Unter Saturns 82 bekannten Monden kommt dem außergewöhnlich hellen Enceladus eine wichtige Rolle zu: Seine Eisfontänen speisen einen der Ringe des Saturn.
Foto: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute

Der sechstgrößte Mond des Planeten Saturn fasziniert Forscher schon lange. Enceladus ist ein sogenannter Eismond, auf seiner Oberfläche herrschen Temperaturen von unter minus 200 Grad Celsius. Doch unter seinem dicken Eispanzer, der ihn aus der Ferne wie einen riesigen Schneeball erscheinen lässt, dürfte der Trabant einen großen Ozean aus flüssigem Wasser beherbergen. Durch kryovulkanische Prozesse stößt Enceladus hohe Fontänen aus Wassereispartikeln ins All, in denen die bis 2017 aktive Nasa-Raumsonde Cassini überaus interessante chemische Verbindungen nachweisen konnte.

Auffällige Messwerte

Cassini durchflog diese Fontänen mehrfach, um genauere Analysen vornehmen zu können. Als die Messungen zeigten, dass in dem gefrorenen Dampf organische Substanzen vorhanden sind, darunter auch relativ große Mengen an Methan, wurden Astrobiologen hellhörig. Eine naheliegende Erklärung wäre, dass es auf dem Grund von Enceladus' Ozean hydrothermale Schlote gibt, die Methan erzeugen können. Doch reichen solche Prozesse allein für die gemessene Methankonzentration um Enceladus aus?

Der gefrorene Wasserdampf, den der Mond ausstößt, zieht Forscher schon länger in seinen Bann.
Foto: NASA/JPL/Space Science Institute

Nein, wenn es nach einer aktuellen Studie von Forschern um Régis Ferrière (Université PSL und University of Arizona) geht. Wie die Forscher im Fachblatt "Nature Astronomy" berichten, muss noch etwas anderes dahinterstecken: entweder eine noch unbekannte weitere abiotische Quelle – oder gar mikrobielles Leben.

Energiequelle in dunklen Tiefen

Für ihre Studie entwickelten Ferrière und Kollegen ein Modell, in dem sie die Cassini-Daten im Detail mit von der Erde bekannten methanbildenden Prozessen abglichen. Bei der sogenannten Serpentinisierung entsteht Methan bei hydrothermalen Schloten (etwa "Schwarzen Rauchern") oder entlang der mittelozeanischen Rücken ganz ohne biologisches Zutun, indem olivinreiches Gestein der ozeanischen Kruste zu Serpentinit und anderen Mineralen umgewandelt wird. Dabei entsteht Wasserstoff, der wiederum mit Kohlenstoffdioxid reagiert und Methan bildet. Dieser Vorgang verläuft allerdings sehr langsam und kann die Methan-Messwerte in den Fontänen um Enceladus auch unter bestmöglichen Bedingungen nicht ausreichend erklären, schreiben die Forscher.

Was steckt dann dahinter? Interessant bleiben hydrothermale Prozesse in jedem Fall: Auf der Erde bringen solche Systeme blühende Ökosysteme in der dunklen Tiefsee hervor. Der Wasserstoff, der bei der Serpentinisierung freigesetzt wird, dient Archaeen als Energiequelle. Und diese Mikroorganismen produzieren wiederum Methan. "Wir wollten wissen: Könnten erdähnliche Mikroorganismen, die Wasserstoff konsumieren und Methan erzeugen, die überraschend große Mengen an Methan um Enceladus erklären?", sagte Ferrière.

Es bleibt spannend

Ausschließen lasse sich das jedenfalls nicht, so das Ergebnis der Forscher. Die Kombination aus hydrothermalen Prozessen und methanbildenden Organismen könnte für ausreichend Methan sorgen, um die Messungen zu erklären. "Wir können daraus natürlich nicht schließen, dass Leben in Enceladus' Ozean existiert", sagte Ferrière. "Aber wir können die Möglichkeit auch nicht als unwahrscheinlich verwerfen, ehe wir weitere Daten haben."

Natürlich könnten auch andere, bisher unbekannte abiotische Prozesse auf Enceladus für die verdächtige Methankonzentration verantwortlich sein. Dass Mikroorganismen aber nicht unterschätzt werden sollten, zeigte vor einigen Jahren ein Experiment von Forschern der Universität Wien: Sie stellten im Labor die Bedingungen im unterirdischen Ozean des Saturnmonds nach und konnten nachweisen, dass eine Archaeen-Art aus der japanischen Tiefsee dort problemlos gedeihen würde. (David Rennert, 12.7.2021)