Rudi Nemeczek von Minisex, Bilgeri und Ewald Pfleger von Opus: Life was live.

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Regionalradiogöttin Stefanie Werger hat gerade ihr Abschiedsalbum veröffentlicht, Langsam wea i miad. Entgegen anders lautenden Vorurteilen ist es dank der Komponistin von Großtaten wie Riccardo (Sehnsucht nach Florenz) oder Stark wia a Felsn bei nur sechs neuen letzten Liedern und zusätzlichen Neueinspielungen nicht so bekannter alter Songs gar nicht einmal schlecht geworden.

Steffie Werger wird jetzt auch langsam müde.
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Die 70-jährige Weststeirerin aus Maria Lankowitz ist nicht die einzige Heldin des klassischen Austropop, die damit aktuell das Ende ihrer Bühnenkarriere verkündet. Wie alles im Leben ist zwar nach zehn gefühlten Abschiedstourneen von Tina Turner alles relativ. Aktuell verkünden aber auch gleichaltrige, rein heteronormative Kollegen bei einer zünftigen Stelze im Wiener Schweizerhaus, in Zukunft ebenfalls noch kürzertreten zu wollen.

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Der Vorarlberger Softrocker Bilgeri wird gemeinsam mit dem steirischen One-Hit-Wunder Opus im Verein mit dem zart jüngeren Rudi Nemeczek von Minisex am 20. August auf "Goodbye Tour" live und Open-Air im burgenländischen Wiesen vorläufigen Abschied von Radio Burgenland feiern. Life is Life, Some Girls are Ladies, Rund und g’sund und sauguat drauf und Rudi, Rudi gib acht, die 1980er-Jahre für Menschen, denen damals der gute junge Falco oder der alte gute Georg Danzer sowie Wolfgang Ambros in seiner Dylan-Phase oder die damals hervorragend unguten Chuzpe zu kompliziert waren: Wenn man nicht gerade als Mick Jagger mit knapp 80 Jahren im internationalen Jetset seine besten Jahre aus dem 20. Jahrhundert auf höchstem finanziellen Niveau verwaltet, ist dies ein vernünftiger Schritt.

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Der heutige Staatsoperndirektor Bogdan Roščić hat als früher Anhänger von Algorithmen und Formatradio als ehemaliger Chef von Ö3 den "klassischen", vielfach auch im Sinne von Malen nach Zahlen überflüssig gewordenen Austropop, wie ihn die Älteren kennen, zwar ohnehin schon in den frühen 1990er-Jahren "abgedreht". Bei uns im Volk der treuen unbelehrbaren Seelen konnte er sich allerdings bis heute halten. Nicht Roščić, der Austropop.

Durststrecke

Nach einer längeren Durststrecke mit verhalltem Keyboardschleim aus dem Hause "Falco und die Folgen" und Versuchen, der Angst vor der Globalisierung, dem Internetz und den vielen Fremden mit Schnäuztücherl, Scheitelknien und im Trachtendiskonter erworbenen Lederhosen sowie Hulapalu beizukommen, wirken die rüstigen Protagonisten im Rückblick aber fast rührend. Selbst Bilgeri kann man sich heutzutage als ehemaliger Zeitzeuge von Schmachtfetzen wie Some Girls are Ladies ohne Schmerzen zu Gemüte führen. Warum?!

Zum einen wären da neue Kräfte wie Seiler & Speer und ihre vom Kabarett her kommenden Lieder zu erwähnen. Songs wie der eine von der "schwaren Partie" gelten selbst in FM4-Kreisen als akzeptabel. Und der Tradition verpflichtete, diese aber nicht übermäßig strapazierende jüngere Bands wie Wanda oder Granada führen, ohne nähere Namensnennung von aktuell Altvorderen wie Der Nino aus Wien, die Tradition ohnehin in die heutige Zeit. Das ist nicht schlecht.

Herzlich Willkommen bei Stefanie Werger!

Wie aber klingt nun zum Beispiel Stefanie Wergers neue Arbeit? Wir hören die "wüden Stürme" tapfer in Form einer laut Titelsong klassischen Austropop-Andacht Hubert von Goiserns ohne Jodeln. Kinder und Menschen mit Rückenproblemen müssen jetzt weghören: Ein anderes Lied nennt sich Kamasutra. Das böllert für die Best-Ager wie einst die EAV in ihrer Hochzeit in den frühen 1980er-Jahren. Die Stimme wirkt trotz starker Halleffekte sehr nachdenklich.

Auch bei Opus und ihrer unterstellt letzten Welttournee zwischen Scheibbs und Nebraska mit einem einzigen Lied haben sie alle Fans auf ihrer Seite. Bilgeri macht das, was er kann, ebenfalls mit nach oben in die Höhe wandernder Silberrückenstimme. Eigentlich macht er jetzt ohnehin Filme und Erfolgsromane.

Die Tiefe des Raums

Rudi Nemeczek und Minisex waren diesbezüglich immer jugendlicher eingestellt. Die Neue Welle ist die alte. Das Album Reduziert von 2014 bemühte sich mit Produzenten wie dem Techno-Gevatter Christopher Just erfolgreich um Zeitgenossenschaft. Ein Fremdkörper in dieser Hölle klebriger Synthesizer und in die "Tiefe des Raums" gehender Halleffekte. Wer aber hört heute noch diesen Austropop? Wolfgang Ambros sagt: Langsam wochs’ma z’samm.

Am 20. August in Wiesen wissen wir mehr. (Christian Schachinger, 9.7.2021)