Die Pandemie führte zu großteils leeren Klassenzimmern. Vor allem Neueintritte in Lehre und Schule sind im vergangenen Jahr gesunken.

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Wien – Die Schülerinnen und Schüler im Osten Österreichs haben es bereits geschafft, die restlichen Bundesländer ziehen in ein paar Tagen nach: Das lange Corona-Schuljahr voller Lockdowns geht zu Ende. Die Auswirkungen der pandemiebedingten Einschränkungen dürften aber bleiben. Davor warnen Bildungsexperten seit geraumer Zeit. Eine neue Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) beschreibt nun massive Kompetenzverluste und mehr Schulabbrecher als Langzeitfolgen der (Teil-)Lockdowns.

Insgesamt seien die ohnehin großen sozialen Unterschiede noch einmal deutlich angewachsen, erklärt Studienleiter Mario Steiner. Rund 4.000 Lehrerinnen und Lehrern hätten in repräsentativen Befragungen während des ersten und zweiten Lockdowns vor allem bei benachteiligten Schülern massive Kompetenzverluste befürchtet. Tagesstruktur, fehlende Motivation und Ablenkung seien grundlegende Probleme beim Distance-Learning gewesen. Der Anteil jener Schüler, die kaum oder nicht erreichbar waren, war bei der Gruppe Benachteiligter dreimal so hoch wie bei der Gesamtzahl aller Schüler. Die Kategorisierung als "benachteiligt" basiert in der Studie auf der Einschätzung der jeweiligen Lehrer bezüglich Unterstützung durch die Eltern, technischer Ausstattung und privater Wohnverhältnisse.

Rund 3.800 "unversorgte" Jugendliche

Es deuten sich zudem bereits längerfristige Auswirkungen auf Bildungslaufbahnen an, meint der IHS-Bildungsexperte. Vorläufige Daten für das Schuljahr 2020/2021 würden belegen, dass die Schuleintritte in die Sekundarstufe II, also die AHS-Oberstufe sowie BHS und BMS, gesunken sind. Auch die Zahl der Lehrlinge im ersten Lehrjahr ist zurückgegangen. Betroffen sind davon verstärkt Burschen. Das IHS rechnet mit rund 3.800 "unversorgten" Jugendlichen, die entweder keine Lehrstelle bekommen haben oder Probleme beim Übertritt in die Oberstufe hatten. AMS-Maßnahmen oder die überbetriebliche Lehre würden zwar einen Teil dieser Jugendlichen auffangen, bei vielen bestehe aber die Gefahr eines frühen Bildungsabbruchs, erklärt Steiner.

Insgesamt sei die Zahl der Schülerinnen und Schüler jedoch nicht gesunken, sondern abhängig von der Schulform sogar gestiegen. Das liege daran, dass die sonst üblichen Schulaustritte in höheren Schulstufen in einem geringeren Ausmaß stattgefunden hätten, erklärt Steiner. Die Pandemie und die Lockdowns hätten somit für ältere Schülerinnen und Schüler sogar eine gewisse Haltewirkung gehabt. Die Gründe dafür seien allerdings nicht bekannt.

Schulschließungen als Ultima Ratio

Brechen mehr Jugendliche ihre Bildungslaufbahn ab, habe das schwerwiegende volkswirtschaftliche Folgen, meint der Experte weiter. Denn ein früher Bildungsabbruch beeinträchtigt Karrierechancen und Einkommen der Betroffenen – auch wenn diese Schäden nicht so sichtbar seien wie jene der pandemiegeplagten Wirtschaft. "Es dauert nur länger, bis man sie sieht", sagt Steiner. Der Experte empfiehlt daher mehr Unterstützungsangebote für benachteiligte Kinder sowie eine Integrationsstrategie für den Übertritt in die Sekundarstufe II. Schulschließungen sollten für die Pandemiebekämpfung überhaupt nur Ultima Ratio sein. (Davina Brunnbauer, 8.7.2021)