)