Carrie, Charlotte, Miranda – Samantha (ganz links) wird künftig nicht mehr dabei sein. Die Chance auf ein wenig Diversität?

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Zwanzig Jahre nachdem die Kultserie Sex and the City rund um vier New Yorker Upperclass-Singles zu Ende ging, soll alles wieder von vorn losgehen. Diesen Sommer starten die Dreharbeiten zu zehn neuen Folgen über das Großstadt-, Single- und Beziehungsleben in New York, diesmal unter dem neuen Titel And Just Like That. Wann die neuen Folgen ausgestrahlt werden, steht noch nicht fest.

Doch nach sechs Staffeln Sex and the City (1998–2004), unzähligen Wiederholungen und zwei trotz ihrer etwas schleißigen Machart verblüffend erfolgreichen Kinofilmen (2008 und 2010) muss man sich die Frage stellen: Ist eine Fortsetzung dieser Serie wirklich eine gute Idee? Einst galt Sex and the City als frecher Tabubruch: Vier Frauen, die vergleichsweise schamlos und offen über Sex, Intimrasuren oder darüber plaudern, wie viel Zweierbeziehung überhaupt noch sein muss – das war ein Novum in der damaligen TV-Landschaft und bescherte dem Sender HBO diverse Kritikerpreise.

Peinlich statt sexy

Aber Zeiten und damit der Zeitgeist ändern sich. Wie angebracht ist also heute die Erzählung über vier Upperclass-Ladys, die als Freizeitbeschäftigung vor allem Geld auf den Kopf stellen und trotz einiger Affären weiterhin am Märchenschnörkel der ewigen Liebe samt Hochzeit festhalten? Wäre Hauptfigur Carrie heute 30 Jahre alt und Sexkolumnistin: Würde sie Mr. Big, den irre erfolgreichen Finanzmarkthai (Genaueres weiß man nicht) mit schwarzer Limousine plus Chauffeur, nicht eher peinlich denn anbetungswürdig finden?

Der feministische Unterton, den damals viele an der Serie vernahmen, wirkt mittlerweile fast liebenswert altbacken. Ende der 1990er gingen die unterschiedlichen Lebensentwürfe von Carrie, Miranda, Charlotte und Samantha noch als Selbstermächtigungsplot durch – ihre Freundschaft, die jeden Mann überdauerte, wurde als gelebte Frauensolidarität bejubelt.

Wokeness-Faktor? Check!

Den heutigen Wokeness-Ansprüchen an die Popkultur wird das freilich nicht mehr gerecht. Vielleicht ist es deshalb gar nicht so schlecht, dass Kim Cattrall als sexhungrige Samantha für die Neuauflage absagte. Damit erhielt man die Chance auf etwas Vielfalt im Cast um Sarah Jessica Parker, Cynthia Nixon und Kristin Davis: Sara Ramirez, in Mexiko geboren, in den USA aufgewachsen, wird eine Hauptrolle in And Just Like That übernehmen.

Die Schauspielerin, die als Callie Torres in der US-Serie Grey’s Anatomy berühmt wurde, gab 2020 bekannt, nichtbinär zu sein – sich also weder als Mann noch als Frau zu identifizieren. Das soll nun auch in die neuen Episoden von SATC einfließen: Ramirez alias Che Diaz gibt einen Podcast-Host, der die mittlerweile 50-jährige Carrie Bradshaw regelmäßig zum Gespräch bittet – immerhin ein kleines Zugeständnis an den Zeitgeist.

Wird das reichen? Mittlerweile gibt es etliche aktuelle Serien mit cooleren, vielschichtigeren Frauenrollen, angefangen bei Fleabag oder Killing Eve. Das letzte Buch von SATC-Bestsellerautorin Candace Bushnell lässt hoffen, dass auch die Charaktere von Sex and the City eine kleine Evolution durchmachen. Die 62-Jährige veröffentlichte 2020 mit Is There Still Sex in the City? einen autobiografischen Roman, der das Leben von Frauen ab 50 in den Mittelpunkt stellt. Statt keckem Sex-Talk und der Jagd nach neuen Designer-Heels erzählt Bushnell vom Sterben der Mutter, die mit 72 den Kampf gegen Brustkrebs verliert. Niemand in der Familie hatte Brustkrebs, alle – sowohl väterlicherseits als auch mütterlicherseits – wurden über 90 Jahre alt. Ihre Mutter allerdings bekam in ihren Fünfzigern wegen ihrer Wechseljahre Hormonersatzpräparate verschrieben und erkrankte an Brustkrebs, den diese Präparate verursachen können.

Wenige Monate später stirbt ihr Hund auf einem Gehsteig in Manhattan an einem Aneurysma. Sie steht vor dem toten Tier, weiß nicht weiter und erreicht ihren Mann nicht mehr. Am Ende ist es eine Freundin, die herbeieilt und ihr beisteht. Doch das Ende von Bushnells Ehe ist mit dem Vorfall eingeläutet.

Sorry, es ist das System

Er will die Scheidung. Zum nun anstehenden Auseinandersortieren gehört auch, dass die laufende Hypothek auf die bisher gemeinsame Wohnung nicht mehr auf das Paar, sondern auf sie allein überschrieben werden soll. Reine Formsache? Nicht ganz, denn selbst bei einem gutgefüllten Konto wie jenem von Candace Bushnell streikt der zuständige Algorithmus ihrer Bank angesichts der Eckdaten. Frau, selbstständig, alleinstehend, über fünfzig ergibt: sicher nicht! Sorry, das System, entschuldigte sich der Bankbeamte bei Bushnell.

Das klingt alles eher düster und so gar nicht nach witzigen Dating-Anekdoten beim Cocktail. Doch Bushnells Buch, das auch die Vorlage für die neuen Episoden von SATC bildet, liegt absolut im Trend: Der Buchmarkt entdeckt Frauen um die fünfzig als Zielgruppe für Selbstfindung und Selbsthilfe. Auf den Top-Plätzen der Bestsellerlisten liegt derzeit etwa Die Glücklichen, ein Ratgeber von Susanne Beyer. Prominente wie Claudia Schiffer sinnieren darin ebenso über die zweite Lebenshälfte wie Pflegerinnen und Hausfrauen.

Es bleibt widersprüchlich

Im Roman Sex für Wiedereinsteiger von Mila Paulsen besuchen eine gelangweilte Hausfrau Anfang 50, eine neurotische Journalistin (46), eine gestresste 43-jährige Mutter und ein verklemmter männlicher Single einen Volkshochschulkurs, in dem Sex für das fortgeschrittene Alter gelehrt wird.

Und da wäre auch noch Star-Autorin Isabel Allende, die in ihrem jüngsten Buch die Frage Was Frauen wollen? stellt – und sie aus der Perspektive einer mittlerweile 80-Jährigen beantwortet. Dabei bewegt sie sich zwischen großen politischen Forderungen wie dem Ende des Patriarchats und Profanem, etwa Make-up als ihrem "besten Freund" oder ihrer Kleidung, die Stellen "kaschiert, wo die Dämme gebrochen und von mir unmöglich neu zu errichten sind". Diese Tonalität ist auch für die neue SATC-Staffel And Just Like That vorstellbar: ein wenig politisch-korrekter Pathos, der am Ende nur das Schmiermittel für Optimierungsideen für die Frau fünfzig plus sein soll ... (Beate Hausbichler, 11.7.2021)