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Bei einer Verdünnung, wie sie in der Homöopathie üblich ist, sind Ausgangsstoffe nicht mehr nachweisbar.

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Vor einem Jahr sprach ein deutsches Gericht aus, dass eine Apotheke homöopathische Produkte mit ihren angeblichen Ausgangsstoffen bewerben dürfe, obwohl diese in den Produkten wissenschaftlich gar nicht nachweisbar sind. Das Berufungsverfahren dagegen endete vor wenigen Wochen mit einer Niederlage der Apotheke. Die Folgen für die Homöopathie könnten weitreichend sein.

In der Homöopathie ist es üblich, Produkte mit dem Ausgangsstoff und dem Grad seiner Verdünnung zu kennzeichnen und zu bewerben. So tat dies auch eine deutsche Apotheke, die eines ihrer Produkte "HCG C30 Globuli" sowie "HCG C30 Tropfen" benannte. HCG ist ein Schwangerschaftshormon, C30 bedeutet eine Verdünnung im Verhältnis 1:10 hoch 60. Diese Verdünnung gleicht einem Molekül in einer Wasserkugel mit dem Durchmesser des Abstandes zwischen Erde und Sonne. Ein Interessenverband klagte wegen Irreführung.

In erster Instanz wies das Landgericht Darmstadt die Klage ab. Denn nur, weil der Ausgangsstoff nicht mehr nachweisbar sei, bedeute dies nicht, dass er nicht mehr vorhanden sei. Und überhaupt wäre Befürwortern der Homöopathie eine hohe Verdünnung wichtig, um unerwünschte Nebenwirkungen zu verringern. Dieses Urteil sowie die Art seiner Begründung sorgten für erhebliche Kritik. Der klagende Interessenverband ließ jedoch nicht locker und legte Berufung ein – mit Erfolg.

Was draufsteht, muss nachweisbar enthalten sein

In zweiter Instanz sah das Oberlandesgericht Frankfurt (Az. 6 U 49/20) die Sache völlig anders. In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 10. Juni stellte es zunächst klar, dass Werbung für homöopathische Mittel nicht bloß Anhänger der Homöopathie, sondern allgemein alle Personen anspricht. Deshalb kann es auch nur auf das allgemeine Verständnis der Bevölkerung ankommen. Und diese erwartet sich von einem mit "HCG" gekennzeichneten Produkt, dass es auch tatsächlich das Schwangerschaftshormon enthält. Lässt sich dieser Inhaltsstoff nicht nachweisen, liegt eine Irreführung vor.

Die Argumentation des Richtersenats ist ebenso prägnant wie einleuchtend und hat bei der beklagten Apotheke Eindruck hinterlassen. Denn diese erkannte noch in der mündlichen Berufungsverhandlung den Anspruch des klagenden Interessenverbands an, woraufhin ein entsprechendes Anerkenntnisurteil des Berufungsgerichts erging.

Was bedeutet das nun? Vereinfacht gesagt: Wenn ein homöopathisches Produkt der Apotheke einen Hinweis auf einen bestimmten Ausgangsstoff enthält, muss dieser auch nachweisbar enthalten. Ansonsten darf die Apotheke dieses Produkt nicht bewerben oder vertreiben.

Zwei Handlungsoptionen

Der Apotheke bleiben zwei Möglichkeiten: Die Werbung und Kennzeichnung mit den Ausgangsstoffen beibehalten und diese lediglich so gering verdünnen, dass sie in den homöopathischen Mitteln nachweisbar bleiben; oder in den Produktbezeichnungen jeglichen Hinweis auf die angeblichen Ausgangsstoffe unterlassen.

Die erste Option erscheint angesichts der in der Homöopathie mitunter genutzten Ausgangsstoffe – von Hundekot über Beton bis hin zu Dieselabgasen – für die Konsumenten vor einem gesundheitlichen Hintergrund und für die Apotheke vor einem schadenersatzrechtlichen Hintergrund nicht sehr einladend.

Die zweite Option schränkt die Werbemöglichkeiten der Apotheke stark ein. Denn für homöopathische Produkte ist jetzt schon die Werbung mit Informationen zu angeblichen Wirkungen und Anwendungsgebieten mangels Wirkungsnachweisen gesetzlich untersagt.

Urteil als Vorreiter für andere Länder

Das Urteil ist vom lauterkeitsrechtlichen Standpunkt aus absolut korrekt. Da das Lauterkeitsrecht in der EU großteils vereinheitlicht ist, gibt es keinen vernünftigen Grund, warum ein solches Urteil nicht auch in anderen Ländern oder vor anderen Gerichten erzielbar wäre. Es müssten sich nur entsprechende Kläger finden.

Hersteller und Vertreiber homöopathischer Mittel, die ihre Produkte weiterhin mit den Ausgangsstoffen kennzeichnen und bewerben, werden in Zukunft jedenfalls damit leben müssen, dass ihnen ein Gericht über Klage eines Mitbewerbers oder betroffenen Konsumenten diese irreführende und unlautere Praxis auch mittels einstweiliger Verfügung kurzfristig untersagt.

Was der Gesetzgeber tun könnte

Vielleicht kommt der Gesetzgeber dem jedoch zuvor und erlässt Verbote der Werbung und Kennzeichnung mit Ausgangsstoffen homöopathischer Produkte. Oder er geht gleich einen Schritt weiter, beseitigt den rechtlichen Sonderstatus von Homöopathika und stuft diese als Arzneimittel oder Nahrungs- bzw. Nahrungsergänzungsmittel ein, womit homöopathische Produkte dann denselben strengen Regeln unterworfen wären.

Das Frankfurter Urteil bietet dafür einen weiteren Handlungsanstoß. Denn wenn richtigerweise jeder Hinweis auf den angeblichen Ausgangsstoff unterbleiben muss, bleibt für die Bewerbung von homöopathischen Mitteln nicht mehr viel übrig. Zumindest insofern erfolgt eine juristische Angleichung an das Prinzip der Homöopathie: Denn auch vom angeblichen Ausgangsstoff bleibt ja am Ende des Tages rein gar nichts übrig. (Sascha Jung, 8.7.2021)