Im Gastkommentar mahnt der Komplexitätsforscher Peter Klimek zu weiterer Vorsicht in der Pandemie. Man müsse Lehren aus dem vorigen Sommer ziehen. Mit breitflächigen PCR-Tests gelte es die Fallzahlen so niedrig wie möglich zu halten.

Eine Schülerin beim Gurgeltest in einer Wiener Schule. Ein Corona-Test ist auch im Sommer wichtig, sagt der Experte.
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Die Testpflicht für die über sechsjährigen Kinder in Wien wurde zuletzt sehr emotional diskutiert. Ein Blick auf die aktuell sehr niedrigen Fallzahlen mag es in der Tat auf erstem Blick fragwürdig erscheinen lassen, warum eine solche Maßnahme notwendig ist. Diese ruhige Lage ist jedoch nur eine Momentaufnahme. Die deutlich ansteckendere Delta-Variante mischt die Karten neu. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch in Wien und Österreich die Infektionszahlen wieder steigen werden; in vielen europäischen Ländern tun sie das bereits deutlich. Daher ist es derzeit besonders wichtig, wachsam zu sein, genau hinzuschauen und vor allem die Lehren aus dem letzten Sommer und Herbst zu ziehen, als uns die Infektionslage binnen kurzer Zeit entglitten ist.

Riskante Öffnungsschritte

Aus anderen Ländern wissen wir, dass die Delta-Welle vor allem von jüngeren Altersgruppen ihren Ausgang nehmen wird, weil hier viele noch nicht geimpft sind. Bis zu den Ferien wurden Kinder und Jugendliche in den Schulen getestet. Eine Art "Sommerloch" beim Monitoring können wir uns aber nicht leisten. Deshalb ist es konsequent, die über sechsjährigen Kinder zu testen. Die Delta-Variante hätte uns hier ob kurz oder lang sowieso keine andere Wahl gelassen.

Genauso ist aber auch zu hinterfragen, wie lange sich andere riskante Öffnungsschritte aufrechterhalten lassen, etwa was das Maskentragen anbelangt, Großveranstaltungen oder die Öffnung der Nachtgastronomie. Das Ziel muss hier sein, die Fallzahlen mit breitflächigen PCR-Tests von Anfang an so niedrig wie möglich zu halten und mit einer guten Ausgangsposition in den Herbst zu gehen. Es so wie in Großbritannien unkontrolliert eskalieren zu lassen, ist keine Alternative, zumal momentan nur knapp 40 Prozent der Gesamtbevölkerung vollimmunisiert sind, aber mehr als 80 Prozent notwendig wären, um das Virus ohne Maßnahmen in Schach halten zu können.

Mehr PCR-Tests

Je konsequenter wir die erfolgten Öffnungen mit breitflächigen PCR-Tests begleiten, desto länger wird es uns gelingen, diese Freiheiten zu ermöglichen. Die Drei-G-Regel (geimpft, genesen, getestet) ist hier neben Hygiene und Masken am wenigsten einschneidend, wenngleich wir uns mehr und mehr von den wenig aussagekräftigen Antigentests verabschieden sollten. Wien befindet sich dafür in einer guten Ausgangsposition, weil hier PCR-Tests schon flächendeckend ausgerollt worden sind.

Wir haben es jetzt in der Hand, eine Zuspitzung der Situation wie im letzten Herbst zu vermeiden. (Peter Klimek, 9.7.2021)