Das spanische Gleichstellungsministerium unter Irene Montero wird Frauen künftig einen weitergehenden Schutz vor sexuellen Übergriffen zuteilwerden lassen als bisher. Das neue "Gesetz der Garantie der sexuellen Freiheit" stellt die Zustimmung zu einer sexuellen Handlung in den Mittelpunkt. Schweigen ist keine Zustimmung, wenn es darum geht, zu beurteilen, ob eine Handlung strafrechtlich verfolgt wird – oder nicht.

Proteste zum Thema Gewalt gegen Frauen stehen in Spanien auf der Tagesordnung.
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Das Gesetz, das im Volksmund "Nur-Ja-ist-Ja-Gesetz" heißt, wurde am Dienstag auf der Kabinettssitzung der Koalitionsregierung aus Sozialisten und Linksalternativen verabschiedet. Gleichstellungsministerin Montero, sie ist Nummer zwei bei Unidas Podemos, arbeitete über 16 Monate daran. Jetzt muss das Gesetz noch durchs Parlament.

Mit dem Paragrafenwerk reagiert die spanische Regierung unter anderem auf ein Verbrechen vor genau fünf Jahren: Im Juli 2016 zerrte eine Gruppe von fünf jungen Männern auf dem San-Fermin-Fest in Pamplona eine junge Frau in einen Hauseingang. Sie vergewaltigten sie mehrfach und filmten das Ganze auch noch. Da sich das Opfer nicht wehrte, sahen die Richter nur Missbrauch und keine Vergewaltigung. Die Folge waren Massenproteste.

Den Unterschied zwischen Missbrauch und Vergewaltigung wird es künftig juristisch nicht mehr geben. Sexuelle Übergriffe sind fortan Vergewaltigung – egal ob das Opfer aus Angst geschehen lässt oder sich wehrt. Auf Vergewaltigung und sexuelle Gewalt stehen dann bis zu 15 Jahre Haft.

Oberstes Prinzip: Einvernehmlichkeit

"Es wird nur davon ausgegangen, dass eine Einwilligung vorliegt, wenn sie frei durch Handlungen bekundet wurde, die in Anbetracht der Umstände des Falles den Willen der Person eindeutig zum Ausdruck bringen", heißt es im Gesetzentwurf. Das Gesetz stützt sich mit dieser Definition auf das "Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt" aus dem Jahr 2011.

Außerdem verfolgt "Nur-Ja-ist-Ja" "jedwede Handlung sexueller Natur, die nicht einvernehmlich stattfindet" – darunter fallen unter anderem die Zuhälterei, die Belästigung von Frauen auf der Straße, Genitalverstümmelung, sexuelle Belästigung online, wie etwa die Veröffentlichung von kompromittierenden Fotos, Erpressung und nicht einvernehmliche Pornografie. Das Strafgesetzbuch wird entsprechend angepasst werden.

Irene Montero propagierte das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Frauen in der spanischen Gesellschaft.
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Das Gesetz sieht ebenfalls prozessbegleitende Maßnahmen für die Opfer vor. Unter anderem soll es künftig möglich sein, den Blickkontakt mit dem mutmaßlichen Angreifer zu vermeiden oder in speziell abgetrennten Räumen auszusagen. Außerdem sollen 24-Stunden-Krisenzentren für die Opfer sowie Unterkünfte für ihre Kinder und für Minderjährige eingerichtet werden.

Das Gleichstellungsministerium sieht im neuen spanischen Gesetz einen "internationalen Bezugspunkt". Das Gesetz ist bereits das zweite zum Thema Gewalt gegen Frauen. Seit 2004 gibt es ein Gesetz gegen Gewalt durch Partner oder Ex-Partner. Spanien war damals einer der internationalen Vorreiter – und ist es jetzt wieder. (Reiner Wandler, 7.7.2021)