"Das Land wird schiacher, aber kein Grund zur Klage, solange der Kanzler schön ist."

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Die Beherrschung des Schönredens ist eine Basisanforderung an den Beruf des Politikers (und nicht nur an diesen, von der Werbung reden wir aber ein andermal).

Gute Nachrichten gibt es tagtäglich zuhauf. Kein Land der Welt ist so bravourös durch die Corona-Krise gekommen. Mörderintrigen beim Parteitag sind der beste Beweis dafür, dass parteiintern alles toll läuft. Spitzenengagement der Delegierten, super Diskussionsklima! Und noch nie hatte ein österreichischer Parlamentarier eine dermaßen belanglose Corona-Infektion wie Herr Hafenecker.

Wenn alle Vögel tot von den Bäumen fallen und der letzte Hektar Erde feierlich für einen Supermarkt zubetoniert wird, darf man Gift darauf nehmen, dass sich immer noch ein Politiker finden wird, der einem erklärt, ökologisch sei hierzulande alles in Butter, in reiner, unverfälschter Alpenbutter. Das Land wird schiacher, aber kein Grund zur Klage, solange der Kanzler schön ist.

Zuckersüße Tiraden

Wen es nach Ausgleich zu den zuckersüßen Tiraden der Schönwetterredner gelüstet, der sollte im Sommer zu einem Stück grimmiger Literatur greifen. Wir in Österreich haben ja eine ganze Batterie von schlecht gelaunten Bosnigln auf Lager (Doderer, Canetti, Bernhard, Jelinek, Handke, Kogler etc.), die sich nicht so recht am nationalen Glück erfreuen wollen.

Der Krisenkolumnist liest aber derzeit eine Flaubert-Biografie von Michel Winock und wird von dieser in der Überzeugung bestärkt, dass die literarhistorisch ergiebigste Zusammenrottung von Spitzenstänkerern, Edelmisanthropen und Weltklassezynikern doch Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich stattgefunden haben dürfte.

Die Dummheit meiner Epoche ...

Ich zitiere die Brüder Goncourt: "Jede Regierung, die die Zahl der Analphabeten verringert, arbeitet gegen ihr Prinzip." Und ich zitiere Flaubert himself: "Die Dummheit meiner Epoche reizt mich zu Hassfluten, die mich fast ersticken. Die Scheiße steigt mir in den Mund wie bei einem verklemmten Bruch, aber ich werde sie aufbewahren, formen, eindicken und daraus einen Brei machen, mit dem ich das 19. Jahrhundert beschmieren werde."

Auch kein wirklicher Vertreter des positiven Denkens also. Am 12. Dezember 2021 jährt sich Gustave Flauberts Geburtstag zum 200. Mal. Wäre kein schlechter Anlass, (wieder) einmal in Madame Bovary oder die Lehrjahre der Männlichkeit hineinzuschauen. (Christoph Winder, 11.7.2021)