Georg Rinnerthaler (Zweiter von rechts) war mit dem späteren Bundeskanzler Leopold Figl (Zweiter von links) im KZ Dachau.

Foto: Museum Fronfeste

In den kommenden sechs Jahren soll es jeweils in einem der sechs Salzburger Bezirke einen einjährigen Gedenkort für den Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft geben. Den Anfang macht der Flachgau, wo in der Gemeinde Neumarkt am Wallersee im Mai kommenden Jahres ein derartiger Gedenkort eingerichtet werden soll. Acht Künstler und Künstlerinnen sind zu einem Wettbewerb eingeladen worden. Das Gesamtprojekt ist mit 100.000 Euro pro Jahr dotiert.

Weder links noch katholisch

Der Neumarkter Gedenkort ist Georg Rinnerthaler gewidmet. Der Gasthausbesitzer war schon 1934 zum Ziel von NS-Anschlägen geworden. Er und sein Sohn Johann wurden 1938 ein Jahr lang im KZ Dachau interniert.

"Rinnerthaler war schon in der Zeit des Austrofaschismus politisch aktiv. Die Personen, die mit ihm Schwierigkeiten hatten, wollten in der Nazizeit Rache üben. Er hielt dagegen", erläutert der Historiker Albert Lichtblau. Seine Rolle zeige, wie breit gefächert Widerständigkeit war.

Rinnerthaler passte nicht in eine Schublade des Widerstands, etwa besonders links oder katholisch. "Er ist einer jener, die überzeugt waren, dass dieses Regime und die nationalsozialistische Ideologie in ihren Grundsätzen nichts Gutes waren", ergänzt der Zeithistoriker Robert Obermair. Lichtblau und Obermair leiten gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder das Projekt.

Pädagogische Begleitung

Der in Abstimmung mit Gemeinde und der lokalen Kulturinitiative Fronfeste gestaltete Neumarkter Gedenkort soll im Mai 2022 starten. 2023 folgt dann der Tennengau. Hier soll an die Kommunistin Agnes Primocic erinnert werden. Primocic gelang es 1945, insgesamt 17 KZ-Häftlinge vor dem Erschießungskommando zu retten.

Zentraler Bestandteil der Initiative, die auf einen Vorstoß des Zweiten Landtagspräsidenten Sebastian Huber (Neos) in der Salzburger Landeskoalition zurückgeht, ist das pädagogische Begleitprogramm.

Schüler werden Historiker

"Im Unterricht findet der Nationalsozialismus oft als etwas Abgekapseltes statt. Viele haben das Bild von Mauthausen, der abgeschiedenen Festung, wo diese Gräuel passiert sind, vor sich. Man kann sich schwer vorstellen, dass auch in kleinen Orten und Gemeinschaften die Auswüchse des Nationalsozialismus sichtbar sind", sagt Geschichtswissenschafter Obermair, der auch Koordinator der Bundeseinrichtung erinnern.at in Salzburg ist.

Im Begleitprogramm sollen Schüler und Schülerinnen selbst zu Historikern werden und mit Reproduktionen von historischen Originaldokumenten, Fotografien und einem Zeitzeugeninterview die Biografie von Rinnerthaler aufarbeiten. Aber auch grundsätzliche Fragen zum Thema widerständiges Handeln und zum individuellen Handlungsspielraum in einem diktatorischen Regime sollen behandelt werden.

Gedenken bleibt politisch brisant

Wie brisant das Gedenken an die Opfer der Nazis gerade in ländlichen Regionen immer noch sein kann, zeigt das Beispiel Goldegg. In der kleinen Pongauer Gemeinde musste 2014 ein Gedenkstein für 1944 von der SS ermordete Deserteure und Widerstandskämpfer auf dem Grund eines Reha-Zentrums der Gesundheitskasse verlegt werden. Gemeinde, Kirche und Kulturverein stemmten sich lange gegen ein Mahnmal auf öffentlichem Grund.

"Landplage" Widerstand

In einer 2008 verfassten Dorfchronik wird die kleine Deserteursgruppe immer noch als "Landplage" bezeichnet. Derzeit überarbeiten Historiker im Landesarchiv Salzburg diese Gemeindechronik. Die Überarbeitung stehe kurz vor ihrem Abschluss, heißt es vonseiten des Vereines Freunde des Goldegger Deserteursdenkmals.

Man erwarte sich nun von der Gemeinde, "dass sie den Widerstand der Goldegger Deserteure und ihrer Helferinnen und Helfer öffentlich anerkennt und sich für bisherige Diskriminierungen entschuldigt", heißt es in einer Aussendung des Vereines. (Thomas Neuhold, 8.7.2021)