Digitalkonzerne wie Google oder Facebook helfen mit ihren Produkten dem Fiskus dabei, Steuersündern auf die Schliche zu kommen.

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Nur zwei Dinge auf dieser Welt sind uns sicher: der Tod und die Steuer", sagte der amerikanische Politiker und Schriftsteller Benjamin Franklin. Doch beim Thema Steuern wird es kompliziert – gerade in den USA. Dort können – ähnlich wie in der Schweiz die Kantone – die Bundesstaaten unterschiedliche Einkommens- und Verbrauchssteuersätze erheben. Für Bürger, deren Wohn- und Arbeitssitz in zwei Bundesstaaten liegt oder die einen Zweitwohnsitz in einem anderen Gliedstaat haben, ist das ein enormer bürokratischer Aufwand. Sie müssen dem Finanzamt haarklein darlegen, an welchen Tagen sie in welchem Bundesstaat waren.

Doch mittlerweile gibt es auch dafür eine technische Lösung. Mit Apps wie Tax Day oder Tax Bird können Steuerpflichtige ihren Standort tracken und ein digitales Fahrtenbuch führen. Nutzer sehen in der kostenpflichtigen App, wie viele Anwesenheitstage sie in welchem Bundesstaat verbracht haben und wie viel Zeit sie noch im Heimatstaat verbringen können, um dort besteuert zu werden. Die App funktioniert wie alle Tracking-Apps: Sie greift auf Ortungsdienste zu und zeichnet im Hintergrund Standortdaten auf. Die Finanzämter erkennen diese Protokolle in der Regel an.

Standortdaten für Fiskus

Für die Bürger kann sich die Aufzeichnung lohnen. Sie sparen jede Menge Aufwand – und am Ende womöglich auch noch Geld. "Wenn es um Steuern geht, kann Getrackt-Werden eine gute Sache sein", titelte die New York Times kürzlich. Allein, neben den Standortdaten sammeln die Apps noch jede Menge weiterer Daten: Nutzungsdaten, Geräteinformationen, Fotos, Adressbuchkontakte. Und diese Daten werden auch mit Dritten geteilt, zum Beispiel mit Anzeigenkunden, Analytics-Firmen oder Mobilfunkanbietern. Wer öfter an einem Flughafen getrackt wird, könnte Werbung für Airlines oder Vielfliegerprogramme bekommen. Gerade wenn es um sensible Steuerdaten geht, ist das besonders heikel.

Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass die US-Steuerbehörde IRS massenhaft Smartphone-Daten amerikanischer Bürger von privaten Überwachungsfirmen kaufte. Anhand von Standortdaten wollte die Behörde herausfinden, wo Bürger ihren regulären Wohnsitz haben – und so potenzielle Steuersünder aufspüren. Gegen den möglicherweise illegalen Datenkauf legten die demokratischen Senatoren Ron Wyden und Elizabeth Warren Beschwerde beim Generalinspektor des US-Finanzministeriums ein. Der Vorwurf: Die Behörde habe ihre Befugnisse überschritten und gegen die Verfassung verstoßen.

Begehrlichkeiten der Finanz

Doch Daten wecken beim Finanzamt Begehrlichkeiten. So ist die britische Steuerbehörde HMRC kraft eines Gesetzes zur Telekommunikationsüberwachung ermächtigt, in begründeten Fällen Kommunikationsdaten von Steuerpflichtigen auszuwerten: besuchte Websites, eingehende oder getätigte Anrufe und Metadaten von Mails.

Es gibt eine Reihe von Datenquellen, die Finanzämter anzapfen können. So greift die britische Steuerbehörde seit geraumer Zeit auf Daten des Satellitendienstes Google Earth zurück. Die Finanzbeamten prüfen auf den Satellitenaufnahmen, ob jemand eine Luxuskarosse vor der Haustür stehen hat oder die von der Steuer abgesetzte Renovierung der Außenfassade auch wirklich stattgefunden hat. Mithilfe von Google Earth konnte der griechische Fiskus in der Finanzkrise nichtdeklarierte Swimmingpools identifizieren – und so die leeren Staatskassen etwas füllen.

Die Erben des 2017 verstorbenen Sängers Johnny Hallyday, im Bild mit seiner Frau Laeticia, mussten Steuern in Millionenhöhe nachzahlen.

Auch Social-Media-Daten sind für Finanzämter eine Fundgrube. Als der französische Rockstar Johnny Hallyday und seine Frau Laeticia 2014 auf Instagram freizügig Fotos von ihrem Chalet in Gstaad posteten, geriet der Sänger ins Visier der französischen Justiz. Der Verdacht: Steuerflucht.

Luxusvilla in Los Angeles

Journalisten des Westschweizer Radios RTS hatten über zwei Jahre hinweg die Geodaten von Hallydays Account analysiert. Das Ergebnis der Recherche: Das Glamour-Paar verbrachte lediglich 15 Tage im Jahr an seinem Hauptwohnsitz in Gstaad. Zu wenig, um dort pauschal besteuert zu werden. Stattdessen postete die Familie Fotos von einer Luxusvilla in Los Angeles. Ein Gericht in Nanterre hat 2019 – zwei Jahre nach Hallydays Tod – auf Grundlage der geobasierten Daten entschieden, dass der Sänger in den Jahren 2012 bis 2017 seinen Lebensmittelpunkt in Frankreich hatte und folglich auch dort steuerpflichtig war. Der französische Fiskus forderte von den Erben daraufhin Steuern in Millionenhöhe nach.

Der französische Staat hat seitdem ein genaues Auge auf soziale Medien geworfen. Im Februar dieses Jahres trat in Frankreich ein Dekret in Kraft, das es der Finanzdirektion erlaubt, in Verdachtsfällen Daten von Plattformen wie Facebook, Linkedin oder Airbnb abzufragen. Ein Gastronom, der nebenbei noch Zimmer auf Airbnb vermietet und diese Einnahmen nicht deklariert, muss womöglich mit einer Betriebsprüfung rechnen. Die Finanzämter wissen immer mehr über die Bürger. Wer mit seinem Smartphone im Mobilfunknetz einer Steueroase geortet wird, sollte sich nicht wundern, wenn er darauf Post vom Finanzamt bekommt. (Adrian Lobe, 11.7.2021)