Schuldnerberater kritisieren unterschiedliche Regelungen für Private und Unternehmen.

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Wien – Die Schuldnerberatung sieht in den Reformen des Insolvenzrechts (per 17. Juli) und des Exekutionsrechts (seit 1. Juli in Kraft) Licht und Schatten. Bei der Exekutionsordnung sei die Veröffentlichung der Daten überschuldeter Menschen problematisch, bei der Insolvenzrechtsreform gebe es eine Ungleichbehandlung zwischen Privaten und Selbstständigen. Eine baldige, raschere Entschuldung für Private müsse über die derzeitige Auslauffrist hinaus möglich bleiben.

Schuldnerberater ortet Ungleichbehandlung

Die Insolvenzrechtsnovelle setze eine EU-Richtlinie um, die vorschreibt, dass sich Selbstständige künftig innerhalb von drei Jahren entschulden können, erinnert die Schuldnerberatung. Die Möglichkeit dazu werde grundsätzlich auch privaten Schuldnerinnen und Schuldnern gegeben – allerdings wie berichtet nur bis 2026 befristet. "Darin besteht eine Ungleichbehandlung zwischen privaten Schuldnern und Selbstständigen", kritisiert Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der ASB Schuldnerberatungen GmbH, Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldnerberatungen in Österreich.

Die Regierung habe die unterschiedlichen Regelungen für Private und Selbstständige mit der Bekämpfung der Corona-Wirtschaftskrise begründet – "aber das war so nicht gedacht, die EU hat die Vorgaben – eine verpflichtende Verkürzung für Unternehmen und eine Empfehlung für Private – weit vor Corona gemacht. Die Befristung für Private war ein politischer Kompromiss", sagte Mitterlehner zur APA.

Private sollen sich besser entschulden können

Die Schuldnerberater fordern, dass sich Private auch nach 2026 innerhalb von drei Jahren entschulden können. Denn ein verkürzter Privatkonkurs stehe ohnehin nur jenen offen, die ernsthaft und konsequent an einer Entschuldung interessiert seien. Die verkürzte Entschuldung sei an bestimmte Bedingungen gebunden. Sobald das Gericht die offenkundige Zahlungsunfähigkeit veröffentlicht hat, müssen Schuldner innerhalb von 30 Tagen einen Antrag auf Eröffnung des Privatkonkurses stellen. Private Schuldner müssen innerhalb von 30 Tagen Maßnahmen zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit oder zur Vorbereitung des Privatkonkurses ergreifen – etwa indem sie sich bei einer staatlich anerkannten Schuldnerberatung für eine Beratung anmelden. Außerdem dürfen sie keine neuen Schulden machen.

Die mit 1. Juli in Kraft getretene Novelle der Exekutionsordnung sehen die Schuldnerberatungen " mit einem lachenden und weinenden Auge". Das lachende betreffe die neue Form der sogenannten "Gesamtvollstreckung". Künftig würden dadurch Vermögen und pfändbare Beträge an alle Gläubiger verteilt werden – bisher sei nur der erstgereihte Gläubiger bedient worden. Zudem rücken Schuldner näher an ein Schuldenregulierungsverfahren. Mit Einleitung einer Gesamtvollstreckung komme es zu einem Exekutions- und Zinsenstopp, die Schuldenexplosion durch Zinsen und Kosten werde dadurch verhindert. Die Schuldnerberatungen erwarten, dass durch die Reform deutlich mehr überschuldete Menschen wieder in geregelte finanzielle Verhältnisse kommen.

Kritik an Veröffentlichung überschuldeter Menschen

Das weinende Auge bei der Novelle der Exekutionsordnung beziehe sich auf die Veröffentlichung der Daten überschuldeter Menschen. Stellt das Gericht fest, dass jemand überschuldet ist, wird diese "offenkundige Zahlungsunfähigkeit" in der Ediktsdatei im Internet veröffentlicht. "Arbeitgeber, Vermieter, Arbeitskollegen oder neugierige Nachbarn können nachsehen, ob eine Überschuldung besteht. Das wird zu gravierenden Nachteilen für überschuldete Menschen führen, die ohnehin mit vielen Problemen und Stigmatisierungen zu kämpfen haben, und sie werden auch gleich Angebote von Kredithaien bekommen", sagte Mitterlehner. Die Schuldnerberatungen hätten die Veröffentlichung in den Exekutionsdaten vorgeschlagen – darauf hätten nur die Gläubiger Zugriff, und das hätte ausgereicht. (APA, 9.7.2021)