Paul Schweinester glänzt als Tony mit dynamischem Tenor.

Foto: Seefestspiele Mörbisch

Schließlich schritten die beiden Gangs, die Jets und die Sharks, nach Tonys Rachemord durch Gino und Marias verzweifelter Standpauke etwas kitschig-versöhnlich Richtung Neusiedlersee. Hand in Hand ging es da zur Freiheitsstatue, die einen recht langen Abend hindurch auf sie gewartet hatte. Es lag nicht nur an der West Side Story selbst, dass es dann doch nach Mitternacht wurde, bis ein Ballett von Wasserfontänen und ein womöglich bis in die Budapester Amtsstube von Viktor Orbán hörbares Feuerwerk quasi zum Sperrstunderufzeichen wurden.

Stau der Eröffnung

Einerseits ist zum Saisonstart ja immer Stau in Mörbisch. Auch dauert es, bis alle Weltstars ihre Plätze eingenommen, nachdem sie genügend Interviews gegeben haben. Andererseits streckt den Abend immer auch die Tradition der Eröffnungsreden, die heuer konfliktgewürzt waren. Es verfügen die Seefestspiele nun über zwei Leiter.

Der aktuelle künstlerische Boss Peter Edelmann begrüßte gefühlterweise alle bis auf den neuen Generalintendanten Alfons Haider. Auch schwärmte Edelmann im Sinne des Songs Somewhere von einem Traumort, an dem qualitätsvolles Musiktheater möglich wäre und "man nicht durch die persönlichen Befindlichkeiten anderer entmachtet wird ...". Verständlich.

Operette gegen Musical

Da konnte Haider nicht still bleiben. Es gelte halt, getroffene Entscheidungen mitzutragen. Haider meinte damit wohl seine Idee, 2022 statt der von Edelmann geplanten Lustigen Witwe das Musical The King And I zu bringen, das im Programmheft der West Side Story bereits beworben wird. Zudem hoffte Haider, "dass Sie anderen Menschen, die Veränderung bringen wollen, eine Chance geben, bevor Sie sie verurteilen".

Die interessanten Verbaleröffnungen beschenkten mit der Möglichkeit, das Bühnenbild (Walter Vogelweider) etwas genauer in Augenschein zu nehmen: Die im Halbkreis angeordneten Gebäude, welche den Schauplatz der Tanzkämpfe umfassen, trugen ja erhellende Informationen. Da waren Plakate, die Konzerte von Fats Domino und Paul Anka (mit seinem Jugendhit Diana) ankündigen, was auf die späten 1950er in New York schließen ließ. Ebendort hat 1957 Leonard Bernstein das altehrwürdige Romeo und Julia-Motiv hin verortet. Und es schien für Regisseur Werner Sobotka Gesetz, dem Original und dessen initialer Inszenierung nachzueifern.

Die Herausforderung

Es gäbe zwar gegenwärtig ausreichend aktuellen Stoff, der mitbehandelt hätte werden können. Die eigentliche Herausforderung ist allerdings natürlich, das geniale Stück über das tödlich eskalierende Schattenboxen von mit Ressentiments verseuchten, perspektivlosen Jugendlichen auf die imposante Seebühne zu bringen.

Kleine Milieustudie

Die nostalgische Angelegenheit darf als gelungen gelten: Schließlich gilt es nicht nur, die effektvollen Tanzszenen (Choreografie Jonathan Huor) umzusetzen, was durchaus dynamisch und unter Anwendung von fernöstlicher Kampfkunst gelang. Gleichzeitig sind da die kleinen Milieustudien und die intimeren Momente auszugestalten, wenn etwa Tony seine Maria erstmals sieht: Die Tanzveranstaltung wird ausgeblendet, das Ambiente verdichtet sich zur romantischen Liebesblase der Zweisamkeit.

Natürlich trägt die Musik (gediegen das Orchester unter Dirigent Guido Mancusi) auch die szenischen Vorgänge.

Und da das Ensemble aus jugendlichen Könnern besteht, wurde es eine sehr respektable West Side Story mit profilierten Hauptfiguren: Paul Schweinester (als Tony) glänzte mit dynamischem Ton, den er im Duett mit Andreja Zidaric (edler, heller Sopran als Maria) geschmackvoll zurücknahm. Auf etwas gar deftige Energieentfaltung setzten Fin Holzwart (als Riff) und Paul Csitkovits (als Bernardo). Würdevoll Tamara Pascual als Anita, jene Lady aus Puerto Rico.

Die Produktion ist übrigens fast schon ausverkauft; doch eine ziemliche Vorgabe für "The King and I."

(Ljubiša Tošić, 9.7.2021)