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Die Rückkehr des Wolfes in den heimischen Wäldern erhitzt die Gemüter.

Foto: AP/Jacob W. Frank

Wien – "Die friedliche Koexistenz von Wölfen und Almwirtschaft ist eine Illusion", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) zur Diskussion um die Rückkehr des Wolfes in Österreich. In der laufenden Almsaison 2021 sei es bereits zu mehr als 200 Rissen – betroffen waren hauptsächlich Schafe – durch Wölfe gekommen. Vor allem in den Bundesländern Tirol, Salzburg, Steiermark und Kärnten stellen die Wolfsrisse mittlerweile ein Problem dar, behauptet Köstinger unter Verweis auf aktuelle Zahlen.

Herdenschutz als Gegenmaßnahme hält die Ministerin für ungeeignet. Der Aufwand dafür sei unverhältnismäßig und den Almbauern nicht zumutbar. Das Einzäunen, so Köstingers Argumentation, sei ineffektiv, weil Wölfe diese Zäune überspringen würden. Den Einsatz von Herdenschutzhunden hält die Tourismusministerin wiederum für "keine praktikable Option" in touristisch genutzten Regionen. Wenn jetzt nicht gehandelt werde und man Problemwölfe nicht zum Abschuss freigebe, würden heimische Almen bald nicht mehr bewirtschaftet werden, zeichnet Köstinger ein düsteres Zukunftsszenario.

Abschuss laut Köstinger möglich

Daher trete sie für die sofortige "Entnahme von Problemwölfen" ein. Eine solche Entnahme einzelner auffälliger Tiere sei durchaus möglich – auch gemäß der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, also der Naturschutzrichtlinie der EU –, argumentiert Köstinger, wenn mittels DNA-Proben nachweisbar sei, dass ein Wolf für mehrere Risse verantwortlich sei. Allerdings würden erteilte Abschussbescheide durch Einsprüche verzögert und somit oft verunmöglicht. Daher spricht sich die Ministerin für eine "deutliche Beschleunigung" dieser Verfahren aus.

Köstinger sieht in Wölfen ein großes Bedrohungspotenzial und warnt vor Übergriffen auf Menschen: "Wir können nicht darauf warten, bis der erste Mensch durch einen Problemwolf verletzt wird oder zu Schaden kommt. Dass dieses Bedrohungspotenzial besteht, zeigen Angriffe in anderen Ländern." Dieses Szenario hält man seitens des WWF allerdings für etwas übertrieben. Denn in den vergangenen 50 Jahren sei in Europa kein einziger Angriff eines gesunden, nicht angefütterten Wolfes auf Menschen bekannt.

WWF kritisiert Köstingers Vorstoß

Überhaupt kann der WWF Köstingers Vorstoß wenig abgewinnen, wie es in einer ersten Reaktion heißt. "Der Wolf ist eine streng geschützte Art und wichtiger Bestandteil einer intakten Natur. Anstatt rechtswidrige Abschüsse zu fordern, muss der betroffenen Almwirtschaft durch eine Herdenschutzoffensive geholfen werden. Die wird seit Jahren auf die lange Bank geschoben, was vollkommen unverantwortlich ist", sagt WWF-Artenschutzexperte Arno Aschauer.

Vorhandene EU-Fördertöpfe müssten viel stärker als bisher ausgeschöpft werden, um die Landwirtschaft im Aufbau von Schutzmaßnahmen zu unterstützen, fordert der WWF. Richtig angewendeter Herdenschutz sowie eine Wiederbelebung des Hirtenwesens nach Vorbild der Schweiz seien durchaus praktikable Lösungen. Auch mit Zucht und Ausbildung von Herdenschutzhunden sollte gemäß WWF schnellstmöglich begonnen werden. Parallel dazu brauche es mehr sachliche Beratung von Bäuerinnen und Bauern sowie ausreichend dotierte Fördertöpfe für Präventionsmaßnahmen – und zwar nach Vorbild anderer Nachbarländer Österreichs, die laut WWF mit weit größeren Wolfspopulationen leben.

Tiroler Landtag ändert Gesetze für Abschuss

Um eine leichtere "Entnahme" von Problemwölfen zu ermöglichen, hat der Tiroler Landtag Donnerstagabend eine Änderung des Tiroler Almschutz- und Jagdgesetzes beschlossen. Konkret soll ein fünfköpfiges Fachkuratorium "Wolf-Bär-Luchs" eingerichtet werden, das über den Umgang mit auffälligen Tieren entscheiden soll. Es soll unabhängig und weisungsfrei arbeiten. Die Entscheidung des Kuratoriums – die bis zum Abschuss gehen kann – ist für die Landesregierung dann bindend. Außerdem wird das Almgebiet auf seine Tauglichkeit hinsichtlich Herdenschutz beurteilt. Es soll kategorisiert und bestimmt werden, wo Herdenschutz möglich ist, wo nur bedingt und wo nicht.

"Wir reizen auf Basis von Gutachten alle rechtlichen Spielräume aus und gehen einen neuen Weg im Wolfsmanagement", sagte der zuständige Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) nach dem Beschluss des schwarz-grünen Dringlichkeitsantrages in einer Aussendung des Tiroler Bauernbundes. "Im Umgang mit Problemwölfen gibt es nun einen Maßnahmenplan, der bis hin zur Entnahme reicht. Damit bieten wir den betroffenen Bauern und Almen eine Perspektive", zeigte sich Geisler zufrieden. Der Anspruch auf Entschädigungen für Schäden an Tieren wurde außerdem gesetzlich festgeschrieben. Gleichzeitig hieß es aber: "Dort, wo möglich, werden Maßnahmen zum Herdenschutz weitergeführt und ausgebaut."

Kritik vom grünen Koalitionspartner

Die Umweltsprecherin der Grünen, Astrid Rössler, zeigt sich indes irritiert angesichts der Forderung von Köstinger: "Niemandem ist geholfen, wenn die Stimmung beim Thema Wolf noch weiter aufgeheizt wird. Und leere Versprechungen helfen den Bäuerinnen und Bauern ebenso wenig. Daher ist eine rasche und gemeinsam akkordierte Vorgehensweise zum Schutz der Weidetiere und zur Einhaltung des EU-Rechts das Gebot der Stunde." Ministerin Köstinger sei bei der Erstellung des gemeinsamen Entschließungsantrags eingebunden gewesen und müsse nun auch zu ihrem Wort stehen, so Rössler.

Aktuell gibt es in Österreich rund 40 Wölfe, die meisten davon sind als Einzelgänger unterwegs. Bisher ist in Österreich nur ein Rudel am Truppenübungsplatz Allentsteig in Niederösterreich (seit 2016) nachgewiesen. Die Raubtiere stehen unter strengem Schutz. In den vergangenen 20 Jahren werden in Österreich wieder vermehrt Wölfe beobachtet, die meist aus Nachbarländern einwandern, wo es größere Populationen gibt. (ars, APA, 9.7.2021)