Das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien sorgt natürlich für Applaus unter jungen Lehrenden und Forschenden der Universitäten: Eine Chemikerin der Med-Uni Wien hat geklagt und wegen Ungleichbehandlung Recht bekommen, weil sie zwischen 2002 und 2014 insgesamt elf Voll- und Teilzeitverträge über befristete Dienstverhältnisse erhalten hatte und danach den Job verlor. Die berüchtigte Kettenvertragsregel im Paragrafen 109 des Universitätsgesetzes (UG), die langfristige Karriereplanung unmöglich machte, war die theoretische Basis; in der Praxis mussten die Uni-Personalabteilungen trachten, mit ihren Verträgen in keine Falle zu tappen und den Arbeitnehmern faire Chancen für eine weitere Karriere an der Uni zu bieten. Beides dürfte hier, vorsichtig formuliert, nicht geschehen sein.

Durch das Urteil soll die Wissenschafterin in ein aufrechtes Arbeitsverhältnis mit der Med-Uni Wien versetzt werden. Die Arbeiterkammer glaubt an einen weitreichenden Umschwung. Es gibt aber berechtigte Zweifel, dass sich dadurch eine deutliche Besserung für mehr Uni-Angestellte mit befristeten Verträgen ergeben wird. Fälle wie diese könnten Einzelfälle bleiben: Die jüngste Novelle des UG macht zwar keinen Unterschied mehr zwischen Voll- und Teilzeit, Ungleichbehandlungen wie jene im Fall der Chemikerin könnten nun Geschichte sein. Lange Ketten aus Einzelverträgen sind nicht unmöglich, nach acht Jahren ist aber endgültig Schluss: Und wenn die Uni dann kein Einsehen hat und keine unbefristeten Verträge bietet, müssen die Betroffenen gehen – auf Nimmerwiedersehen.

Tenure-Track-Verfahren

Eine Verlängerung ist nur mit einer Förderung von Fonds, eine Rückkehr nach einem Wechsel auf eine andere Uni nur mit einer Professur möglich. Die Zeichen stehen nicht gut: Von 2.700 befristeten Anstellungen an der Uni Wien wurden bisher laut Betriebsrat lediglich 70 entfristet. Es gibt zwar die Chance, über Tenure-Track-Verfahren, die die Publikationen der Uni-Forschenden bewerten, zu einer Professur zu kommen. Laut Kritikern müssten jene aber dringend ausgebaut werden. Derzeit seien sie vor allem für Naturwissenschafter anwendbar, nicht aber für Geisteswissenschafter, die weniger, wenn auch umfangreicher publizieren, zum Beispiel mit Büchern. Und gerade hier sind es vor allem befristete Verträge, die die Lehre aufrechterhalten.

Für den Universitäts- und Wissenschaftsstandort Österreich ist diese Regelung eine Katastrophe. Wissenschafter und Wissenschafterinnen, die in Topjournals publizieren, müssen darauf vertrauen, dass ihre Anträge beim Wissenschaftsfonds FWF oder beim European Research Council (ERC) Chancen haben, um an der Uni bleiben zu können. Dass das angesichts begrenzter Budgets auch zur Lotterie wird, dürfte niemanden überraschen. Abwanderungen werden die Folge sein; auch das bescheidene Abschneiden der Unis in den großen Rankings wird sich nicht verbessern. Hier von Exzellenz zu träumen wirkt wie das Bauen von Luftschlössern. Der Paragraf 109 gehört also novelliert – aber diesmal richtig. (Peter Illetschko, 9.7.2021)