In Wien soll die Kreuzimpfung ab Freitag großflächig angeboten werden.

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Es ist etwas kompliziert: Die Österreichische Ärztekammer (ÖAK) empfehle die Kreuzimpfung – also den Impfstoffwechsel zum mRNA-Vakzin wie Comirnaty (Biontech/Pfizer) nach einem einer Erststich mit Vaxzevria (Astra Zeneca). Das meldeten die APA und österreichische Medien, auch DER STANDARD, am Dienstag.

In einem Interview hatte sich Thomas Szekeres, Präsident der Kammer, äußerst positiv über die Kreuzimpfung geäußert. "Ich würde als Zweitimpfung empfehlen, einen mRNA-Impfstoff zu wählen", sagte Szekeres am Dienstag im Ö1-"Mittagsjournal".

Am Donnerstag folgte dann das Dementi: Es gebe keine allgemeine Empfehlung der Ärztekammer für ein heterologes Impfschema, sagte Rudolf Schmitzberger, Leiter des Referats für Impfangelegenheiten der ÖAK, bei einem Pressegespräch. Die Aussagen von Szekeres seien verkürzt wiedergegeben worden.

NIG nennt nur zwei Situationen

Auslöser für die Verwirrung ist die aktuelle Stellungnahme des Nationalen Impfgremiums (NIG). Dort wird die Kreuzimpfung in zwei Situationen als sinnvoll erachtet: Wenn nach dem ersten Stich mit Vaxzevria sehr starke Nebenwirkungen aufgetreten sind oder wenn dies aus Sicht der zu impfenden Person dringend wünschenswert ist, sollte ein Impfstoffwechsel angeboten werden. Zuvor müssen Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen und Patienten ausführlich aufklären. Grundlegend empfohlen wird ein heterologes Schema im Gegensatz zu Staaten wie etwa Deutschland aber nicht. Die Datenlage sei dafür noch nicht ausreichend.

Die Ärztekammer folge dieser Einschätzung der nationalen Expertinnen und Experten, sagte Schmitzberger. Die Formulierung sei aber "etwas schwammig".

Impfärztinnen und Impfärzte könnte das in Zukunft vor Schwierigkeiten stellen. Da es sich bei der heterologen Impfung weiterhin um Off-label-Nutzung handelt, also eine Verwendung abseits der Zulassung, seien rechtliche Fragen nicht abschließend geklärt. So sei etwa unklar, inwiefern das Impfschadengesetz in diesem Fall greife. Juristinnen und Juristen der Kammer würde diese Frage gerade abklären.

Fest steht aber: Auch auf expliziten Wunsch der Patientinnen und Patienten sind Ärzte nicht verpflichtet, eine heterologe Impfung durchzuführen. Im Falle einer Kreuzimpfung empfiehlt das NIG den verantwortlichen Ärztinnen und Ärzten, das Aufklärungsgespräch sowie die Begründung für eine Kreuzimpfung explizit zu dokumentieren.

Heterologe Impfung in Wien als "Diskussionsstoff"

Ab Freitag will die Stadt Wien den Impfstoffwechsel für Erstgeimpfte mit Vaxzevria großflächig anbieten. Laut Schmitzberger werde das angesichts der unklaren rechtlichen Lage noch zu "Diskussionsstoff" führen.

Im Büro des zuständigen Wiener Gesundheitslandesrates Peter Hacker (SPÖ) sieht man die Sache hingegen gelassen. Da der ausdrückliche Wunsch der Patienten dokumentiert werde, geht man davon aus, dass es zu keinen rechtlichen Problemen kommen werde.

Grundsätzlich seien Impfstraßen aber nur eine besondere Organisationsform der Impfungen im niedergelassenen Bereich. Das heiße: Die Entscheidung, ob eine Kreuzimpfung durchgeführt wird, fällt letztendlich auch dort die verantwortliche Ärztin oder der verantwortliche Arzt – sie seien es dann auch, die von Haftungsfragen betroffen wären.

Bundesländer zögerlich

In den restlichen Bundesländern Österreichs zeigte man sich bei einem APA-Rundruf bezüglich der Kreuzimpfung zurückhaltend. Nur in Sonderfällen greift man auf das heterologe Impfschema zurück.

In Niederösterreich werden Kreuzimpfungen nur aufgrund medizinischer Notwendigkeit durchgeführt, als individuelle medizinische Entscheidung, die ausschließlich die impfende Ärztin beziehungsweise der impfende Arzt treffen könne, wurde der APA aus dem Büro von Landeshauptmannstellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) mitgeteilt.

