Der Fundort der 13-jährigen Leonie in der Donaustadt.

Foto: APA/Gruber

Im Fall der am letzten Juni-Wochenende getöteten Leonie sitzen wie berichtet drei Verdächtige im Alter von 16, 18 und 23, alle sind afghanische Staatsbürger, in Untersuchungshaft, ein weiterer tatverdächtiger Afghane ist auf der Flucht, nach ihm wird international gefahndet.

Den Männern wird Vergewaltigung mit Todesfolge vorgeworfen. Jene drei, die sich in U-Haft befinden, machen unterschiedliche und teilweise widersprüchliche Angaben dazu, wie der Abend genau ablief. Illegale Drogen dürften aber eine zentrale Rolle gespielt haben, das Mädchen habe zunächst aus eigenem Willen Ecstasy genommen, später habe man ihr mehrere in Orangensaft aufgelöste Tabletten, von sieben bis zehn ist die Rede, eingeflößt. Danach wurde sie von zumindest zweien vergewaltigt.

Keine Hilfe

Der 18-jährige Verdächtige, der Mieter der Sozialwohnung, in der sich die Tat nach derzeitigen Erkenntnissen abspielte, stellt nun über seinen Anwalt klar, dass er zwar bei der Vergewaltigung dabei, aber nicht beteiligt gewesen sei. Das Mädchen habe währenddessen seine Hand gehalten, sagte der Mann in der polizeilichen Befragung. Geholfen bzw. eingegriffen habe er aber nicht. Am nächsten Morgen fuhr der 18-Jährige in die Arbeit – an seinem Arbeitsplatz wurde er schließlich (nach Hinweisen eines syrischen Bekannten an die Polizei) auch festgenommen.

Von allen drei Verdächtigen wurden bereits DNA-Proben entnommen. Bis die Ergebnisse und die diversen Gutachten – auch jenes zur genauen Todesursache – vorliegen, könnte es aber noch Wochen dauern.

Debatte im Nationalrat

Im Nationalrat gingen wegen des Falls die Wogen hoch. In einer dringlichen Anfrage attackierte FPÖ-Partei- und -Klubchef Herbert Kickl den Innenminister frontal und machte fehlendes Handeln für entsprechende Verbrechen verantwortlich. Ressortchef Karl Nehammer (ÖVP) versprach den Eltern des Opfers, alles für die Aufklärung des Falls zu tun, und verwies auf rechtsstaatliche Standards.

Kickl drängt seit Tagen auf eine Schweigeminute für die 13-Jährige, die nach einer gewaltsamen Begegnung mit mehreren jungen Afghanen ums Leben gekommen war. Die anderen Fraktionen lehnten das ab, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) verwies auf die entsprechenden Usancen. Daraufhin nützte Kickl seine letzte Rede- für eine Schweigeminute.

In der Debatte ortete Reinhold Einwallner (SPÖ) einen Fehler im System. Anders sei nicht zu erklären, dass gut integrierte Schülerinnen und ausgebildete Lehrlinge abgeschoben würden, gleichzeitig straffällige Asylwerber aber frei herumliefen. Die Attacken zwischen Kickl und Nehammer wertete er als Indiz, dass weder FPÖ noch ÖVP hier Lösungen schaffen könnten. Auch Nikolaus Scherak (Neos) sprach von einem Bruderzwist. Das gegenseitige Aufrechnen führe nicht dazu, auch nur einen einzigen Mord zu verhindern.

NGOs üben Kritik

Mehrere NGOs wandten sich zudem in diesem Zusammenhang am Donnerstag an die Öffentlichkeit: Die Asylkoordination Österreich, der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser und Zara (Zivilcourage & Anti-Rassismusarbeit) verlangten unter anderem einen Stopp der "rassistischen Ablenkungsmanöver". Es brauche endlich effektive Maßnahmen gegen die steigende Zahl der Femizide.

Einige politische Akteure würden "eine Asyldebatte vom Zaun brechen" und zudem "pauschalierende, rassistische Vorurteile" gegenüber den 40.000 in Österreich lebenden Menschen afghanischer Herkunft schüren. Die Tötung einer jungen Frau würde politisch instrumentalisiert und zusätzlich ein schwer rassistischer Angriff auf eine Bevölkerungsgruppe gestartet, die sich dagegen nicht zur Wehr setzen kann – "das ist pietätlos und verwerflich".

Darüber hinaus könne Abschiebung keine Strafe sein: Es wäre verfassungswidrig, Menschen aufgrund einer Verurteilung im laufenden Verfahren nach Afghanistan abzuschieben – ein Land, in dem Tod oder Folter drohen würden. Die drei Organisationen fordern den Stopp der Abschiebungen nach Afghanistan, den sofortigen Ausbau der Anlaufstellen für Gewaltopfer, mehr Ressourcen für Prävention und ein Ende der rassistischen Pauschalverurteilungen seitens Politik und Medien.

Kurz kritisiert NGOs

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat die Vorwürfe der NGOs scharf zurückgewiesen und ihnen eine Täter-Opfer-Umkehr vorgeworfen. "Es gibt Wahrheiten, die ausgesprochen werden müssen, und die werde ich auch weiterhin aussprechen und nicht zur Tagesordnung übergehen. Es gibt keine einzige Entschuldigung oder Ausrede, die diese bestialische Tat rechtfertigt. Daher verwehre ich mich erneut gegen jede Form der Täter-Opfer-Umkehr und falsch verstandener Toleranz", sagte Kurz.

Auch der Forderung der NGOs, einen Abschiebestopp nach Afghanistan zu verhängen, erteilte er eine klare Absage. "Es muss mehr und nicht weniger abgeschoben werden, besonders dann, wenn es sich um straffällig gewordene Asylwerber handelt", so Kurz, der darauf verweist, dass afghanische Staatsbürger in Österreich im Sicherheitsbericht (2019) mit 4,8 Prozent Anteil die größte ausländische Tätergruppe bei Verurteilungen nach Delikten gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung darstellten. "Hier von einem 'rassistischen Ablenkungsmanöver' zu sprechen, ist eine Verhöhnung der Opfer und ein Schlag ins Gesicht der Hinterbliebenen. Das lehne ich zutiefst ab." (red, APA, 8.7.2021)