Inflation war in Europa lange Zeit kein Thema. Dass die Europäische Zentralbank die Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von nahe zwei Prozent festgemacht hatte, schien wie ein kaum zu erreichendes Ziel, obwohl die EZB seit Jahren gewaltige Summen an billigem Geld in die Märkte pumpt und die Zinsen auf Rekordtief hält. Es herrschte die Furcht vor, dass es in Europa zu deflationären Tendenzen kommt. Kritiker warfen der EZB daher schon lange vor, sich mit ihrem starren Inflationsziel in eine Sackgasse manövriert zu haben, und forderten mehr Spielraum. Vorgeworfen wurde der EZB mit dem bisherigen Inflationsziel auch, dass sie eine zu hohe Inflation stärker bekämpfen wolle als eine zu niedrige.

Die derzeitige ultralockere Geldpolitik wird vorerst weiter bestehen können.
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Doch die Corona-Pandemie hat das Spiel nun verändert. Der Preisanstieg – angetrieben von teureren Rohstoffen und gestiegenen Energiepreisen – hat die Inflation nach vielen Jahren wieder auf die Agenda gebracht. Die Teuerungsrate liegt im Währungsraum derzeit bei 1,9 Prozent und daher am bisherigen EZB-Ziel. Ein Agieren der Notenbank wäre wohl bald notwendig geworden. Denn die Teuerung könnte die Marke von zwei Prozent wegen der steigenden Kosten bereits im zweiten Halbjahr überschreiten. Die EZB hätte dann die Themen Leitzinsen und Anleihekäufe angehen müssen. Vom Markt wird das wenig goutiert, wie die US-Fed gesehen hat. Deren Ankündigung, aus dem Krisenmodus früher als geplant aussteigen zu wollen, hat für Unruhe an den Börsen gesorgt.

Mit der Anpassung des Inflationsziels nimmt die EZB nun den Druck vom Markt, der ein Agieren von ihr gefordert hätte. Die Zentralbank hat sich mit ihrer neuen Strategie also mehr Spielraum verschafft, weil eine Abweichung nach oben und nach unten nun erlaubt und toleriert wird. Damit wird die derzeitige ultralockere Geldpolitik weiter bestehen können. Der Markt kann also beruhigt sein. Vorerst. (Bettina Pfluger, 87.2021)