In Oberösterreich werden Kreuzimpfungen ebenfalls nur nach dem Auftreten schwerer Nebenwirkungen nach der ersten Dosis eines Impfstoffes oder bei dringendem Wunsch der zu impfenden Person angeboten. So laute die aktuelle Empfehlung des NIG, hieß es aus dem Krisenstab des Landes. In den Impfstraßen werden demnach – außer nach medizinischer Indikation – keine Kreuzimpfungen vorgenommen.

Im Burgenland ist das Thema Kreuzimpfung keines, da bei Astra Zeneca nur noch wenige Dosen zu verabreichen seien. Bei medizinischen Indikationen, wenn etwa jemand auf den ersten verabreichten Impfstoff allergisch reagierte, habe es allerdings bisher schon Kreuzimpfungen gegeben, hieß es zur APA aus dem Büro von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ).

Ärzte in Kärnten entscheiden selbst

An den Impfstraßen des Landes Kärnten gilt weiterhin: Jener Impfstoff, der bei der Erstimpfung verabreicht wurde, wird auch für die zweite Immunisierung verwendet. Anders könnte das aber bei den rund 340 als Impfärzten registrierten, niedergelassenen Ärzten sein, sagte Gerd Kurath vom Landespressedienst: Diese könnten selbst entscheiden, ob sie den gleichen Impfstoff noch einmal verwenden oder eine Kreuzimpfung durchführen.

In der Steiermark wird es keine Immunisierungen mit unterschiedlichen Vakzinen in den Impfstraßen geben: "Es gibt Empfehlungen, dass man das in medizinischen Ausnahmefällen tun kann. Bei den niedergelassenen Ärzten geht das seit langem, wenn sie der Meinung sind, die Reaktion auf einen Impfstoff war zu stark", meinte der steirische Impfkoordinator Michael Koren auf APA-Anfrage, aber "bei den Impfstraßen ist das nicht geplant".

Anders als in Wien werden im Bundesland Salzburg vorerst keine Kreuzimpfungen durchgeführt. Das Land Salzburg wartet ebenfalls noch auf die offizielle Empfehlung des NIG. "Es gibt seitens des Nationalen Impfgremiums hier derzeit keine klare offizielle Empfehlung für heterologes Impfen. Solange dies nicht vordringlich empfohlen wird, werden wir in den Impfstraßen dies nicht anbieten", erklärte Gesundheitsreferent Christian Stöckl (ÖVP) gegenüber der APA.

Auch in Tirols Impfzentren wird es vorerst wohl auch noch keine Kreuzimpfungen geben. Seitens des Landes werde derzeit geprüft, in welcher Form Kreuzimpfungen in den Impfzentren umsetzbar sind, teilte das Land auf APA-Anfrage mit. Das Land Tirol orientiere sich grundsätzlich an den Empfehlungen des NIG, hieß es.

Ärztekammer fordert mehr Impfungen durch Hausärztinnen und Hausärzte

Gleichzeitig brachte sich die Ärztekammer in einer anderen Impffrage in Stellung. "Impfen ist mehr als ein Stich", sagte Johannes Steinhart, Vizepräsident der ÖAK und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Die Patientinnen und Patienten würden den Hausärztinnen und Hausärzten großes Vertrauen entgegenbringen. Gerade für das Erreichen einer hohen Durchimpfungsquote sei das von enormer Bedeutung.

"Viele kommen mit Angst und Skepsis", sagt die Allgemeinmedizinerin Naghme Kamaleyan-Schmied, sie leitet das Referat für Primärversorgung und ärztliche Zusammenarbeitsformen der Bundeskammer. "Diese Personen muss man aufklären und überzeugen." Das würde besser in niedergelassenen Praxen funktionieren als in anonymen Impfstraßen.

Auch die Feststellung der Impffähigkeit einer Person sowie ihre Versorgung im Fall eines lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schocks sei durch Ärztinnen und Ärzte am besten gegeben. "Es geht nicht nur um die mechanische Applikation einer Impfung", sagte Kamaleyan-Schmied. Die Einschätzung der Impftauglichkeit, die Auswahl des Impfstoffes sowie die Versorgung im Notfall erfordere Wissen über Patienten und ihre Krankheitsgeschichte.

Zuletzt gab es immer wieder Diskussionen darüber, ob auch Apotheken die Covid-Schutzimpfung durchführen sollten. (Eja Kapeller, APA, 8.7.2021)